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Ein ukrainischer Soldat des Sich-Bataillons testet sein AK-74 in der Nähe der kürzlich zurückeroberten Stadt Lyman.

© dpa / Evgeniy Maloletka

„Das darf weit weg stattfinden“: Soziologe beobachtet Abwehrreflex bei der Realität des Krieges

Deutsche neigen dazu, Krieg zu exterritorialisieren. Besonders Veteranen leiden deshalb unter mangelnder gesellschaftlicher Anerkennung.

Gesellschaften wie die deutsche neigen nach Worten des Soziologen Ulrich Bröckling dazu, „die Realität des Krieges zu exterritorialisieren“, also gewissermaßen auszulagern. „Das darf weit weg in Afghanistan stattfinden, aber nicht bei der Gartenparty, wo der gerade zurückgekehrte Nachbar mir seine gruseligen Kriegsgeschichten erzählen will“, sagte Bröckling der Zeitschrift „Psychologie Heute“ (Februar-Ausgabe).

Veteranen beklagten diese Versagung gesellschaftlicher Anerkennung noch häufiger als unzureichende medizinische, psychologische oder finanzielle Unterstützung.

Die Erfahrungen, die diese Menschen gemacht hätten, „dementieren den Mythos vom Krieg als Bühne heroischen Kämpfertums“, erklärte der Wissenschaftler. Die Rede vom postheroischen Zeitalter sei in den USA nach dem Ende des Vietnamkriegs erstmals aufkommen.

Es habe sich gezeigt, dass die Gesellschaft nicht länger bereit gewesen sei, die eigenen Kinder massenhaft in den Krieg zu schicken. „Die Konsequenz war keineswegs ein Verzicht auf militärische Einsätze, sondern die Umrüstung auf neue Waffensysteme. Den vorläufigen Endpunkt dieser Entwicklung bildet der Drohnenkrieg, der vor allem dadurch motiviert ist, die eigenen Truppen zu schützen.“

Unklar sei, was geschehen würde, „wenn Deutschland nicht nur spezielle Einsatzkräfte, sondern eine große Anzahl an Truppen in einen verlustreichen Krieg schicken würde“, so Bröckling: wenn etwa der Krieg in der Ukraine „auch geografisch näher rücken würde.

Ich bin eher skeptisch, ob eine Gesellschaft wie unsere mit unseren historischen Erfahrungen sich dazu durchringen könnte. Es liegt eine lange Periode wirtschaftlicher und politischer Stabilität hinter uns, die auch mit einer basalen Pazifizierung einherging.“ (KNA)

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