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© Lisa Rock für den Tagesspiegel

„Der Erbonkel“: Wie die Zellen der Kinder die Mutter heilen

Mütter sind ganz besondere Menschen. Sowieso. Vor allem aber biologisch. Wenn etwa ihr Herz leidet, dann eilen kleine Helfer heran.

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Eine Schwangerschaft verändert den Körper einer Frau unwiderruflich. Kein Fitnessprogramm kann die Zellen vertreiben, die vom Fötus über die Nabelschnur und Placenta ins Blut und in die Gewebe und Organe der Schwangeren einwandern (siehe Erbonkel-Folge 5). Mindestens 30 Jahre nach der Geburt sind die Zellen des Nachwuchses noch im Blut und in den Geweben der Mutter nachweisbar. Und das ist auch gut so. Sie haben offenbar einen heilsamen Effekt.

Da es fötale Zellen sind, haben sie stammzellartige Eigenschaften, können sich also in verschiedene Zelltypen weiterentwickeln. Nachgewiesen ist etwa, dass die Zellen der Söhne oder Töchter zielgerichtet in die verletzten Regionen erkrankter Herzmuskel ihrer Mütter einwandern, dort einwachsen, sich teilen und in Muskelgewebe differenzieren.

Das passt zu der Beobachtung, dass Mütter sich von einer Herzmuskelerkrankung besser und häufiger erholen als Frauen, die noch keine Schwangerschaft durchgemacht haben. Auch in verheilenden Kaiserschnittwunden wurden fötale Zellen gefunden.

Im Körper von Müttern sammeln sich fötale Zellen ihrer Kinder an, was durchaus von Vorteil sein kann.

© Getty Images/Halfpoint Images

Die Zellen des Fötus finden sich überall im Körper der Mutter, etwa im Knochenmark, wo sie zur Bildung von Blut- und Immunzellen beitragen, und sogar im Gehirn, wo sie sich in Nervenzellen differenzieren.

Zellen des Ungeborenen beeinflussen die Mutter

Ob sie dort das Verhalten der Mutter beeinflussen, etwa durch Stimulation des „Kümmer“-Hormons Oxytocin, ist Spekulation. Gute Hinweise gibt es aber, dass die fötalen Zellen in der Brust die Milchproduktion anregen und in der Schilddrüse die Wärmeregulation der Mutter ein wenig nach oben drehen.

Ist das alles Zufall? Bestimmt, aber einer, der evolutive Vorteile hat. Denn es ist im Interesse des Nachwuchses, dass Wunden der Mutter heilen, dass sie das Neugeborene mit ausreichend Milch versorgt und es umsorgt.

Es ist also möglich, diskutieren Amy Boddy von der Arizona State University und Kolleg:innen in „Bioessays“, dass die in der Mutter hinterlassenen fötalen Zellen dem Nachwuchs einen Überlebensvorteil verschaffen. Ein Übermaß an fötalem Einfluss könnte allerdings auch Nachteile für die Mutter haben, etwa Krebs. Aber das ist eine andere „Erbonkel“-Geschichte.

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