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Deutsche 2009 im Afghanistan-Einsatz - bisher sind etwa 230.000 Soldatinnen und Soldaten mit der Bundeswehr im Ausland gewesen.

© dpa/JAWED KARGAR

Bundestag beschließt Veteranentag: Deutschlands Versöhnung mit dem Militär kommt schleichend voran

Heute beschließt der Bundestag, dass der 15. Juni künftig Veteranen der Bundeswehr gewidmet wird. Das ist lange kaum vorstellbar gewesen – und doch ein Experiment mit offenem Ausgang.

Ein Kommentar von Christopher Ziedler

Das Verhältnis der Deutschen zum Militär ist ein gestörtes. Wie sollte es auch anders sein? Nach den Verheerungen, die gerade die Wehrmacht über Europa gebracht hat? Nach dem Elend und der Zerstörung, die angerichtet wurden, als die Alliierten den Zweiten Weltkrieg nach Deutschland trugen, um Hitlers faschistischen Größenwahn zu stoppen?

Das ist lange her und wirkt doch nach. Der Ruf „Nie wieder Krieg“ hat sich tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Alles, was auf eine Normalisierung des Militärischem als letztem Mittel der Politik hinausläuft, ist über die Jahre immer wieder auf Ablehnung und Skepsis gestoßen, mindestens aber heftig umstritten gewesen: Wiederbewaffnung, Nato-Doppelbeschluss, erste Auslandseinsätze, öffentliche Gelöbnisse, aktuell die Waffenlieferungen an die Ukraine.

Der nächste Schritt in die neue Realität?

Und doch hat es immer wieder Mehrheiten für diese Entwicklungen gegeben, versucht sich die deutsche Verteidigungspolitik den neuen Realitäten zu stellen, ohne das Geschichtsbewusstsein über Bord zu werfen. Gut möglich, dass das, was an diesem Donnerstag im Bundestag beschlossen wird, auch in diese Kategorie gehört.

Der neue nationale Veteranentag, den SPD, Grüne, FDP und Union heute gemeinsam auf den Weg bringen, ist nun – wenn man so will – ein weiterer Schritt auf dem Weg der schleichenden Versöhnung der Deutschen mit ihrem Militär. In der Sache ist er überfällig, schließlich ist die Bundeswehr mittlerweile seit 25 Jahren in Auslandseinsätzen aktiv: Wer vom Bundestag in den Einsatz geschickt wurde und für die Interessen der Bundesrepublik den Kopf hingehalten hat, kann dafür Wertschätzung erwarten – und angemessene Fürsorge, wenn sie danach nötig sein sollte.

Trotz „Zeitenwende“ und dem wieder gestiegenen Bewusstsein dafür, dass Sicherheit und Verteidigung in einer Welt voller Gewalt an Bedeutung gewinnen, bleibt der Veteranentag ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Ist die Republik wirklich schon so weit, auf volksfestartigen Veranstaltungen Geschichten aus dem Alltag der Einsätze in Afghanistan oder Mali zu hören, die den Soldatinnen und Soldaten teilweise noch extrem nahegehen, für die Zuhörer aber nicht nur geografisch in weiter Ferne liegen?

Es sollte um die Menschen, nicht die Institution gehen

Und besteht, weil der Veteranenbegriff in Deutschland alle mit mehr als sechs Monaten „beim Bund“ umfasst, vielleicht sogar die Gefahr, dass jene, die mit physischen und psychischen die Schattenseite dieses sehr speziellen Berufes kennengelernt haben, in den Hintergrund gedrängt werden? Geht es gar um eine Werbeshow für die Bundeswehr, die doch so dringend zusätzliche Rekrutinnen und Rekruten braucht, um wieder voll abwehrbereit zu werden?

Das ist nicht die Absicht der Initiatoren. Letztlich wird viel darauf ankommen, wie die Veranstaltungen rund um den 15. Juni künftig gestaltet werden. Es geht um eine für ein demokratisches Gemeinwesen angemessene Anerkennung des Dienstes in der Parlamentsarmee Bundeswehr, nicht um Heldenverehrung oder gar Verherrlichung des Militärs insgesamt. Davon ist diese Republik zum Glück weit entfernt, diese historische Lektion wurde gründlich gelernt.

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