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Wirtschaft: Grüne Hoffnung

In Algerien wächst das Umweltbewusstsein. Zwei Unternehmerinnen holen sich Anregung in Deutschland.

Berlin - Fella Oualane spiegelt sich in einem Solarmodul, das fast so groß ist wie sie selbst. Was auf den ersten Blick aussieht wie eine abgedunkelte Fensterscheibe, ist Hightech aus dem Forschungszentrum PVcomB in Adlershof. Von einem Wissenschaftler lässt sich die algerische Unternehmerin Oualane erklären, was in den Dünnschichtmodulen drinsteckt – etwa Kupfer, Indium, Gallium und Selen. „Testen Sie denn auch, wie solche Zellen unter extremen Bedingungen, etwa in der Wüste, funktionieren?“, fragt die 46-Jährige, die vor drei Jahren in Algerien eine Firma für Erneuerbare Energien gegründet hat. Ihr Land besteht zu mehr als 80 Prozent aus Wüste.

Oualane ist eine von 18 Teilnehmern einer algerischen Delegation, die mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) für eine knappe Woche nach Berlin gekommen ist. Es sind Unternehmer, aber auch Wissenschaftler, Verbands- und Verwaltungsmitglieder sowie Journalisten. Sie alle eint, dass sie in der „Green Economy“ – also in den Bereichen Nachhaltigkeit und Umwelt – arbeiten. In Deutschland sollen sie Anregungen und Eindrücke in Institutionen und Unternehmen sammeln, Netzwerke knüpfen und Partnerschaften ausloten.

Im PVcomB in Adlershof sehen die algerischen Unternehmer, wie Wissenschaft und Wirtschaft vernetzt arbeiten. Hier entwickeln Forscher Solartechnologien für oder gemeinsam mit Firmen weiter. Fella Oualane steht vor einem Solarmodul der Berliner Firma Inventux, die kürzlich so wie viele andere deutsche Hersteller auch Insolvenz anmelden musste. „Das waren einmal meine Partner“, sagt sie. Seitdem das Unternehmen im Mai zahlungsunfähig wurde, arbeitet sie stattdessen mit einer Schweizer Firma zusammen. Dennoch glaubt Oualane, die nach Jahrzehnten im Ausland vor einigen Jahren in ihre Heimat Algerien zurückgekehrt ist, dass die Solarindustrie hierzulande eine Zukunft hat. „Die Forschungsmöglichkeiten in Deutschland sind exzellent, und die Firmen halten sehr viele Patente“, sagt sie. Auch die Förderung durch den Staat bringe die Technologien voran.

Die Idee für ihr Unternehmen kam Oualane in den Niederlanden. Die studierte Philosophin arbeitete dort in der Logistik der Firma Canon. „In Holland habe ich ein großes Umweltbewusstsein und ein hohes Interesse an Nachhaltigkeit erlebt und dachte: Warum soll das nicht auch in meinem Land gehen?“ 2009 gründete sie in Algier die Firma Voltface Energy & Technology, die Produkte aus den Bereichen Solar- und Windenergie anbietet. Ihre Firma mit zwölf Mitarbeitern vertreibt, installiert und verkauft Anlagen und Module, die besonders Menschen in abgelegenen Regionen sowie Landwirte zuverlässig mit Strom versorgen sollen. „Wenn Generatoren für die Bewässerung ausfallen, kann das die ganze Ernte gefährden“, sagt Oualane. Ihre Solarpumpen sollen das verhindern. Geld verdient Oualane mit ihren Solarsystemen noch nicht. Doch ein neues Produkt soll ihr dabei helfen: „Während der Hitzewelle in diesem Sommer liefen so viele Klimaanlagen, dass das Netz zusammenbrach. Die Hauptstadt Algier war zwei Tage ohne Strom“, sagt Oualane. Deshalb will sie künftig Solarklimaanlagen verkaufen, die unabhängig vom Stromnetz laufen.

Obwohl Algerien mit seinen vielen Sonnenstunden ein hohes Potenzial für Erneuerbare Energien hat, wurde bisher wenig in den Ausbau investiert, der Anteil an der Stromerzeugung liegt bei weniger als einem Prozent. Denn die Öl- und Gasvorkommen im Land sind riesig, das hält den Strompreis niedrig. Doch es tut sich etwas in dem Land, in dem während des Arabischen Frühlings Hunderttausende gegen das Regime protestiert hatten. Im Frühjahr 2011 verabschiedete die Regierung ein Programm für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz, das zum Ziel hat, den Anteil der Stromerzeugung aus Erneuerbaren im Inland bis 2030 auf 40 Prozent zu steigern. Hierfür will die Regierung 60 Milliarden Dollar investieren.

Die grüne Wirtschaft insgesamt ist in Algerien bisher kaum entwickelt. Laut Handelsregister gab es 2011 knapp 290 000 Firmen mit rund 600 000 Mitarbeitern, die in dem Bereich tätig waren. Darunter fallen Abfallentsorgung, Recycling, Wasseraufbereitung und -verteilung, Aufforstung sowie Bau- und Umweltdienstleistungen. Eine Studie der GIZ, die sich mit jungen Gründern – und besonders Frauen – im Bereich Green Economy beschäftigt, sieht großes Potenzial. Bis 2025 könnten hier gut 1,4 Millionen Jobs entstehen.

Naima Noureddine ist eine der wenigen Frauen, die im Recycling-Geschäft aktiv sind. Mehr als 20 Jahre lang arbeitete die 43-Jährige in diesem Bereich, lange auch für ein staatliches Unternehmen. Bis sie entschied, sich selbstständig zu machen. „Im Abfall liegt ein riesiges Rohstoffpotenzial für mein Land“, sagt Noureddine. 2011 gründete sie die Firma Centrion, die acht Mitarbeiter hat. Im Monat produziert sie 700 Tonnen Papier und 250 Tonnen PET-Plastik. Sie exportiert die Rohstoffe in Länder wie Saudi- Arabien, Indien, China und Australien. „Ich arbeite auch für die deutsche Firma Henkel“, erzählt Noureddine. „Ich verwerte und entsorge die Abfälle, die am algerischen Standort des Konzerns entstehen.“ Noch müssen ihre Mitarbeiter den Abfall auf dem Boden oder an Tischen sortieren. „Das ist harte Arbeit, die den Rücken belastet“, sagt Noureddine. Deshalb ist sie stolz, dass sie bald eine neue Sortiereinheit in Betrieb nehmen kann.

Ein Recyclingsystem wie in Deutschland wünscht sich Noureddine auch für ihr Land. „Hier ist die Entsorgung gut organisiert, es gehen weniger Rohstoffe verloren“, sagt sie. In den Küstenregionen Algeriens, wo auf nur vier Prozent der Landfläche 65 Prozent der Bevölkerung leben, ist der Müll ein großes Problem. „Bei uns liegen überall die blauen Plastiktüten in der Landschaft“, klagt Noureddine. Dass es noch eine Weile dauern dürfte, bis sich im Umwelt- und Energiebereich in Algerien etwas bewegt, glaubt auch Fella Oualane. „Wir sind ein Land, dessen Wirtschaft von Öl und Gas dominiert wird“, sagt sie. „Die Veränderung müssen die Bürger von unten herbeiführen.“

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