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Wer muss künftig wie häufig und mit welchen Vakzinen gegen Corona geimpft werden?

© stock adobe/Johner Plattform

Jedes Jahr und jeder? : Wer sich jetzt noch gegen Corona impfen sollte

Die Impfung gegen Corona hat entscheidend zur Bevölkerungsimmunität gegen Covid-19 beigetragen. Jetzt wird diskutiert, wer künftig Auffrischungen braucht und wie häufig.

Von Gisela Gross, dpa

Vor drei Jahren, am 27. Januar 2020, wurde der erste Covid-19-Fall in Deutschland registriert, PCR- und Schnelltests, Lockdowns, Impf- und andere Schutzkampagnen folgten, doch inzwischen scheint sich ein sorgloserer Umgang mit Covid-19 einzuspielen: Große Impfzentren sind geschlossen, Inzidenzwerte geraten in den Hintergrund und das Covid-19-Impfzertifikat wird schon lange nicht mehr vorgezeigt. Aus Kliniken ist zu hören, Covid-19-Patienten seien Teil des Alltags geworden. Dennoch wird überlegt, für wen welche Auffrischimpfungen gegen Corona künftig sinnvoll wären. Ein Überblick.

Ich hätte mir eine größere Akzeptanz der empfohlenen Impfungen gewünscht.

Thomas Mertens, Leiter der Ständigen Impfkommission (Stiko) des Robert-Koch-Instituts

Der Stand

37,7 Millionen laborbestätigte Corona-Infektionen sind dem RKI in den vergangenen drei Jahren gemeldet worden (Stand 25. Januar 2023 ). Hinzu kommen unzählige weitere, ungetestete oder nicht gemeldete Corona-Fälle, die Zahl der Gestorbenen liegt mittlerweile bei über 165.000.

Seit einigen Monaten sind neue Impfstoffe vorhanden, die an die Omikron-Variante angepasst wurden. Laut Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) sollen bestimmte Gruppen wie Menschen ab 60 eine zweite Auffrischimpfung damit bekommen, um den Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf zu verbessern. Die Impfquoten für zweite Booster sind bisher jedoch niedrig und schwanken regional stark. „Ich war zwischenzeitlich enttäuscht“, sagt Stiko-Chef Thomas Mertens. „Ich hätte mir eine größere Akzeptanz der empfohlenen Impfungen gewünscht“.

Manche verbreiten jetzt das Narrativ, dass die Corona-Impfung überflüssig gewesen sei. Dabei war sie der entscheidende Schalter, um aus der Pandemie herauszukommen.

Leif Eric Sander, Klinik für Infektiologie der Berliner Charité

Ist die Bevölkerung immun?

Trotz Impflücken – Fachleute sprechen unter dem Strich von einer guten Grundimmunität. Der Virologe Christian Drosten gab kürzlich im NDR-Podcast „Coronavirus-Update“ zu bedenken, dass das Virus jetzt viel leichter übertragbar sei als zu Beginn der Pandemie. Einer der Hauptgründe für die relative Ruhe derzeit sei die Bevölkerungsimmunität, die die Verbreitung des Erregers eindämme.

Dauerhafte Ruhe?

Wie lange dieser Schutz anhält, wird die Forschung im Auge behalten. „Das müssen wir künftig beim Aufkommen neuer Varianten sehr genau beobachten, etwa anhand von Krankenhausaufnahmen“, sagte der Direktor der Klinik für Infektiologie der Berliner Charité, Leif Erik Sander. Auch wenn es wegen der immer noch relativen Neuheit von Sars-CoV-2 keine Daten zu längeren Zeiträumen gibt, sehen manche Forscher Anlass zu Optimismus. Der Immunologe Andreas Radbruch etwa geht anhand der Daten zum ersten Sars-Virus der Jahre 2002/03 von anhaltender Immunität aus.

Biontechs Booster-Impfstoff gegen die Omikron-Varianten BA.4 and BA.5.

© REUTERS / HANNAH BEIER

Künftige Herbst-Booster? 

Manche Mediziner äußern die Vorstellung, dass gegen Corona künftig stets im Herbst geimpft werden sollte, wie vor der Grippewelle. Sander ist allerdings skeptisch, ob die kommenden Corona-Wellen bereits so planbar in die Wintermonate fallen werden wie typischerweise bei Grippe: „Bis wir wirklich synchrone, streng saisonale Corona-Wellen haben, dürfte es noch eine Weile dauern.“ Daher seien regelmäßige Corona-Impfungen bei bestimmten, gefährdeten Gruppen womöglich alle ein bis zwei Jahre vorstellbar.

Und was sagt die Stiko? Man müsse davon ausgehen, dass primär bestimmte Risikogruppen in Zukunft weitere Auffrischimpfungen bekommen sollten, sagt Mertens. Den zeitlichen Abstand könne man wissenschaftlich noch nicht genau benennen, womöglich sei ein Jahresabstand vernünftig.

Wer ist besonders gefährdet?

Stark vereinfacht könne man sagen, dass das Risiko für einen schweren Covid-19-Krankheitsverlauf mit dem Alter und der Zahl der Vorerkrankungen zunehme, sagt der Stiko-Chef: „Im Einzelnen muss das jeder mit seinem Arzt besprechen.“ Hinzu kämen Menschen, deren Immunsystem wegen Erkrankungen und/oder Medikamenten nicht zu 100 Prozent funktioniert – bei ihnen können Mertens zufolge auch weitere Schutzmaßnahmen wie Abstand und Masken sinnvoll sein. Menschen, bei denen die Impfung gar nicht wirkt, sollten Sander zufolge im Fall einer Corona-Infektion auch sehr früh behandelt werden. „Zum Beispiel mit antiviralen Präparaten lässt sich das Risiko einer schweren Erkrankung sehr deutlich verkleinern.“

Schutz vor (Wieder-)Ansteckung?

„Der Schutz vor schwerer Erkrankung durch die Impfungen ist sehr gut, aber das Vermeiden einer Reinfektion ist mittels Impfung höchstens für einen kurzen Zeitraum möglich“, sagt Mertens. Für Menschen ohne Risiken für schweres Covid-19 erwarte er daher derzeit auch keine Ausweitung der Impfempfehlung. Für den Charité-Infektiologen Sander ist denkbar, dass Jüngere mit gesundem Immunsystem womöglich nur noch alle paar Jahre eine Auffrischung brauchen – falls das Virus selbst nicht mit wiederholten Infektionen für die Auffrischung sorgt. Perspektivisch sei auch mit weiterentwickelten Impfstoffen zu rechnen.

Wie steht es um die Impfmotivation?

Die Zeit der Lockaktionen, etwa mit Gratis-Bratwurst für Impfwillige, ist bekanntlich vorbei. Anstrengende, langfristige Arbeit stehe bevor, um gefährdete Menschen künftig mit Impfangeboten zu erreichen, sagte Sander. Eines stört ihn: „Manche verbreiten jetzt im Nachhinein das Narrativ, dass die Corona-Impfung überflüssig gewesen sei. Dabei war sie vielmehr der entscheidende Schalter, um aus der Pandemie herauszukommen.“

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