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Wirtschaft: Weihnachtsgeschäft: Spiele: Monster unterm Weihnachtsbaum

1998 brach das Jojo-Fieber aus, 1999 ließen Furby und die Teletubbies Kinderherzen höher schlagen, in diesem Jahr schwappt die Pokémon-Welle auf den weihnachtlichen Gabentisch. Auch die Spielwarenindustrie hat ihre wechselnden Stars.

1998 brach das Jojo-Fieber aus, 1999 ließen Furby und die Teletubbies Kinderherzen höher schlagen, in diesem Jahr schwappt die Pokémon-Welle auf den weihnachtlichen Gabentisch. Auch die Spielwarenindustrie hat ihre wechselnden Stars. Seit November vergangenen Jahres wurden schätzungsweise mehr als 400 Millionen Sammelkarten des kleinen gelben Monsters verkauft, an dem der Nintendo-Konzern die Weltrechte besitzt. Der Umsatz belief sich auf 300 Millionen Mark. Die Sammelwut der Kids bescherte Nintendo und der EM.TV AG, die Pokémon in Deutschland vermarktet, ein glänzendes Geschäft. "Pokémon-Produkte dürften inzwischen einen Anteil von 7,5 Prozent am deutschen Spielwarenmarkt erreicht haben", schätzt Volker Schmid, Geschäftsführer des Deutschen Verbands der Spielwarenindustrie.

Die Plüschtier-Hersteller jubeln: Angeführt von dem Mini-Monster aus Fernost und Furby, das vom US-Spielwarenriesen Hasbro lizenziert wird, erleben auch andere, zuvor aus dem Kinderzimmer verbannte Kuscheltiere eine Renaissance. Sie stehen neben PC-Konsolen und elektronischem Spielzeug in diesem Jahr ganz oben auf den Wunschlisten. Entsprechend optimistisch geht die Branche ins vorweihnachtliche Saisongeschäft, in dem ein Großteil des jährlichen Umsatzes von knapp sechs Milliarden Mark erzielt wird. "Wir werden in diesem Jahr um gut zwei Prozent zulegen", schätzt Volker Schmid. Damit setzt sich der Trend aus dem Vorjahr fort, als die Spielwarenindustrie hierzulande das Produktionsvolumen erstmals seit 1993 wieder leicht um 1,5 Prozent auf 2,2 Milliarden Mark steigern konnte.

Aber es sind nicht nur die milliardenschweren Lizenzprodukte wie Pokémon und Co, die der Spielwarenbranche Freude bereiten. Wie in jedem Jahr besinnt sich die Kundschaft im Dezember auch auf die Klassiker des Spielemarktes. Gesellschaftsspiele zum Beispiel oder die Modelleisenbahn bleiben weiter - vor allem bei einkommensstarken Erwachsenen - gefragt. "Mensch ärgere dich nicht!, Trivial Pursuit oder Memory haben immer Konjunktur", weiß Werner Lenzner vom Marktforschungsunternehmen Intelect Eurotoys. Die Spielwarenindustrie versucht aus dieser Nachfrage Kapital zu schlagen: "Spiele für Erwachsene haben sich im gesamten Jahr zu einem etablierten Marktsegment entwickelt", sagt Volker Schmid. Ein Ergebnis der Strategie, gezielt auf das Bedürfnis der Leistungsgesellschaft einzugehen, "spielend zu lernen", wie es heißt. In der Sparte "Edutainment" hofft die Branche, das stark saisonale Geschäft auf das ganze Jahr auszudehnen. Mit Erfolg: So wurden im ersten Halbjahr 2000 deutlich mehr Spiele (inklusive Puzzles) verkauft als im Vorjahr. Ernst Pohle, Vorsitzender der Fachgruppe Spiel im Verband der Spielwarenindustrie, feiert die Rückbesinnung als neue "Lust der Deutschen am Spiel". Veranstaltungen wie die jährliche Messe "Spiel" in Essen mit 100 000 Besuchern zeugten von dieser wachsenden Begeisterung. "US-Klassiker wie Monopoly verbinden die internationale Spielewelt", sagt Pohle. Umsatzrenner wie die "Siedler von Catan" (Kosmos-Verlag) seien zum Exportschlager des Markenprodukts "Made in Germany" geworden. "Nicht von ungefähr lässt sich der amerikanische Spiele-Markt seit Jahren zunehmend von der mitteleuropäischen Spielekultur animieren", so Pohle.

Brettspiele wie "Siedler", das fünf Millionen Mal in Deutschland verkauft wurde und eine Vielzahl von Spielvarianten und Erweiterungen nach sich zog, haben mittelständische Hersteller wie Kosmos aus der Marktnische geholt und zu weltweit gefragten Anbietern gemacht. "Mit den Siedlern wurden wieder Spiele erfunden, die einen für unsere Branche seltenen Produktlebenszyklus von mehr als einem Jahr haben", erklärt Walter Mackholt, Geschäftsführer des Gesamtverbandes des Deutschen Spielwaren-Groß- und Außenhandels. In der Regel vergehen Spielzeug-Moden deutlich schneller.

Doch obwohl Neuheiten das Publikum begeistern und traditionsreichen deutschen Spielemarken neuen Glanz verleihen, geben im Milliardengeschäft mit der Fantasie andere den Ton an. Von den 250 im Spielindustrie-Verband organisierten Unternehmen bestreiten nach Schätzung von Geschäftsführer Schmid die zehn größten drei Viertel des Umsatzes von sechs Milliarden Mark. Darunter die deutschen Niederlassungen des US-Giganten Hasbro, die Lego-Gruppe, der Marktführer bei Spielen, Ravensburger, Modelleisenbahnlegende Märklin oder der Babybornpuppen-Hersteller Zapf.

Getrieben von den globalen Kampagnen der großen Produzenten, die ihre Lizenzen weltweit vermarkten, vollzieht sich auch im Handel ein massiver Strukturwandel. Zu den Gewinnern zählen auch hier die Großen: Handelskonzerne, die in der Lage sind, unterschiedliche Sortimente auf ihren Flächen anzubieten, und Einkaufskooperationen wie Vedes, die neue Sortiments- und Betriebstypenkonzepte realisieren können. Rund zwei Drittel des Branchenumsatzes werden nach Angaben des Gesamtverbandes über den filialisierten großflächigen Einzelhandel abgewickelt. Die größten Wachstumsraten weist zudem der Vertrieb über Tankstellen, Bahnhöfe oder Airports auf. Und: "Gerade die klassischen Spiele, die man nicht mehr erklären muss, werden stark im Internet verkauft", sagt Walter Mackholt.

Im E-Commerce kommt es wie in anderen Branchen auch vor allem auf den Preis an. Zu einer ernsten Gefahr könnte dieser Preiskampf für die kleinen und mittleren Importeure und Einzelhändler im kommenden Jahr werden. Die Margen schmelzen dahin, weil zum einen der schwache Euro und gestiegene Frachtkosten aus Fernost die Einfuhr von Spielzeug und Produktionsteilen (35 Prozent aus China) verteuern. Zum anderen beeinflusst das teure Öl die Herstellung des Spielzeugs, das zu einem Drittel des Sortiments aus Kunststoff besteht. "In diesem Jahr werden die Verbraucher noch verschont, weil auf der Spielwarenmesse im Januar die Jahresorder erteilt wurden", sagt Volker Schmid vom Branchenverband. "Im kommenden Jahr werden Spielwaren aber mindestens um zehn Prozent teurer."

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