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Ministerpräsidentin Minister Mette Frederiksen bei der Ankündigung vorgezogener Neuwahlen Anfang Oktober.

© AFP / LISELOTTE SABROE

Erfolgsrezepte gegen Populisten gesucht: Rückt nach Schweden und Italien auch Dänemark nach rechts?

In Kopenhagen könnte die Wahl am Dienstag dem linken Lager Verluste bescheren. Dabei sind die Sozialdemokraten dort nicht schwach und die Rechten nicht stark.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Setzt sich die Serie der Rechtsruck-Wahlen in Europa fort? Wie in Schweden und Italien könnte am Dienstag auch in Dänemark eine sozialdemokratisch geführte Regierung die Macht verlieren – an eine Mitte-Rechts-Koalition, die von einer rechtspopulistischen Partei gestützt wird.

Falls es so kommt, stellt sich die Frage auf ganz andere Art: Welches Erfolgskonzept hilft Sozialdemokraten gegen Populisten?

Bisher war das gängige Narrativ: Sie werden bestraft, wenn sie die Realität ignorieren. Gemeint war: Wenn sie zu wenig gegen illegale Migration tun. Wenn sie die Verteidigung trotz Krieg vernachlässigen.

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Und wenn sie mehr Sozialausgaben versprechen, obwohl die Staatshaushalte überschuldet sind und Regierende überlegen müssen, wie sie die Wirtschaft in Schwung bringen, damit die Steuereinnahmen steigen.

Rechte Variante der Sozialdemokratie

Doch in Dänemark regiert eine rechte Variante der Sozialdemokratie. Premierministerin Mette Frederiksen verfolgt eine harte Migrationspolitik, schiebt syrische Kriegsflüchtlinge ab, schließt Rücknahmeabkommen mit afrikanischen Staaten wie Ruanda und erwägt ein Kopftuchverbot an Schulen.

Ihre Partei steht fest zur Nato und zur Allianz mit den USA. Ihre Arbeits- und Sozialpolitik unterscheidet sich traditionell von der der SPD. Eigenverantwortung wird größer geschrieben als in Deutschland, das Arbeitsrecht ist liberaler, also arbeitgeberfreundlicher.

Sollte Mette Frederiksen die Wahl verlieren, könnte man meinen: Auch ein rechter Kurs der Sozialdemokratie ist kein Patentrezept gegen Populisten.

Europäischer Trend oder nationale Eigenheiten?

Doch erstens ist ihre Niederlage nicht ausgemacht. Laut Umfragen wird sie ihr Ergebnis von 2019 halten oder sogar verbessern. Zweitens darf man fragen, welche Faktoren für einen europäischen Trend sprechen und welche für einen spezifisch nationalen Hintergrund.

Gemeinsam haben Schweden, Italien und Dänemark: Zwei Lager von ungefähr gleichem Potenzial konkurrieren um die Macht. Mitte-Links reicht von den Sozialdemokraten über die Grünen bis an den ganz linken Rand, Mitte-Rechts von Liberalkonservativen über Christdemokraten bis zu rechtspopulistischen und nationalistischen Parteien.

Anders als in Deutschland gilt eine Große Koalition nicht prinzipiell als das kleinere Übel, um zu verhindern, dass Parteien mit Schmuddelimage an der Regierung beteiligt werden. Oder dass eine Minderheitenkoalition von ihrer Duldung abhängig ist.

In Schweden lässt sich nach langer Dominanz der Sozialdemokratie ein konservativer Premier, Ulf Kristersson, von den rechtspopulistischen Schwedendemokraten tolerieren. In Italien sind die nationalpopulistischen Brüder Italiens nun stärkste Kraft rechts der Mitte. Ihre Vorsitzende Giorgia Meloni regiert in einer Dreierkoalition mit absoluter Mehrheit.

„Blaues“ gegen „rotes“ Lager. Häufig regieren geduldete Minderheitenkoalitionen in Dänemark. Ex-Premier Lars Lokke Rasmussen könnte mit seiner liberalkonservativen Partei Moderaterne zum Königsmacher werden.

© AFP / James Brooks

In Dänemark liegen die Dinge anders. Die vorzeitigen Neuwahlen hat ein Koalitionspartner, die Sozialliberalen, ultimativ verlangt. Regierungschefin Frederiksen hatte 15 Millionen Zuchtnerze keulen lassen wegen des Risikos, dass ein neues Virus von den Tieren in den Pelzfarmen auf Menschen überspringt.

Doch sie tat das, wie sich herausstellte, ohne ausreichende Rechtsgrundlage. Den politischen Schaden der Affäre hat aber nicht sie. Die Sozialliberalen haben ihn; ihr Anteil wird sich laut Umfragen halbieren.

Auch die Nationalpopulisten von der Dänischen Volkspartei werden wohl nicht zulegen. Sie haben Konkurrenz durch einen Ableger, die Dänendemokraten. Falls das „rote“ Lager die Macht an das „blaue“ bürgerliche abgeben muss, dann nicht, weil die Sozialdemokraten schwächeln und die Rechtspopulisten im Aufwind sind, sondern weil das ganze Parteiensystem in Bewegung ist.

Bei den Liberalen hat sich ebenfalls eine neue Partei gebildet: eine liberalkonservative unter Lars Lokke Rasmussen, der das Land von 2015 bis 2019 regiert hatte an der Spitze einer „blauen“ Koalition. Er wird wohl zum Königsmacher.

Wenn es so käme – die Sozialdemokraten verlieren die Macht, nicht aber an Wählerzuspruch –, hätten sie wenig Grund, ihren Kurs zu ändern. Ob Schweden, Italien oder Dänemark: Wähler erwarten nicht, dass Parteien ihre Rhetorik an Populisten anpassen, sondern dass sie mit ihrer Politik auf eine veränderte Wirklichkeit reagieren.

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