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Richard Feynman, ca. 1974.

© imago images/Everett Collection / imago images/Everett Collection

Tagesrückspiegel – Heute vor 63 Jahren: Die Nano-Vision des Professor Feynman

Reichlich Möglichkeiten auf allerengstem Raum: Einer der genialsten Denker des 20. Jahrhunderts hatte schon sehr früh sehr kleine Gedanken.

Eine Kolumne von Richard Friebe

Wenn man heute jemanden in den USA, der oder die Wissenschaft an sich nicht für Teufelszeug hält, fragt, wer denn wohl das größte Genie aller Zeiten war, wird man öfter eine Antwort zu hören bekommen, die anderswo kaum denkbar wäre : Neben Einstein, Newton, Darwin, vielleicht auch Pasteur oder Aristoteles, würde auch der Name Richard Feynman fallen.

Im Gegensatz zu den anderen existieren von Feynman passable Vortags-und Vorlesungsmitschnitte und auch Interviews. Sie ermöglichen es, diesem wirklich außergewöhnlichen Denker bei eben diesem Denken zuzusehen, aber auch seine Freundlichkeit zu erleben, seinen Humor, das Bemühen, sein Wissen und vor allem seine unvoreingenommene, beobachtende, analytische Art zu denken weiterzugeben.

Ein gutaussehender, lächelnder, nahbar wirkender All-American-Sonnyboy „with a brain“. Einer, der auch eine Atombombe bauen könnte (er hatte am „Manhattan Project“ mitgewirkt).

Feynman war brillant, arbeitete auf verschiedenen Gebieten in der theoretischen Physik und bekam 1965 auch einen Nobelpreis für seine Beiträge in der Erforschung der Quantenelektrodynamik. Aber ganz oben auf das Podest der einflussreichsten Forscher und Denker überhaupt, wo die Amerikaner ihn gerne verorten, gehört er wohl doch nicht.

Große Möglichkeiten im Kleinen

Auch, dass Feynman eigentlich der Begründer der Nanotechnologie sei, ist nur eine Legende. Dabei war tatsächlich er es, der am 29. Dezember 1959, also vor 63 Jahren, in einem wohl frei und ohne Notizen gehaltenen Vortrag detailreich die Möglichkeiten technischer Miniaturisierung bis hinunter in den atomaren Bereich erörterte.

Als „There’s Plenty of Room at the Bottom“ ist dieser Vortrag in die Geschichte der Physik und Chemie eingegangen. Die freie Übersetzung ins Deutsche macht die scheinbare Paradoxie von Feynmans Behauptung noch deutlicher: „Es ist jede Menge Platz auf allerkleinstem Raum“.

Wer die Entwicklung der Nanotechnologie seit den 1980er Jahren nur ein wenig verfolgt hat, wird den Vortrag mit einer gewissen Berechtigung als visionär bezeichnen.

Doch der Vision von 1959 folgte eben: Nichts. Sie hatte, wie Historiker der Physik und Chemie inzwischen nachgewiesen haben, fast keinen Einfluss auf die Entwicklung der Nanotechnologie.

Erst nach Jahrzehnten wurde sie, vor allem durch Arbeiten des Nano-Pioniers Kim Eric Drexler, wieder mit ihr in Verbindung gebracht. Feynman war mit seinem Nanoland der unbegrenzten Möglichkeiten diesmal mehr Science-Fiction-Autor als Wissenschaftler. Eines war er hier aber auf jeden Fall: seiner Zeit weit voraus.

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