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Der Bundeskanzler im Bundestag: Olaf Scholz hat am Mittwochnachmittag seine Leopard-Entscheidung erläutert.

© / Imago/Jens Schicke

„Vertrauen Sie mir!“: Scholz’ Schweigen hat ein Ende

Am Mittwochnachmittag hat Olaf Scholz dem Bundestag die neue Militärhilfe für die Ukraine erläutert. Vorher gab es eine dürre Erklärung für eine Wegmarke in der Nachkriegsgeschichte.

Er lässt es erst einmal nur ausrichten. Per Pressemitteilung kommt am Mittwochvormittag die offizielle Bestätigung, dass sich Olaf Scholz zur Lieferung schwerer Kampfpanzer an die Ukraine durchgerungen hat.

Eine Wegmarke deutscher Nachkriegsgeschichte kommt als dürre Erklärung daher, als Regierungssprecher Steffen Hebestreit um 11:39 Uhr auf Twitter berichtet, dass der Kanzler soeben sein Bundeskabinett über die zusätzliche Militärhilfe für Kiew informiert hat.

Es ist der qualitativ neue Schritt, vom dem zuletzt so viel die Rede war. Ein internationales Bündnis hat sich zum Ziel gesetzt, „rasch zwei Panzer-Bataillone mit Leopard-2-Panzern für die Ukraine zusammenzustellen“, wie es in der Mitteilung heißt.

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Das entspricht rund 90 Panzern aus verschiedenen europäischen Ländern, eine Kompanie mit 14 Stück davon liefert „Deutschland in einem ersten Schritt“. Die schweren Kampfpanzer von Typ 2A6 sollen aus Beständen der Bundeswehr kommen. Die Ausbildung der ukrainischen Besatzungen in Deutschland soll „zügig“ beginnen. Im Paket sind auch die zugehörige Munition und Logistik enthalten.

Mehr als eine nüchterne Pressemitteilung gibt es zunächst nicht

Der mitgelieferte Kanzlersatz jedoch verrät wenig bis nichts über die Bedeutung der Entscheidung oder das politische wie militärische Drama, das tage- und wochenlang im Hintergrund abgelaufen ist: „Diese Entscheidung folgt unserer bekannten Linie, die Ukraine nach Kräften zu unterstützen“, wird Scholz in seiner üblichen Nüchternheit zitiert: „Wir handeln international eng abgestimmt und koordiniert.“

Wieder einmal werden große Entscheidungen, auf die Grüne wie Liberale der eigenen Koalition und etliche europäische Partner massiv gedrungen haben, kommunikativ zurückhaltend transportiert. Statt wie zuletzt auch vom neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius angestrebt, auch einmal „vor die Lage“ zu kommen, sickerte das zwischen Weißem Haus und Kanzleramt besprochene Vorgehen bereits am Dienstag durch - erst zum „Wall Street Journal“, dann zum „Spiegel“: Deutschland liefere den Leopard, weil nun die Amerikaner, wie von Scholz gewünscht, mit ihren Abrams-Panzern dabei seien.

Die zeitlichen Abläufen irritieren nicht nur den außenpolitischen Sprecher der Unionsfraktion, der um die Mittagszeit im Bundestag auf die Regierungsbefragung wartet. „Der Kanzler wirkt wie ein Getriebener, auch wenn er uns das Vorgehen bestimmt gleich als abgestimmten Masterplan zu verkaufen versucht“, sagt Jürgen Hardt.

Er fragt sich: „Wenn angeblich alles von langer Hand mit Paris und Washington vorbereitet war, warum verkündet Scholz das nicht am Sonntag in seiner Sorbonne-Rede oder in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag? Warum gab es erst am Donnerstag einen Leopard-Prüfauftrag für die Bundeswehr?“

Um 13 Uhr betritt der Kanzler den Plenarsaal des Parlaments. Es ist die erste Gelegenheit sich zu erklären. Er wäre aber nicht Olaf Scholz, wenn er in seinen einleitenden Worten selbst jetzt nicht sofort auf die Panzerlieferungen zu sprechen kommt. Er berichtet zwar kurz, gerade eben noch mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskij telefoniert zu haben. „Präsident Selenskyj dankte dem Bundeskanzler für die Entscheidung“, wird es später in einer Mitteilung heißen. Erst einmal widmet sich Scholz aber der deutschen Energie – und Wirtschaftspolitik.

Wieder, wie schon in seiner Neujahrsansprache, geht es ihm ums Mutmachen. Kalte Wohnungen und einen „Wutwinter“ hätten viele Pessimisten angesichts ausgebliebener Gaslieferungen aus Russland prophezeit, erzählt Scholz: „Das ist nicht eingetreten“, die entsprechenden Maßnahmen seiner Regierung hätten die „wirtschaftliche Leistungskraft unseres Landes erhalten“, zusammen sei gezeigt worden, „was in uns steckt“.

Die Bundeswehr wird die „Panzerallianz“ koordinieren

Dann erst erläutert er seine Entscheidung, beendet seine passive Kommunikation, die aus seiner Sicht nötig war, um die Gespräche über das heikle Thema nicht zu gefährden. Jetzt kann er also sprechen. Zuerst erfährt das Publikum zusätzlich, dass die Bundeswehr in der vom FDP-Abgeordneten Marcus Faber so bezeichneten „Panzerallianz“ den Hut aufhaben wird. „Wir werden das koordinieren“, sagt der Kanzler.

Er verteidigt sich auch gegen die Kritik, zu lange gezögert zu haben. Aus seinem Amtseid leitet Scholz ab, dass die Gefahr für das eigene Land nicht „in eine falsche Richtung wachsen“ dürfe. Bei der nötigen Unterstützung der Ukraine müsse man „gleichzeitig eine Eskalation des Krieges zu einem Krieg zwischen Russland und der Nato verhindern“.

Es gebe in dieser Ausnahmesituation „keine mathematischen Gewissheiten“. Deshalb sei es „mit voller Absicht geschehen, dass wir uns Stück für Stück vorangearbeitet haben“, sagt der Kanzler mit Blick auf die stetig gestiegene Militärhilfe, bei der die Bundesrepublik bald auf Platz 2 nach den Vereinigten Staaten stehen wird: „Es ist das einzige Prinzip, das in einer so gefährlichen Angelegenheit Sicherheit auch für Europa und Deutschland gewährleistet.“

Harte Vorwürfe in Richtung der Union

Auf die erste Nachfrage, in der CDU-Mann Hardt einen internationalen „Flurschaden“ durch eine zögerliche Entscheidungsfindung feststellt, reagiert der Kanzler zwar nicht laut, aber doch hart: „Wenn wir Ihren Ratschlägen folgen würden, wäre das eine Gefahr für die Sicherheit Deutschlands.“

Neben jenen, die die Panzerlieferungen für überfällig halten und sie begrüßen, gibt es freilich auch jene, die sich fragen, wo das enden soll. Der AfD-Abgeordnete Petr Bystron fragt, wo denn „Schluss“ sei?

Bodentruppen werden wir in keinem Fall schicken.

Olaf Scholz zu den Grenzen der Militärhilfe

Das nimmt Scholz zum Anlass, um darauf zu verweisen, dass er mit seinem „wirklich guten Partner“ Joe Biden in Washington fest vereinbart sei, dass die Nato nicht Kriegspartei werden dürfe.

Die vom stellvertretenden ukrainischen Außenminister Andrij Melnyk bereits geforderten Kampfjets oder U-Boote werde es deshalb genauso wenig geben wie eine Entsendung von Soldaten in die Ukraine: „Bodentruppen werden wir in keinem Fall schicken.“

In diesem Sinne wendet sich Scholz mit einer Bitte direkt an jene Bürgerinnen und Bürger, die sich Sorgen machen angesichts der neuen Entwicklung: „Vertrauen Sie der Bundesregierung, vertrauen Sie mir!“

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