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© Lisa Rock für den Tagesspiegel

„Der Erbonkel“: Die Zellen der Kinder im Krebs der Mutter

Mütter sind Chimären, in ihrem Körper leben Zellen ihrer Kinder weiter. Kann das auch zu Erkrankungen beitragen?

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Eltern vererben ihre Gene an ihre Kinder, diese an ihre Kinder und so weiter. Aber nicht immer verläuft die Biologie so eingleisig. Mütter etwa können auch von ihren Kinder „erben“: Während der Schwangerschaft wandern Zellen des Fötus in ihren Körper, können dort Jahrzehnte bleiben und sogar heilende Wirkung entfalten (siehe Erbonkel vom 5. März 2023). Aber können sie auch Schaden anrichten?

Tatsächlich sind fötale Zellen in Tumoren der Haut, Brust, Gebärmutter, Eierstöcke, Lunge, Dickdarm und Schilddrüse entdeckt worden. Aber die Rolle dieser Zellen dort sei „komplex“, schreiben Gynäkologinnen der Universität Oslo im Fachblatt „Obstetric Medicine“. In einigen Brustkrebstypen scheinen die Zellen einen schützenden, Krebs eindämmenden Effekt zu haben.

Das ist im Einklang mit der Beobachtung, dass Frauen, die keine oder erst spät eine Schwangerschaft durchgemacht haben, ein höheres Risiko haben, an Brustkrebs zu erkranken, als jung schwanger gewordene. Allerdings deuten die Statistiken auch auf ein höheres Brustkrebsrisiko für einen kurzen Zeitraum direkt nach der Geburt hin. Inwieweit fötale Zellen dafür eine Ursache sein könnten, ist jedoch unklar.

Auch im Gehirn haben Forscher fötale Zellen entdeckt. In Mäusen mit Parkinson-ähnlicher Erkrankung sogar gehäuft. Aber in den Gehirnen von Alzheimer-erkrankten Müttern kommen die fötalen Zellen seltener vor. Handfeste Belege, die Zellen seien an der Entstehung solcher Erkrankungen beteiligt oder wirkten dagegen, fehlen auch hier.

Ähnlich unklar ist, ob fötale Zellen das Immunsystem zu einer Gegenreaktion anregen und die Immunzellen in der Folge auch das ähnliche, körpereigene Gewebe angreifen und Autoimmunerkrankungen auslösen. Zwar werden fötale Zellen in einigen Studien häufiger im Blut oder entzündeten Geweben von Patienten mit Schilddrüsen-Entzündung (Hashimoto), Rheumatoider Arthritis oder Lupus erythematosis gefunden. Aber ob sie Ursache dieser Erkrankungen sind, ist nicht klar.

Alles in allem sieht es also nicht danach aus, dass die vom Kind geerbten Zellen ein besonderes Erkrankungsrisiko für Mütter darstellen. Das gute Gefühl, auch noch Jahrzehnte nach Ende der Schwangerschaft ein Stück seiner Kinder mit sich zu tragen, wird Müttern also nicht verdorben.

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