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Zentrale der Fraunhofer-Gesellschaft in München

© ANDREAS GEBER/picture alliance/dpa

Fraunhofer-Affäre: „Irgendwann ist das auch Ihr Skandal, Frau Ministerin“

Hat die Fraunhofer-Gesellschaft Spesen nicht korrekt abgerechnet? Ein ehemaliger FDP-Staatssekretär drängt jetzt die amtierende FDP-Forschungsministerin zur Veröffentlichung des Prüfberichts.

„Es handelt sich um einen privaten Post von Herrn Sattelberger, den wir nicht kommentieren.“ Das sagte eine Sprecherin des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zur Frage des Tagesspiegels, was die amtierende Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger, FDP, zu dem viel kommentierten Beitrag ihres früheren parlamentarischen Staatssekretär Thomas Sattelberger, ebenfalls FDP, im sozialen Netzwerk „LinkedIn“ am Montagmorgen zu sagen habe: „Irgendwann ist der Fraunhofer-Skandal auch Ihr #Skandal, liebe Frau Ministerin!“, schrieb Sattelberger. „Bitte veröffentlichen Sie den Prüfbericht!“

Gemeint ist das Ergebnis der noch von Sattelberger vor einem Jahr in Auftrag gegebenen BMBF-Untersuchung zu den Reise- und Repräsentationskosten bei der Fraunhofer-Gesellschaft – der bis heute offiziell unter Verschluss ist. In zahlreichen Fällen sind den Ermittlungen zufolge Spesen von Vorstandsmitgliedern nicht rechtskonform abgerechnet und in der Folge in nicht zulässiger Höhe erstattet worden (der Tagesspiegel berichtete). Im Bericht listen die BMBF-Beamten akribisch auf, wie hoch der entstandene Schaden ist – und wer ihn verursacht haben soll. 

Besonders in der Kritik steht Fraunhofer-Präsident Reimund Neugebauer – nicht allein wegen der Vorwürfe im Zusammenhang mit von ihm selbst und seiner Frau abgerechneten Spesen. Im Oktober stellte sich heraus, dass Neugebauer in dem Imagefilm eines Unternehmens aufgetreten war, dessen Anteilseigner er zum Zeitpunkt der Veröffentlichung war. Was in dem Film keine Erwähnung fand, wohl aber Neugebauers Position als Fraunhofer-Präsident. Er selbst hatte den Sachverhalt auf Anfrage im Kern eingeräumt, jedoch betont, bis heute nichts von der Veröffentlichung des Videos im Februar 2021 gewusst zu haben. In einer turnusmäßigen Senatssitzung erklärte Neugebauer wenig später seinen vorzeitigen Amtsverzicht – allerdings erst zu Ende September 2023.

Vielen Kritikern reicht das nicht. Sie fordern einen Neustart für Fraunhofer: personell, aber auch in Hinblick auf die Führungsstrukturen bei der 30.000 Mitarbeiter großen Forschungsorganisation.

Druck aus eigenen Reihen

Mit an der Spitze der Kritiker: Thomas Sattelberger. Während er sich in seiner Zeit als FDP-Oppositionspolitiker in der Affäre noch häufig zu Wort meldete, hielt er sich nach seinem Amtsantritt als parlamentarischer Staatssekretär im Dezember 2021 mit öffentlichen Äußerungen zunächst zurück. Das änderte sich wieder, als er das Amt Mitte 2022 abgab.

Mit seiner Worten auf „Linkedin“ übt er nun offen Druck auf Bettina Stark-Watzinger aus: „Als Staatssekretär a.D., bisher treuer Diener seiner ehemaligen Ministerin, folge ich dem Koalitionsvertrag, der Governance und Compliance insbesondere der außeruniversitären Forschungseinrichtungen gestärkt sehen will“, begründet Sattelberger diesen Schritt – und erhebt neue Vorwürfe: Er habe von einem Fraunhofer-Senatsbeschluss gehört, schreibt er auf „Linkedin“, die „#Spesenaffäre insbesondere seines Präsidenten nicht der #Mitgliederversammlung zur Kenntnis zu bringen, wenn alle (auch die „zurückgetretenen“, d.h. von Prof. Dr. Reimund Neugebauer zum Rücktritt gezwungenen) Vorstände freiwillig jeweils Tausende Euro Reisekosten und Spesen aus der privaten Schatulle zurückzahlen“. Sattelberger spricht von „Vertuschung“ und fügt hinzu: „Schäbiger Deal!“

Kein Dementi

Die Fraunhofer-Pressestelle dementiert die Äußerungen Sattelberges auf Anfrage nicht, sondern zieht sich, ähnlich wie Stark-Watzingers Ministerium, auf Formalitäten zurück. „Wir äußern uns nicht zu vertraulichen Beratungen und Beschlüssen des Fraunhofer-Senats und auch nicht zu einzelnen Privatmeinungen und Social-Media-Posts“, sagt Fraunhofer-Sprecher Roman Möhlmann.

Immerhin sieht es inzwischen so aus, als könnte der BMBF-Prüfbericht demnächst veröffentlicht werden, oder zumindest Medien einsehbar gemacht werden soll, die per Informationsfreiheitsgesetz um Herausgabe gebeten hatten – wie der Tagesspiegel bereits vor sechs Monaten.

Dass eine Veröffentlichung nötig wäre, sagt das Ministerium selbst: Der Bericht zeige „Missstände im Compliance-Bereich“ sowie den Umgang der Fraunhofer-Gesellschaft mit diesen „Prozessschwächen“ auf, und insbesondere in Anbetracht bereits erfolgter Berichterstattung bestehe ein „gesteigertes öffentliches Interesse an dem Inhalt der Prüfdokumente“.

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