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Energie: "Geschacher um die Kohle"

In der Diskussion über den Ausstieg der Steinkohle sorgen neue Gerüchte über Bergwerkschließungen für Aufregung. Die RAG will ihren geplanten Börsengang offenbar im Sommer realisieren - allerdings ohne den Bergbau.

Berlin - Es war wohl kein Zufall, dass ausgerechnet zum SPD-Landesparteitag in Bochum Gerüchte über Bergwerksschließungen und Massenentlassungen im Ruhrgebiet die Runde machten. Dem Essener Mischkonzern RAG läuft die Zeit davon, weil SPD und Union sich im fernen Berlin nicht über den Ausstieg aus der Steinkohle einigen können.

RAG-Chef und Ex-Wirtschaftsminister Werner Müller wollte eigentlich schon im Frühjahr den Namen des neuen Konzerns auf dem Kurszettel lesen. Nun ist vom Sommer die Rede. Investmentbanker benötigen ungefähr sechs Monate, um den Sprung eines Unternehmens auf das Börsenparkett zu organisieren.

Müller will nur mit den profitablen Konzernteilen Immobilien, Kraftwerke und Chemie an die Börse. Der Bergbau soll zuvor ausgegliedert werden. Der erwartete Geldsegen aus dem Börsengang von etwa sechs Milliarden Euro soll in eine Stiftung fließen, die Bergbau-Folgeschäden wie absackende Häuser und steigendes Grundwasser ausgleichen soll.

"Schmutiges Spiel" auf Kosten der Beschäftigten

In Berlin sorgte die Spekulation, die RAG-Tochter DSK könnte wegen hoher Verluste ein Bergwerk schließen und 3000 Kumpel entlassen, am Wochenende für Verärgerung. Egal, von wem in die Welt gesetzt, es sei ein "schmutziges Spiel, mit den Ängsten tausender Arbeiter Schindluder zu treiben", ließen Kreise, die über den Kohleausstieg beraten, verlauten.

Die RAG wolle nicht ernsthaft eine Zeche dichtmachen. Vielmehr müsse der Konzern wegen höherer Kohlepreise auf dem Weltmarkt für 2006 rund 300 Millionen Euro Subventionen an Bund und Länder zurückzahlen. Den Betrag wollten die Essener nun um den DSK-Verlust von 163 Millionen Euro drücken. Bund und Länder zahlen der RAG jährlich rund 2,5 Milliarden Euro an Beihilfen.

Monat für Monat hat die Koalition eine Entscheidung vertagt, weil SPD und Union auf keinen gemeinsamen Nenner kommen. Am nächsten Sonntag findet der nächste Kohlegipfel bei Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) statt, einen Tag später wollen die Koalitionsspitzen beraten. Die Chancen für einen Durchbruch sind mäßig: "Wenn sich keiner bewegt, wird es auch im Januar nichts mehr", heißt es in den Kreisen.

DIW rechnet mit Ausstieg in zehn bis 15 Jahren

Während die Union für einen Ausstieg bis spätestens 2018 plädiert, pochte die SPD-Spitze in Bochum erneut auf einen langfristigen Sockelbergbau mit mehreren Bergwerken, damit die Bergbautechnologie erhalten bleibt. Die Genossen hoffen, dass die Steinkohle irgendwann wieder konkurrenzfähig ist. Nach Ansicht der Energie-Expertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, könnte dies in zehn bis 15 Jahren tatsächlich der Fall sein.

Es gebe neue technologische Optionen, die Kohle umweltfreundlicher zu machen und die CO2-Emissionen abzuspalten. Sollte sich diese Technik weltweit durchsetzen, würden die Preise anziehen. "Ohne den Erhalt eines Sockelbergbaus würde man sich dieses Energie-Standbeins entledigen und könnte im Falle einer möglichen Renaissance der Kohle nicht wettbewerbsfähig sein", sagte Kemfert. (Von Tim Braune/dpa)

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