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© privat / Tagesspiegel

Kolumne „In der Lobby“: Die guten Sitten gingen nicht erst in der Silvesternacht verloren

Unser Kolumnist vom Handelsverband Berlin-Brandenburg hofft, dass die Ereignisse aus der Silvesternacht ein Weckruf für die Gesellschaft sind.

Eine Kolumne von Nils Busch-Petersen

Das kriminelle Verhalten enthemmter Gruppen Jugendlicher insbesondere gegenüber Polizei, Feuerwehr und Rettungskräften in der Silvesternacht ist nicht zu rechtfertigen. Entschiedene gesellschaftliche Reaktionen tun Not.

Der Chor der Kenner besingt wahlweise eine misslungene Integrationspolitik, „die“ Migranten als solche (welche es so nicht gibt), toxische Männlichkeit oder auch einen Medley aller drei „Ursachen“. Die Geschehnisse am Rande des menschlichen Verhaltensspektrums werden sicher aus verschiedenen Quellen gespeist.

Eine davon aber sind wir selbst, ist die sich verschlechternde Kultur des Umganges miteinander auch in der „Mitte der Gesellschaft“. Drei Stufen einer langen Eskalationsleiter gefällig?

Stufe 1: Eine Berliner Abgeordnete fand eine weihnachtliche Anmutung der Innenstädte im Gegensatz zu mir nicht systemrelevant. Sie twitterte das der Welt. So weit, so gut, wir waren eben unterschiedlicher Meinung. Aber dann musste die Dame doch noch dem Tweet jenes Emoji anfügen, welches sich vor die Stirn schlägt...

Stufe 2: Nach Silvester schlug auch eine „BZ“-Redakteurin ein Böllerverbot vor. Eine von ihr anschließend zur Kenntnis gegebene „Leserzuschrift“ war widerlich, sexistisch, verletzend und bis auf die Bezeichnung „Gehirnlegastheniker“ hier nicht zitierfähig…

Stufe 3: Vor einem Jahr mussten wir im Handel Einlasskontrollen durchführen, weil nur Gäste mit „2G“-Status in unsere Läden durften. Die Verkäuferinnen haben sich in diesen Wochen von Männern und Frauen, von Kunden jeglicher Herkunft so viel Gemeinheiten, Drohungen für Leib und Leben anhören, direkte körperliche Konfrontation erfahren müssen, dass sich einige nach Ladenschluss nicht mehr allein auf die Straße trauten…

Die Kultur des Umganges miteinander, die guten Manieren sind also nicht mit den Feuerwerksböllern zerplatzt oder im BVG-Bus abgefackelt worden. Sie gingen auch nicht in der Anonymität der Internetblasen verloren. Wir haben uns gehen lassen und die bedrückenden Verhältnisse der Krisenzeiten machten das leichter.

Vielleicht brauchen wir neue Runde Tische zur Erörterung der Lage. Verändern wird sich aber nur etwas, wenn auch die an den Runden Tischen, wenn wir alle wieder aufmerksamer, empathischer und respektvoller miteinander umgehen und so glaubhaft einen Gegenimpuls auslösen.

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