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Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA.

© AFP/CHANDAN KHANNA

Urteil gegen Trump: Der Schuldspruch hat historische Bedeutung – das Wählerverhalten ändern wird er kaum

Der Ex-Präsident ist wegen sexueller Nötigung verurteilt worden. Drei Gründe, warum in den USA möglich ist, was hier undenkbar erscheint: Die Folgen für die Wahl 2024 sind weiter offen.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Der Jubel der Trump-Gegner kennt keine Grenzen nach dem Urteil in New York. Die Empörung seiner Fans allerdings auch nicht. Erstmals ist ein ehemaliger US-Präsident wegen eines gravierenden Fehlverhaltens von einem Gericht verurteilt worden.

Ein Schuldspruch wegen sexueller Nötigung wiegt schwer. In Deutschland würde er wohl jede politische Karriere beenden. In den USA ist das im Fall Trump keineswegs so eindeutig.

Das wird sich in den Reaktionen der Zuschauer auf seinen Auftritt beim CNN-Townhall in der Nacht zu Donnerstag zeigen. Trump spaltet die US-Gesellschaft. Dieser Prozess kann nicht leisten, was Bürger gewöhnlich von einem Gerichtsverfahren erwarten: dass es eine rechtliche und moralische Klarheit herstellt, der sich die Mehrheit nicht entziehen kann.

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Das Gift der Verachtung des Rechtsstaats

Da zeigen sich die Wirkungen des Gifts für Demokratie und Rechtsstaat, das Trump seit Jahren verspritzt. Mit der Behauptung, das Gerichtswesen der USA sei nicht politisch neutral, sondern Urteile würden durch parteipolitische Interessen bestimmt, untergräbt er die Glaubwürdigkeit der Justiz, die doch ein Pfeiler der Gewaltenteilung sein soll.

Nach dem Urteil stellen sich drei Fragen. Die übergeordnete lautet: Ändert das Urteil die Sicht der Wähler auf Trump und in der Folge ihr Abstimmungsverhalten? Das hängt von zwei weiteren Fragen ab: Wird die Verurteilung Bestand haben oder haben Trumps Anwälte Erfolg mit der Berufung? Und folgen weitere Verurteilungen in den übrigen Verfahren gegen Trump?

Dort geht es, zum Beispiel, um Anklagen wegen der Anstiftung zum Wahlbetrug oder wegen des Aufrufs zum gewaltsamen Aufruhr beim Sturm auf das Kapitol. Und um wiederholte Bilanzfälschung im Trump-Unternehmen. Die Beweislage ist da jeweils besser als bei der Klage der Kolumnistin Jean Carroll.

Keine Verurteilung wegen Vergewaltigung

Das Urteil aus der Nacht zu Dienstag in New York befindet Trump der sexuellen Nötigung für schuldig – nicht aber der Vergewaltigung. Trump unterstreicht, die Jury habe den schärfsten Anklagepunkt verworfen. Er soll Jean Carroll nun fünf Millionen Dollar Entschädigung zahlen.

Doch dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Trumps Anwälte haben Berufung angekündigt. Dann beginnt der Kampf, wer von beiden glaubwürdiger ist, erneut.

Es geht um eine der hochproblematischen „Sie sagt, er sagt“-Konstellationen ohne neutrale Zeugen und zwingende Beweise. Der Vorfall liegt drei Jahrzehnte zurück. Eventuell hebt eine höhere Instanz den Schuldspruch auf.

Ein Zivilverfahren ist kein Hindernis für Trumps Kandidatur

Zudem ist dies ein Zivil-, kein Strafverfahren. Es geht nicht um eine strafrechtliche Verurteilung, womöglich mit Gefängnis als Folge, sondern um den Ausgleich finanzieller Schäden.

Deshalb wird dieses Verfahren weder Trump an einer erfolgreichen Kandidatur hindern noch wird es die Haltung der Wähler signifikant verschieben. Trumps Fans werden seiner Schutzbehauptung folgen, Jean Carroll habe alles erfunden, und die Richter im Staat New York seien voreingenommen, weil dort die Demokraten dominieren.

Umgekehrt fühlen sich Trumps Gegner in ihrer bereits zuvor stabilen Sicht bestätigt: Trumps verächtliche Einstellung zu Frauen als Sexualobjekte und seine Bereitschaft zu raubtierartigem Vorgehen sind seit Langem Teil der öffentlichen Debatte.

Trumps Raubtier-Sexualität: „Grab them by the pussy“

Er selbst hat ihnen mehrfach Futter gegeben, zum Beispiel mit seiner Aufforderung im „Access Hollywood“-Video: „Grab them by the pussy!“ Genau das hat er nach Jean Carrolls Aussage mit ihr gemacht. Auch Trumps Behauptung im Wahlkampf 2016, er könne einen Menschen auf der 5th Avenue erschießen, ohne juristisch belangt zu werden, weist in diese Richtung.

Die anderen Verfahren, die ihm drohen, haben mehr Potenzial, US-Wähler zum Umdenken zu bewegen. Und sie könnten auch die strafrechtlichen Konsequenzen haben, die im Missbrauchsverfahren fehlten: bis hin zu einer Freiheitsstrafe und dem Verbot, für ein öffentliches Amt zu kandidieren.

So hat der Schuldspruch von New York zwei widersprüchliche Seiten: Er hat historische und symbolische Bedeutung. Erstmals wurde ein Ex-Präsident der USA verurteilt. Frauen, die Opfer von Trumps Machodenken wurden, sind nicht wehrlos. Die MeToo-Debatten haben Amerika dauerhaft verändert.

Aber dieses Urteil wird wohl nur geringe Auswirkungen auf das Wählerverhalten 2024 haben. Es ist jedoch der Auftakt zu einer Reihe weiterer Prozesse. In denen geht es nicht um subjektive Bewertungen der Glaubwürdigkeit der einen oder der anderen Person. Sondern um objektivierbare Beweise.

Von denen lassen sich zwar Bürger, die längst ihre feste Meinung zu Trump haben, wenig beeindrucken. Sie werden aber Wirkung auf die unentschiedenen Wähler zwischen den beiden Lagern der unabänderlichen Trump-Unterstützer und Trump-Gegner entwickeln. Und die sind entscheidend für den Ausgang der Präsidentenwahl 2024.

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