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 Die neue italienische Regierungschefin reiste am Dienstag nach Brüssel.

© Foto: imago/Cesare Abbate

Melonis Reise nach Brüssel: Italiens Regierungschefin hofft auf EU-Gelder

Die erste Reise der Ministerpräsidentin führte nach Brüssel. Die Charmeoffensive kann aber kaum über die inhaltlichen Differenzen mit der Union hinwegtäuschen.

Giorgia Meloni will ein Zeichen setzen. Die erste offizielle Auslandsreise führte die neue italienische Regierungschefin am Donnerstag nach Brüssel. Einen warmherzigen Empfang konnte die Frau, die im Wahlkampf immer wieder über die „europäischen Bürokraten“ spottete, allerdings kaum erwarten. Mehr Sorge als die verbalen Ausfälle bereitet der Europäischen Union allerdings, dass sich Rom unter der Führung der Parteichefin der ultrarechten Fratelli d’Italia in den kommenden Jahren von den Werten der EU entfernen könnte.

Der Antrittsbesuch auf Seiten Giorgia Melonis war weniger von Sympathie getrieben, sondern vielmehr von der Einsicht, dass Italien von Brüssel im Moment abhängig ist. So braucht die drittgrößte Volkswirtschaft der EU beispielsweise dringend die Milliarden aus dem Corona-Fonds. Für Italien nämlich ist aus dem EU-Topf für den Wiederaufbau nach der Pandemie der größte Betrag vorgesehen.

Wohl aus diesem Grund versuchte die neue Premierministerin schon im Vorfeld die Brüsseler Bedenken zu zerstreuen und erklärte jüngst in einer Rede im italienischen Parlament: „Italien ist voll und ganz Teil des Westens, seines Bündnissystems, Gründungsstaat der Europäischen Union, der Eurozone und der Atlantischen Allianz.“

Wer europäische Solidarität in ökonomischen Fragen erwartet, kann bei Rechtsstaatlichkeit und Minderheitenrechte nicht auf der Bremse stehen

Rasmus Andresen

Das Timing des Besuches bei der EU erklärt sich auch damit, dass die neue italienische Regierung in den nächsten Wochen den Haushalt für das Jahr 2023 im Parlament einbringen muss. Darin sind nicht nur die Milliarden aus Brüssel schon fest eingeplant. Ziel der Reise nach Brüssel war ebenso, die finanzpolitischen Spielräume auszuloten. Um die gestiegenen Energiepreise für die Bevölkerung abzufedern, muss das hochverschuldete Italien neue Schulden aufnehmen – was angesichts der EU-Stabilitätskriterien allerdings ein Problem werden könnte.

Giorgia Meloni konnte mit ihrer ersten Charmeoffensive die großen Zweifel in Brüssel jedoch nicht ausräumen. „Wer europäische Solidarität in ökonomischen Fragen erwartet, kann bei Rechtsstaatlichkeit, einer gemeinsamen Migrationspolitik und Minderheitenrechte nicht auf der Bremse stehen“, erklärte Rasmus Andresen, Sprecher der deutschen Grünen im Europäischen Parlament.

Der Abgeordnete spielt darauf an, dass Italiens Regierung sich seit Tagen weigert, gerettete Bootsmigranten von drei zivilen Seenotretter-Schiffen aufzunehmen. „Wir können uns nicht der Migranten annehmen, die auf dem Meer von ausländischen Schiffen aufgenommen werden, die systematisch ohne jegliche geplante Koordinierung von den Behörden operieren“, sagte Innenminister Matteo Piantedosi. Er fordert, dass sich andere Länder bereit erklären, die Menschen bei sich unterzubringen. Derzeit warten fast 1000 gerettete Bootsmigranten auf verschiedenen Schiffen vor der Küste Italiens auf einen sicheren Hafen, wo sie an Land gehen können.

Antonio Tajani, Ex-Präsident des EU-Parlamentes, ist neuer Außenminister Italiens.

© Foto: dpa/Jean-Francois Badias

Für Unruhe sorgte zuletzt auch, dass mehrere neue Staatssekretäre der italienischen Regierung noch vor der Vereidigung von ihrer politischen Vergangenheit eingeholt wurden. Italienische Medien veröffentlichten frühere Fotos und Aussagen einiger Politiker, die auf eine Nähe zum Faschismus hindeuten. Zu ihnen zählt die neue Staatssekretärin im Forschungsministerium, Augusta Montaruli. Sie geriet wegen eines Fotos unter Druck, das zeigt, wie sie während einer Pilgerfahrt in Mussolinis Geburtsstadt Predappio den Arm zum „römischen Gruß“, einer bei Faschisten üblichen Geste, ausstreckt. Italienische Medien berichteten außerdem über einen Facebook-Kommentar des neuen Staatssekretärs im Justizministerium, Andrea Delmastro Delle Vedove, in dem er im Jahre 2010 den belgischen Nazi-Kollaborateur und SS-Offizier Léon Degrelle zitierte.

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Giorgia Meloni selbst distanzierte sich in ihrer ersten Rede als Ministerpräsidentin vor einigen Tagen vom Faschismus.  Die Politikerin hat auf die von vielen geäußerten Bedenken in der EU reagiert und auch einen Mann ins Rennen geschickt, der als erklärter Pro-Europäer gilt. Neuer Außenminister ist Antonio Tajani, ehemaliger Präsident des Europaparlaments. Er soll das zweifelnde Brüssel offensichtlich von der Treue Italiens zu Europa überzeugen.

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