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Fadenalgen.

© Sabine Hilt/IGB

"Aus heiterem Wasser": Das Rätsel der Fadenalgen

Wenig Nährstoffe, klares Wasser, so lautet die einfache Regel. Doch sie scheint teilweise nicht mehr zu gelten. Ein Forscherteam untersucht das Phänomen.

Sie sind grün, schleimig - und manchmal gefährlich: Massenansammlungen von Fadenalgen bedecken die Ufergründe von immer mehr klaren Seen weltweit mit wattigen Teppichen. Diese Algenteppiche sehen nicht nur unschön aus, sondern können auch das ökologische Gleichgewicht der Gewässer verändern. Ein internationales Forschungsteam beschreibt das Phänomen im Fachblatt «BioScience» und diskutiert mögliche lokale und globale Ursachen.

Für viele Gartenteichbesitzer und Aquaristen ist es ein bekanntes Problem: Plötzlich breitet sich grüner zäher Schleim im Wasser aus, der aus Fadenalgen (Zygnema) besteht: Darunter werden verschiedene Algenarten aufgrund ihres Aussehens zusammengefasst. Fadenalgenblüten brauchen viel Licht und treten daher in Seen oft in Ufernähe auf.

In letzter Zeit wurden sie weltweit verstärkt in Gewässern beobachtet, die für klares Wasser bekannt sind, etwa im Lake Tahoe im Westen der USA, im Baikalsee in Russland oder im Lake Wakatipu in Neuseeland.

Algen und nährstoffarmes Wasser?

Das überrascht, denn diese Seen gelten eigentlich als besonders nährstoffarm. Massenauftreten von Algen kommt hingegen vor allem in Gewässern mit hohen Einträgen an Stickstoff und Phosphor vor, etwa durch die Landwirtschaft oder städtische Abflüsse.

In nährstoffarmen Seen findet man gewöhnlich eher Algenarten, die langsam und in tieferen Gewässerschichten wachsen, wo aufgrund der Klarheit des Wassers immer noch genug Licht hinkommt. «Wir sind sehr erstaunt, dass Seen, um die wir uns als Ökologinnen und Ökologen bisher kaum Sorgen machen mussten, nun von Fadenalgenblüten in der flachen Uferzone betroffen sind», wird Ko-Autorin Sabine Hilt vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in einer zur Studie veröffentlichten Mitteilung zitiert. Auch in Deutschland gebe es an einigen Seen Probleme mit Massenentwicklungen dieser Algen, so die Biologin.

In dem Artikel diskutieren die Wissenschaftler verschiedene Gründe für das globale Phänomen, darunter Nährstoffverschmutzung, Klimawandel, invasive Arten und der Verlust von Wassertieren, die sich von Algen ernähren. Fadenalgen haben einen höheren Nährstoffbedarf, speziell für Nitrat und Ammonium, als die kleineren und langsam wachsenden Arten, die sie ersetzen.

Mögliche Rolle von Pestiziden

Die Forscher schreiben, die Nährstoffzufuhr in einigen ehemals klaren Seen habe in den vergangenen Jahren zugenommen, etwa im Baikalsee. Hier habe sich die Masse an Fadenalgen in den letzten zehn Jahren verfünffacht, was die Artenvielfalt bedrohe. Ein möglicher Grund dafür seien Stickstoff- und Phosphoreinträge aus unbehandelten menschlichen Abwässern, die in den See geleitet würden. Auch Waldbrände hätten bewirkt, dass mehr Nährstoffe aus dem Umland in den See gelangten.

In anderen Seen könnte der Einsatz von Pestiziden eine Rolle spielen, erklärt Hauptautorin Yvonne Vadeboncoeur von der Wright State University in Dayton (US-Staat Ohio): Solche Stressfaktoren könnten Wasserinsekten töten, so dass die Algen unkontrolliert wachsen, anstatt von den Insekten gefressen zu werden.

In den klaren Bergseen im Westen der USA begünstigten hingegen steigende Wassertemperaturen und längere Sommer das Auftreten der Fadenalgen, so Ko-Autor Sudeep Chandra von der University of Nevada. Und in den Großen Seen im Nordosten der USA wirkten sich invasive Arten aus wie etwa die Zebramuschel. Sie lebe von Plankton, dessen Nährstoffe sie für Fadenalgen verfügbar mache.

Unabhängig von der jeweiligen Ursache stellten die Algen eine Gefahr für die Ökosysteme dar, betont das Team. So könnten sie auf dem Seegrund das Ökosystem verändern. Und auch für Menschen gibt es Risiken: Denn in den grünen Teppichen reichern sich mitunter Giftstoffe von Cyanobakterien an, die allergische Hautreaktionen, Entzündungen sowie Magen- und Darminfektionen auslösen können. (Alice Lanzke, dpa)

Alice Lanzke

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