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Auf der Suche. Die Uni Frankfurt a. M. ist eine Stiftung. Sie wartet aber noch auf große Spenden – Mäzene zahlen lieber an Private.

© dpa

Stiftungen: "Geld bedeutet Gestaltungsmacht"

Der Soziologie Frank Adloff spricht im Interview über Chancen und Risiken privater Stiftungen für die Wissenschaft.

Herr Adloff, die öffentliche Hand ist hoch verschuldet. Werden Stifter deshalb in Deutschland mittelfristig eine weit bedeutendere Rolle bei der Finanzierung der Wissenschaft spielen als bislang?

Davon ist auf jeden Fall auszugehen. Die Aktivitäten der Stifter sind allerdings schwer zu steuern. Wenn man die Stifter gezielt motivieren will, wird das am wenigsten über steuerliche Anreize gelingen. Wichtiger sind Anreize im Bereich des gesellschaftlichen Ansehens. Jedenfalls handelt es sich um einen sehr langfristigen Prozess.

Deutsche blicken oft bewundernd auf die berühmten privaten amerikanischen Universitäten. Warum gab und gibt es in Deutschland keine vergleichbare Spendenkultur?

Das hat vor allem historische Ursachen. Während in den USA öffentliche Universitäten, darunter auch Harvard, im 19. Jahrhundert privatrechtliche Autonomie erlangten, gerieten die alten europäischen Stiftungsuniversitäten zunehmend unter staatlichen Einfluss. Hinzu kommt, dass der Erste Weltkrieg die alten Traditionslinien in Europa unterbrochen hat. Vermögen wurden zerstört, und mit der Gründung der Weimarer Republik wurde der Wohlfahrtsstaat entwickelt. Auch durch den Zweiten Weltkrieg waren Vermögen in Deutschland viel stärker als in den USA Diskontinuitäten ausgesetzt.

Der Journalist Thomas Schuler wirft der Bertelsmann-Stiftung in seinem neuen Buch vor, mit ihrem Geld gezielt eigene politische Ziele zu verfolgen. Ist es grundsätzlich anrüchig, wenn Stifter sich auch politisch einmischen wollen?

Bertelsmann ist ein spezieller Fall. Es gibt eine enge Verquickung des Unternehmens mit der Stiftung: Die Stiftung dient dem Unternehmen. Auch indem das Unternehmen Steuervorteile der Stiftung für sich nutzt. In den USA sind solche Konstruktionen seit 1969 nicht mehr erlaubt. Hinzu kommt, dass die Stiftung Studien erstellt, in denen sie die Privatisierung von öffentlichen Leistungen empfiehlt. Ein privater Dienstleister, der solche Leistungen anbietet, ist aber das Bertelsmann-Unternehmen Arvato. So werden wissenschaftliche Ergebnisse als Deckmantel für eigene politische und wirtschaftliche Ziele verwendet. Hinzu kommt, dass die Bertelsmann-Stiftung keine Mitspieler auf Augenhöhe hat, die inhaltlich für Pluralismus sorgen, wie es in den USA der Fall ist.

Der hochschulpolitische Thinktank der Bertelsmann-Stiftung ist das 1994 gemeinsam mit der Hochschulrektorenkonferenz gegründete Centrum für Hochschulentwicklung (CHE). Ihm werfen Kritiker wie Schuler vor, die Hochschulen auf die Interessen von Wirtschaftseliten ausrichten zu wollen. Warum soll man nur dem Staat zutrauen, gut für die Wissenschaft zu sein?

Man kann solche Kritik als Staatsgläubigkeit interpretieren. Aber sie wirft die Frage auf, wie solche sehr einflussreichen Thinktanks demokratisch legitimiert sind. Auf merkwürdige Weise schaffen sie es, mit dem Verweis auf die eigene Gemeinwohlorientierung so aufzutreten, als seien sie neutral.

Sie erklären in Ihrem Buch, der Machtanspruch der Stifter werde im Geben unsichtbar. Was genau meinen Sie damit?

Der Stifter setzt sein Vermögen entsprechend seiner eigenen Werte und Vorstellungen ein. Geld wird so in Gestaltungsmacht übersetzt. Durch den Nimbus der Gabe wird das aber weniger hinterfragt.

Wie müssen Stifter ihr Engagement gestalten, damit es auf möglichst große Zustimmung stößt?

Die meisten Gesellschaften haben darauf noch keine richtige Antwort gefunden. Hilfreich ist aber eine Kultur der Selbstbeschränkung des Stifters. In den USA fordern Kritiker der Megaphilanthropie zum Beispiel eine Obergrenze bei den Stiftungsmitteln, damit eine Stiftung nicht ein ganzes gesellschaftliches Feld dominieren kann – und dann womöglich eines Tages auch noch beschließt, das Geld nun lieber auf einem anderen Gebiet einzusetzen. Außerdem sollen diejenigen, die das Geld bekommen, über seine Verwendung maßgeblich mitentscheiden dürfen.

Sie haben geschrieben: „Stiftungen werden nicht nachfrageorientiert gegründet und ausgerichtet.“ Wie entscheidet ein Stifter also dann, wen er unterstützt?

Das kann man nicht verallgemeinern. Bei manchen steht ganz klar der Eigennutz im Vordergrund. So gründen Banken gerne Kulturstiftungen, um Prestige zu gewinnen. Es gibt aber auch Stifter, die völlig im Hintergrund bleiben und uneigennützig stiften. Insgesamt geht es nicht danach, was der Gesellschaft gerade besonders fehlt, sondern danach, was gerade en vogue ist. Naturschutz war zum Beispiel für Stifter vor 25 Jahren noch kein großes Thema.

Der Bund legt „Deutschlandstipendien“ für leistungsstarke Studierende auf. Die Wirtschaft soll für jedes Stipendium Geld zuschießen, nach Steuererleichterungen nur ein Drittel der Summe. Trotzdem rechnet die Bundesregierung damit, dass sich der Kreis der Stifter nur sehr langsam ausweiten wird. Warum zeigt die Wirtschaft keine Leidenschaft für die Stipendien?

Ich vermute, das Stiften gemeinsam mit dem Staat ist für die Unternehmer nicht attraktiv. Kooperationen mit dem Staat haben im Moment keinen Nimbus. Das war vor dem Ersten Weltkrieg noch völlig anders. Die Unternehmen haben sich mit dem Staat gerne geschmückt. Nun kommt noch dazu, dass die Unternehmer vielleicht der Meinung sind, über die Stipendien nicht viel Einfluss nehmen zu können.

Staatliche Stiftungsunis wie die Goethe-Universität in Frankfurt am Main oder die Viadrina in Frankfurt/Oder warten seit längerer Zeit vergeblich auf Großspenden. Offenbar gründen die Stifter lieber neue Hochschulen wie die Hertie School of Governance oder die Bucerius Law School. Sollte der Staat schon deshalb auf weitere Stiftungsunis verzichten?

Staatliche Stiftungsunis machen vielleicht Sinn, wenn sie mehr Autonomie haben als andere Hochschulen. Aber letztlich betonen die meisten Stifter ihre Autonomie gerade, indem sie nicht mit dem Staat kooperieren. Darum hat die Jacobs-Stiftung sich lieber bei einer privaten Universität eingekauft.

Warum braucht Berlin dann die staatliche Einstein-Stiftung für die Spitzenforschung?

Natürlich will auch der Staat vom Nimbus einer Stiftung profitieren. Eine Stiftung ist aber auch ein praktisches Rechtsinstrument, mit dem sich politisch und verwaltungstechnisch arbeiten lässt. Man schafft einen Schattenhaushalt, über den das Parlament nicht ständig neu entscheiden muss.

Wie wird sich die Wissenschaft verändern, wenn sie stärker auf privates Geld angewiesen ist?

Jedenfalls werden sich mehr Stifter für jene Hochschulen finden, die in den Rankings ganz oben stehen. Außerdem wird die Frage noch mehr im Vordergrund stehen, wie viel konkreten Praxisbezug Wissenschaft haben muss. Vielleicht gibt es aber auch Stifter, die ein Risiko eingehen und die nicht konkrete Ergebnisse für ihr Geld sehen wollen. So, wie Jan Philipp Reemtsma Arno Schmidt gefördert hat.

Die Fragen stellte Anja Kühne.

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