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Jobs & Karriere: Im Schongang

Öko-Trend in der Autoindustrie: Die deutschen Hersteller setzen auf umweltschonende Antriebe – und suchen Spezialisten, die zukunftsweisende Techniken entwickeln. Bis zu 3000 zusätzliche Jobs schafft die Klimadebatte.

Schnelle Autos und viel Geld – was wie ein Klischee klingt, hat Markus Hönn ständig vor Augen: Sportwagen, weil der 27-jährige Ingenieur bei Porsche arbeitet. Und ein hohes Gehalt, weil er auf dem besten Weg ist, Karriere bei dem Autohersteller zu machen.

Einem Praktikum bei Porsche in Stuttgart-Zuffenhausen folgte ein halbes Jahr Arbeit als Werkstudent am deutschen Firmensitz, dann ein Auslandspraktikum bei Porsche in Australien. Seine Diplomarbeit schrieb der Spezialist für Fahrzeugtechnik ebenfalls beim schwäbischen Sportwagenbauer, und jetzt wird er mit Unterstützung des Unternehmens promovieren.

Diesen Kickstart verdankt der Wirtschaftsingenieur nicht nur seinem Talent, sondern vor allem seinem zukunftsweisenden Know-how in Mechanik und EDV: Am Bildschirm entwickelt der Jungingenieur digitale Prototypen zukünftiger Modelle und simuliert zusammen mit Kollegen sowohl das Crashverhalten der Autos als auch deren Kohlendioxidausstoß (CO2). Solche Tests führen die Autohersteller heute weitgehend am Computer durch, um Kosten zu sparen und die Umwelt zu schonen.

Bisher waren die deutschen Fahrzeuge nicht unbedingt für ihre vorbildliche Energieeffizienz bekannt. Das soll sich jetzt ändern. Die Hersteller verstärken ihre Bemühungen, ökologisch weniger belastende Modelle herzustellen. Diese Reaktion kommt spät, aber machtvoll. Noch Anfang 2007 schimpften Politiker und Umweltschützer über die deutsche Automobilindustrie. Im Zuge der Debatte um Klimaschutz, Feinstaub- und CO2-Emissionen mussten sich die international so beliebten deutschen Autos als Dreckschleudern und Spritfresser bloßstellen lassen.

Angesichts der starken japanischen Konkurrenz und nicht zuletzt aufgrund neuer gesetzlicher Vorschriften arbeitet die Branche inzwischen mit Hochdruck daran, den CO2-Ausstoß ihrer Modelle zu senken und deutsche Autos an die Weltspitze der umweltschonenden Modelle zu lenken. Dringend gebraucht werden daher Mitarbeiter, die sich mit benzinsparenden Antrieben auskennen und zukunftsweisende Fahrzeugkonzepte entwickeln. Die Automobilindustrie, die hierzulande im vergangenen Jahr 254 Milliarden Euro Umsatz machte, stellt derzeit massiv ein. Allein zwischen Januar und September 2007 suchten die Unternehmen laut Erhebungen des Personaldienstleisters Adecco mehr als 2700 Absolventen technischer Studiengänge. Das sind fast 1000 mehr als im entsprechenden Zeitraum 2006. Besonders gesucht sind derzeit Maschinenbau-, Elektro- und Wirtschaftsingenieure. Aber auch Fertigungs- und Verfahrenstechniker haben gute Chancen.

Die Klimakehrtwende der deutschen Autobauer gibt dem Arbeitsmarkt zusätzliche Impulse. Etwa 2000 bis 3 000 Stellen könnte das neue Umweltbewusstsein extra bescheren, schätzt Christof Wolfmaier. Der Dekan der Fahrzeugtechnik-Fakultät der Hochschule Esslingen prognostiziert: „Hybridantriebe werden die Hersteller in den kommenden zehn Jahren stark beschäftigen. Und die deutschen Pkw-Produzenten und -Zulieferer sind nicht gut darauf vorbereitet. Da entsteht ein großer Personalbedarf.“ Wer sich schon während des Studiums auf die neuen Umweltjobs rund um die zukunftsweisende Kombination aus Verbrennungs- und Elektromotor vorbereiten will, sollte Elektrotechnik, Fahrzeugtechnik oder Mechatronik studieren, rät Wolfmaier. Besonders den Mechatronikern sagen auch die Lobbyisten der Automobilindustrie eine rosige Zukunft voraus. „Mehr als 90 Prozent aller Sicherheits- und Umwelttechnologie-Neuerungen im Auto funktionieren mit elektronischen Daten- und Sensornetzen“, schätzt Thomas Schlick, Geschäftsführer des Bereichs Umwelt und Technik im Verband der Automobilindustrie (VDA). Absolventen, die gleichermaßen Kenntnisse in der Mechanik, Elektronik und Informatik besitzen, haben deshalb überaus glänzende Karriereaussichten.

Ebenfalls ein Karriere-Turbo ist Wissen zum Energiemanagement. Das belegt das Beispiel der Daimler AG. Das Traditionsunternehmen, das jährlich etwa 400 Ingenieure einstellt, hat im laufenden Jahr schon deutlich mehr Mitarbeiter mit dieser Expertise unter Vertrag genommen als bisher, heißt es aus Stuttgart.

Die von zahlreichen Branchen verzweifelt gesuchten Maschinenbau- und Elektrotechnikingenieure haben laut Verbandschef Schlick im Autosektor beste Jobchancen. 48 Prozent mehr Maschinenbauingenieure als im vergangenen Jahr sucht die Branche derzeit, die Nachfrage nach Elektrotechnikingenieuren ist sogar um 58 Prozent gestiegen. Zu ihren wichtigsten Aufgaben gehört es, neue Werkstoffe zu entwickeln und die gesamte Umweltbelastung durch motorisierte Vehikel zu verringern.

Markus Hönns’ Karriere begann an der Technischen Universität Karlsruhe. Dort studierte der Wirtschaftsingenieur aus Freiburg im Breisgau Wirtschaftsingenieurwissenschaft mit dem Schwerpunkt Fahrzeugbau und Verbrennungsmotoren. Weil er sich in seinem Praktikum bewährte, konnte er die gesamte Förderkette durchlaufen, die Porsche besonders talentiertem Nachwuchs anbietet, inklusive Diplomarbeit und Promotion im Unternehmen. Viel Zeit hat er für seine Dissertation allerdings nicht. „Etwa drei Viertel meiner Arbeitszeit widme ich mich Projekten bei Porsche“, sagt Hönn. Er hofft, dass aus seinem zunächst auf drei Jahre befristeten Vertrag in zweieinhalb Jahren eine Festanstellung wird. Von dem, was Jungingenieur Hönn bereits erreicht hat, träumen viele seiner Kollegen. Doch nicht viele kommen bei Porsche unter. Immerhin: Der Sportwagenproduzent stellt pro Jahr etwa 75 Nachwuchskräfte ein.

Doch Sorgen, eine Stelle zu finden, müssen sich Fahrzeugtechniker im Allgemeinen nicht machen. „Die Jobchancen sind im Moment ausgezeichnet“, bestätigt auch Thomas Briol, Gesellschafter der Personalberatung Baumann in Frankfurt am Main, die langjährige Vermittlungserfahrung in der Automobilbranche hat. Aber auch Absolventen der Betriebswirtschaft oder sogar Geisteswissenschaftler haben gute Karten, beispielsweise im Vertrieb bei den Fabrikanten fahrbarer Untersätze einzusteigen. Insgesamt hat die deutsche Autobranche die Zahl ihrer Beschäftigten mit akademischer Ausbildung im vergangenen Jahr um 6000 auf 91 000 Mitarbeiter erhöht. Tendenz weiter steigend.

Die Autofans unter den Absolventen zieht es mit Macht nach Stuttgart. In der Schwabenmetropole haben in Daimler und Porsche gleich zwei Branchengiganten ihren Hauptsitz. Aber nicht nur deshalb orientieren sich die meisten Ingenieure bei ihrer Jobsuche Richtung Süddeutschland. Vor allem in Bayern und Baden-Württemberg sitzen die Mehrheit der großen Autohersteller sowie die vielen kleinen und mittelständischen Zulieferer. Und gerade diese Firmen sind es, die den Großteil der neuen Arbeitsplätze mit guten Aufstiegschancen und internationalen Perspektiven schaffen. Beispiel Robert Bosch: Das Unternehmen aus Gerlingen bei Stuttgart ist einer der weltweit größten Automobilzulieferer. Die Zulieferer – ganz besonders die kleineren – sind oft hoch spezialisiert und dennoch global orientiert.

Auch Marco D'Angelo etwa hat es zu einem wichtigen Teilespezialisten verschlagen, der in der deutschen Autohauptstadt Stuttgart beheimatet ist. Der 28-jährige Maschinenbauingenieur arbeitet bei Behr, einem Hersteller von Autoklimaanlagen und Motorkühlungen. D'Angelo ist dort als Konstrukteur beschäftigt. Er ist zufrieden mit seinem Job, den er vor einem Jahr angetreten hat. Zuvor absolvierte er eine Ausbildung als Technischer Zeichner, studierte dann Maschinenbau an der Fachhochschule Esslingen. Nach seinem Praxissemester bei Behr folgte ein befristeter Halbtagsjob als Werkstudent im Unternehmen – bis zur Festanstellung war es dann nicht mehr weit.

Wer wie D'Angelo ein Praxissemester einlegt, blickt nicht nur über den Tellerrand, er kommt außerdem in den Genuss eines weiteren Vorteils: Die praktische Erfahrung bringt nach der Uni Pluspunkte beim Jobeinstieg. Besonders dann, wenn Studenten ihren Arbeitseinsatz jenseits der deutschen Grenzen absolvieren. „Wir würden uns noch mehr Auslandserfahrung bei Absolventen wünschen“, bestätigt Maria Riolo, Recruiting-Leiterin bei Daimler. Denn das Unternehmen will sein Engagement weltweit ausbauen, steht mit dieser Ambition aber natürlich nicht alleine da. Im Gegenteil, da buhlen Daimler, Porsche, BMW, VW und ihre Konkurrenten mit vielen weiteren Top-Arbeitgebern verschiedenster Branchen um die klügsten Köpfe.

Dieser Nachwuchsnotstand befördert junge Ingenieure auf die Pole-Position. Junge Ingenieure, die nicht nur fachlich qualifiziert sind und über solide Englischkenntnisse verfügen, sondern sich darüber hinaus noch mit weiteren Sprachen und Kulturen auskennen, werden quasi vom Fleck weg engagiert.

Das gilt auch für Frauen. Sie können sogar sicher sein, bei den Autobauern gezielt gefördert zu werden. „Wir wünschen uns mehr Ingenieurinnen im Unternehmen“, sagt Maria Riolo. Denn Daimler will bereits in der Produktentwicklung besser auf die Wünsche und Bedürfnisse weiblicher Kunden eingehen. Zudem könne man es sich nicht länger leisten, das Potenzial von Ingenieurinnen außer Acht zu lassen.

Nicht zuletzt wirkt sich der akute Ingenieurmangel für Newcomer auch finanziell vorteilhaft aus: Bei Daimler zum Beispiel können Ingenieure der Fahrzeugtechnik derzeit mit einem überdurchschnittlichen Einstiegsgehalt rechnen. Damit bewegen sie sich etliche Tausend Euro über dem jährlichen Durchschnittsgehalt. Momentan zahlen Unternehmen mit mehr als tausend Mitarbeitern ihren Einsteigern 45 625 Euro. Zum Vergleich: Die Mitarbeiter kleinerer Firmen, die maximal hundert Angestellte beschäftigen, verdienen im Schnitt 37 800 Euro pro Jahr.

Und noch eine gute Nachricht: Die Gehälter steigen weiter. Durchschnittlich haben deutsche Ingenieure 4,1 Prozent mehr Lohn in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr kassiert.

Kommt nach den ersten Berufsjahren dann noch Personalverantwortung hinzu, kann der Jahreslohn in der Branche schnell zwischen 72 875 und 107 420 Euro betragen.

Markus Hönn bei Porsche und Marco D'Angelo bei Behr können sich durchaus vorstellen, einmal selbst Personalverantwortung zu übernehmen und Projekte zu leiten. Mit schnellen Autos haben sie jetzt bereits zu tun. Spätestens dann aber dürfte auch die Hoffnung auf ein großes Gehalt in Erfüllung gehen.

Beitrag aus „Junge Karriere“

Julia Groth

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