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Wirtschaft: Europäische Zentralbank: Wim Duisenberg ist unschuldig

Nichts schärft die Sinne einem alten Sprichwort zufolge mehr als die Aussicht, gehängt zu werden. Die Galgen werden zwar noch nicht errichtet, aber die sich verschlechternde wirtschaftliche Situation im Euroland macht viele europäische Finanzpolitiker nervös.

Nichts schärft die Sinne einem alten Sprichwort zufolge mehr als die Aussicht, gehängt zu werden. Die Galgen werden zwar noch nicht errichtet, aber die sich verschlechternde wirtschaftliche Situation im Euroland macht viele europäische Finanzpolitiker nervös. Es überrascht daher nicht, dass nach den jüngsten Meldungen über das verlangsamte Wachstum und die steigende Inflation Deutschland und Frankreich eine "EU-Wirtschaftsregierung" gefordert haben. Eine Wirtschaftsregierung würde zwangsläufig auf eine Steuerharmonisierung hinauslaufen, die der Steuerpolitik eine Zwangsjacke verpasst und es einfacher machen soll, die Geldpolitik in der Währungsunion abzustimmen.

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Wim Duisenberg, hat klargestellt, dass die Vorschläge aus Deutschland und Frankreich nicht die Hilfe sind, die er gebrauchen kann. Was er dagegen gebrauchen könnte und auch oft gefordert hat, ist eine grundlegende Reform des Arbeitsmarktes und der Steuerpolitik. Duisenberg hat seine Forderung bei der letzten Sitzung des EZB-Rates wiederholt. Mit diplomatischen Worten zog er eine Linie zwischen "erfolgreicher" und "nicht erfolgreicher" Steuerpolitik in der Eurozone und sagte, eine Strukturreform zur Deregulierung des Arbeitsmarktes und zur Senkung der Steuern werde das Wachstumspotenzial in den weniger erfolgreichen Staaten verbessern.

Ins gleiche Horn stieß der spanische Vize-Premierminister, Wirtschaftsminister Rodrigo Rato, kürzlich in einem Interview: "Bei der Koordinierung der europäischen Wirtschaft sollte der Schwerpunkt von der Steuerharmonisierung, die für gewöhnlich in höheren Steuern mündet, auf ein fortschrittlicheres und kühneres, angebotsorientiertes Programm verlagert werden", sagte Rato. Das heißt: In fast allen Ländern der Eurozone ersticken hohe Steuern und die Starrheit des Arbeitsmarktes das Wirtschaftswachstum. "Die Geldpolitik sollte in erster Linie an der Preisstabilität ausgerichtet werden", fügte Rato hinzu. Soll heißen: Es ist nicht Duisenbergs Job, den kränkelnden Wirtschaften derjenigen Länder, die immer noch am Wohlfahrtsstaat hängen, aus der Patsche zu helfen. Man kann nicht zwei Herren dienen, jedenfalls nicht beiden gleichermaßen.

Wim Duisenberg ist mit einem ungeteilten Mandat gesegnet: Er muss Preisstabilität gewährleisten. Vornehmliche Aufgabe der EZB ist es, die Inflation unter zwei Prozent zu halten. Damit hat es die EZB eigentlich einfacher als die amerikanische Fed, die nicht nur die Preisstabilität, sondern auch die Vollbeschäftigung erreichen soll. Aber die EZB hat in letzter Zeit den Anschein erweckt, als sei dieser eine Job härter als die beiden der Fed zusammen. Aber der eigentliche Übeltäter ist nicht die EZB, es sind Länder wie Frankreich und Deutschland, die sich weigern, sich den Realitäten anzupassen, mit denen der Euro sie konfrontiert hat.

Eine "Wirtschaftsregierung", die diejenigen Staaten schützen soll, die eine Reform am nötigsten haben, wird die Situation nur verschlimmern. Europa braucht mehr Steuerwettbewerb, nicht weniger. Statt Duisenberg unter Druck zu setzen, er solle seine eigentliche Aufgabe - die Gewährleistung der Preisstabilität - vernachlässigen, sollten die europäischen Finanzpolitiker auf seinen Rat und den ihres Kollegen Rato hören und ihre Steuerpolitik in Ordnung bringen. Das bedeutet Steuersenkungen. Und das bedeutet, den Firmen Einstellungen und Kündigungen zu erleichtern. Es bedeutet nicht, ein europäisches Steuerkartell zu schaffen. Dann bleibt der europäischen Wirtschaft vielleicht der Strick erspart.

Aus dem Wall Street Journal. Text übersetzt u

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