zum Hauptinhalt
Ex-Präsident Barack Obama führt nun an Joe Bidens Seite Wahlkampf - am Sonnabend in Michigan.

© Drew Angerer/AFP

Twenty/Twenty täglich - 2 Tage bis zur US-Wahl: Überall nur noch Sieger

Trump und Biden stimmen ihre Anhänger darauf ein, dass sie die Wahl gewinnen werden - solange der Gegner nicht foul spielt. Das Risiko von Gewaltakten steigt.

Es ist herbstlich kühl geworden im Norden Virginias. Die Sonne scheint aus einem blauen, mit weißen Schäfchenwolken gesprenkelten Himmel. Sie erwärmt die Luft aber mittags nicht über 13 Grad Celsius; abends kühlt es auf 8 Grad ab.

Die politische Stimmung ist geteilt, je nachdem, wohin man schaut. Im Raum Washington und Nordvirginia, wo mehrheitlich Demokraten leben, hört man den Wunsch: Wenn’s doch endlich vorbei wäre! Die letzten Tage bis zur Schließung der Wahllokale schleppen sich dahin.

Und hier fragt man: Ist die Wahl nicht längst gelaufen, wo doch mehr als 90 Millionen bereits ihre Stimme per Early-Voting und Briefwahl abgegeben haben? Das entspricht zwei Dritteln der Gesamtwählerzahl von 2016 (139 Millionen). Und es sind laut Stichproben in der ganz großen Mehrheit Wähler der Demokraten. Republikaner tendieren dazu, erst am Wahltag im örtlichen Wahllokal abzustimmen. Wie wollen sie den Vorsprung aufholen, fragen die Demokraten in der Region um die Hauptstadt.

Wildwestmethoden in Texas: Fahrzeuge abdrängen

In Donald Trumps Hochburgen hingegen scheinen seine Anhänger jetzt so richtig heiß zu werden. Sie wollen zeigen, dass sie dominant sind und greifen mitunter zu Wildwestmethoden.

In Texas versuchte ein Rudel harte Kerle in Pickups mit Trump-Fahnen auf den Ladeflächen den Wahlkampfbus des Biden/Harris-Lagers auf dem Weg von San Antonio nach Austin abzudrängen. Dort sollte die Vizepräsidentschaftskandidatin Kamala Harris sprechen. Sie rammten ein Begleitfahrzeug der Biden-Kampagne – hier im Video. Die per Notruf alarmierte Polizei sei zahlenmäßig unterlegen gewesen, berichten Augenzeugen. Sie habe den Bus an sein Ziel eskortiert.

Den geplanten Wahlkampfauftritt sagten die Demokraten aus Furcht um ihre Sicherheit ab. Sie sprachen von einem geplanten „Hinterhalt“. Trumps Sohn Don Junior hatte dazu aufgerufen, Kamala Harris einen „heißen Empfang“ zu bereiten. „Zeigt ihnen, dass Texas Trump-Country ist.“ Der Vorfall ereignete sich am Freitag, wurde aber erst am Sonnabend bekannt.

Trump stimmt die Fans auf "ganz schlimme Dinge" in Pennsylvania ein

Zu Handgemengen kam es auch in North Carolina am Rande einer „Get out the vote“-Demonstration für mehr Wahlbeteiligung. Die Polizei forderte die Demonstranten auf, die Fahrbahn freizugeben, und setzte Pfefferspray ein.

Die Zwischenfälle lassen ahnen, wie groß die Gefahr von Protesten und auch Gewaltakten ist, wenn am Wahltag eine unklare Lage entsteht. In beiden Lagern verbreiten die jeweiligen Anführer eine Stimmung, als sei das eigene Lager der hochwahrscheinliche Sieger, und als könne der Gegner nur gewinnen, wenn Manipulation im Spiel sei.

Donald Trump dreht im Schlussspurt auf: vier Rallyes am Samstag in Pennsylvania, womöglich der entscheidende Staat für ihn.

© Keith Srakocic/AP/dpa

Donald Trump betonte das bei seinen vier Wahlkampfauftritten am Samstag in Pennsylvania ganz explizit. „Es bildet sich gerade eine rote Welle“, sagte er. Rot ist die Farbe der Republikaner. „Und sie können nichts tun, um uns aufzuhalten.“ Dennoch könne es sein, dass man den Wahlausgang in Pennsylvania über Tage nicht kennen werde, weil die Gerichte „schrecklicherweise“ erlaubt hätten, Briefwahlstimmen noch Tage nach der Wahl anzunehmen und auszuzählen. „Ganz schlimme Dinge werden passieren“, orakelte der Präsident.

Barack Obama erstmals an Joe Bidens Seite

Parallel traten Joe Biden und Barack Obama zum ersten Mal in diesem Jahr gemeinsam. Sie wählten dafür Michigan, einen Staat an den Großen Seen, der 2016 mit knappem Vorsprung für Trump gestimmt hatte, davor jedoch verlässlich demokratisch war. Und in dem auch jetzt die Demokraten laut Umfragen mit über sieben Prozentpunkten führen.

[Mit dem Newsletter „Twenty/Twenty“ begleiten unsere US-Experten Sie täglich auf dem Weg zur Präsidentschaftswahl. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung: tagesspiegel.de/twentytwenty.]

Stevie Wonder spielte bei ihrem Auftritt in Detroit. Dort und zuvor in Flint machte sich Obama über Trump lustig. Der mache sich Sorgen wegen der Wahlbeteiligung und betone immer, wie viele Anhänger zu seinen Rallyes kommen. „Ist er traumatisiert, weil zu wenige Freunde zu seinen Kindergeburtstagen kamen?“, scherzte Obama. Er wird auch in Georgia und Florida Wahlkampf für Biden führen.

Die Wahl ist nicht gelaufen, ein Trump-Sieg möglich

Zweierlei scheint möglich zwei Tage vor der Wahl. Dass Biden in den Staaten, die bereits am Wahltag die per „Early Voting“ und Briefwahl abgegebenen Stimmen auszählen, einen klaren Vorsprung erzielt. Oder, weniger wahrscheinlich, dass Trump dort vorne liegt.

Denkbar ist aber auch, dass die Lage in der Wahlnacht unklar bleibt und Trump dann alles tut, um die Zweifel in die Länge zu ziehen. Der Schlüssel für eine frühe Vorentscheidung liegt in Florida. Trump kann ohne Florida nicht gewinnen. Biden schon. Die ersten Trends aus Florida kommen in der Wahlnacht bereits, bevor in anderen „Battleground States“ die Wahllokale schließen.

Die beiden Lager mögen jedes für sich den Glauben verbreiten, dass sie eigentlich schon gewonnen haben. Laut Umfragen hat Biden einen Vorsprung. Aber die Wahl ist noch nicht gelaufen. Ein Trump-Sieg ist weniger wahrscheinlich. Ausgeschlossen ist er aber nicht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false