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Wirtschaft: Die schnellste Behörde Deutschlands

Ab heute verwaltet die Bundesknappschaft von Cottbus aus die neuen Mini-Jobs – um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu versinken

Die alte Tante Knappschaft blüht auf: Ab heute wird sie die zentrale Einzugsstelle für die Minijob-Abgaben betreuen. Doch wird sie zukünftig auch ähnliche Aufgaben übernehmen? „Vorstellen kann man sich das“, sagt Direktor Georg Greve. Wofür sich der älteste Sozialversicherer der Welt interessiert, will er nicht sagen: „Zunächst konzentrieren wir uns weiter auf unser Kerngeschäft, die integrierte Versorgung.“

Für den Standort Cottbus hat die Knappschaft 600 Mitarbeiter eingestellt; bis 2005 will sie sogar insgesamt 900 Stellen besetzen – für die Jobs beworben hatten sich seinen Angaben zufolge 25 000 Menschen. Die Knappschaft schlägt neue Wege ein. Denn die Zahl ihrer Stammkundschaft aus dem Bergbau sinkt unablässig: 1991 beschäftigte die Bergbau-Industrie im Bereich Steinkohle noch 126 000 Arbeiter, 2001 waren es nur noch 54 000.

Charakteristisch für die Bundesknappschaft ist ihr Verbundsystem: Sie ist der einzige deutsche Sozialversicherungsträger, der Kranken- und Pflegeversicherung, Rentenversicherung, Rehabilitation, Krankenhäuser sowie einen sozialmedizinischen Dienst unter einem Dach vereint. Bis heute ist das berufsständische Prinzip Grundlage der knappschaftlichen Versicherung. Die insgesamt 1,4 Millionen Versicherten werden durch die Hauptverwaltung in Bochum, sechs Verwaltungsstellen und rund 60 Geschäftsstellen betreut.

Die Knappschaft unterhält sechs Krankenhäuser und fünf Rehabilitationskliniken. Ihre Aufgaben erfüllt die Bundesknappschaft mit 8227 Beschäftigten im Verwaltungsbereich und dem sozialmedizinischen Dienst sowie 4708 Mitarbeitern in Krankenhäusern. 532 Menschen arbeiten in Kliniken. In Cottbus hat die Bundesknappschaft innerhalb von drei Monaten aus einer ehemaligen Tuchfabrik eine funktionierende Behörde gemacht – mit Call-Center und Beitragsdezernat. „Wir haben eine Pyramide in drei Tagen gebaut“, prahlt Greve.

Ganz so schnell ist die Knappschaft selbst nicht entstanden. Es ist lange her, dass der Begriff zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde: 1446 war das, in Freiberg im Erzgebirge. Etwas später, gegen Ende des 15. Jahrhunderts, wurde er dann zum ersten Mal für die Belegschaft eines Bergbaureviers benutzt, bevor die Knappschaften zu einer Art Interessenvertretung für die Bergleute wurden. Bereits 1450 haben die Knappen im Erzgebirge damit begonnen, Geld in die Büchsenkasse zu zahlen – den Büchsenpfennig. Zunächst honorierten die Knappschaften mit dem Büchsenpfennig noch den Geistlichen, dann wurde für die Unterstützung der unter Tage verunglückten und arbeitsunfähigen Kollegen gesammelt. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts tauchte in der Bruderschaftsverordnung der Freiberger Knappschaft die Klausel zur Vergabe von Darlehen für Hausbau oder Begräbnis auf. Außerdem mussten die Bergleute damals auf Partys der Fürsten zum Repräsentieren in teuren Uniformen antreten, die nicht selten von der Knappschaft vorfinanziert werden mussten. Schließlich nahm im Jahr 1821 ein gewisser Baron von Burgk die von Arbeitern gegründete Krankenkasse zum Anlass, von allen den Zwangseintritt in seinen Knappschaftsverein zu fordern.

Mit zunehmender Industrialisierung und der wirtschaftlichen Liberalisierung nahm die Staatskontrolle über die Knappschaften schrittweise ab. Ende des 19. Jahrhunderts gab es im Deutschen Reich 160 Knappschaftsvereine, seit 1882 den Allgemeinen Deutschen Knappschaftsverband. Dennoch brachte erst das Reichsknappschaftsgesetz aus dem Jahr 1923 den endgültigen Zusammenschluss aller Vereine zum Reichsknappschaftsverein, der gleiche Leistungen und Beiträge für alle Versicherten vorschrieb. Am Grundsatz der Selbstverwaltung wurde festgehalten. In der Bundesrepublik wurde per Gesetz 1969 die Bundesknappschaft geschaffen, die zum Träger der Knappschaftsversicherung wurde.

Seit kurzem übernimmt die Bundesknappschaft im Rahmen einer Kooperation mit der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte auch die Betreuung der Angestelltenversicherten aus den Wirtschaftsbereichen Chemie, Glas, Keramik, Leder und Papier – das sind rund 500 000 Versicherte.

Esther Kogelboom

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