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Immobilien: Mit harten Bandagen

Darf eine Genossenschaft mit Mieterhöhung „drohen“, um Mieter von einer Minderung abzuhalten?

WAS STEHT INS HAUS?

Ich wohne seit 1973 als Mieterin in einer Wohnung meiner Genossenschaft. Vor zwei Jahren begann die Genossenschaft damit, sowohl die Fenster als auch die Balkone zu erneuern. Die Maßnahmen verursachten viel Lärm und Staub. Daher habe ich die Miete gemindert. Die Genossenschaft akzeptierte zwar die Minderung, teilte mir aber mit, dass sie aufgrund meines Verhaltens eine Mieterhöhung durchführen werde. Wenn ich aber die Minderung zurücknehmen würde, würde sie – wie bei den anderen Mietern – die Mieterhöhung nicht verlangen. Ist ein solches Verhalten zulässig?

WAS STEHT IM GESETZ?

Die Genossenschaft muss ihre Genossen, die gleichzeitig Mieter sind, grundsätzlich gleich behandeln. Das gebietet der Gleichbehandlungsgrundsatz, den sie beachten muss. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) schon im Jahre 1960 so entschieden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt nicht nur für Fragen, die sich aus dem Rechtsverhältnis zwischen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern ergeben, wie zum Beispiel Fragen zur Behandlung von Genossenschaftsanteilen. Vielmehr ist die Pflicht zur Gleichbehandlung auch für die Rechte und Pflichten zu beachten, die einzelne Mitglieder in ihrer Eigenschaft als Mieter dieser Genossenschaft betreffen. Andererseits sind dem genossenschaftlichen Gleichbehandlungsgrundsatz Grenzen gesetzt. Er erfordert keine starre Gleichmacherei. So geht das Landgericht Berlin davon aus, dass die Genossenschaft ihr Handeln gegenüber den Mitgliedern willkürfrei und sachlich nachvollziehbar gestalten muss. Dabei ist sie gehalten, den unterschiedlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Somit ist Gleiches gleich zu behandeln, wogegen Ungleiches unterschiedlich gehandhabt werden soll. Daher verstößt es nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn die Genossenschaft dem Bewohner freistellt, wie er sich entscheidet. Wenn er anlässlich einer Modernisierung auf eine Mietminderung verzichtet, kann also auch die Genossenschaft jederzeit auf das ihr zustehende Recht zur Erhöhung der Miete verzichten.

UND WIE STEHEN SIE DAZU?

Das Vorgehen der Genossenschaft ist sachlich nicht zu beanstanden. Dennoch hinterlässt es ein ungutes Gefühl, weil die Genossenschaft mit einer „Drohung“ arbeitet. Sie hat vermeintlich großzügig die Minderung akzeptiert, aber gleichzeitig für den Fall der Minderung Sanktionen angekündigt. Somit wäre eine von der Genossenschaft durchgeführte Mieterhöhung praktisch eine Strafe für ein zwar rechtlich einwandfreies Verhalten des Mieters, welches aber von der Genossenschaft nicht gewünscht wird. Eine Vorgehensweise, wie sie die Genossenschaft praktiziert hat, schadet der Mietkultur, weil sie die Mieterschaft spaltet. Es wäre für das Miteinander der Bewohner vorteilhafter und erträglicher, wenn die Genossenschaft den Konflikt durch eine großzügige Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vermeiden würde.

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