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Ein beschädigter Schriftzug ist an einer Filiale der Kaufhauskette Galeria Kaufhof zu sehen.

© dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Chronik des Niedergangs: Der lange Abstieg von Galeria Karstadt Kaufhof

Schlechte Nachrichten für Deutschlands letzten großen Warenhauskonzern – wieder mal. In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen mehrere Investoren und Pleiten erlebt. Eine Chronik.

Einst schienen Warenhäuser als wahre Einkaufstempel, in denen es quasi alles gibt. Inzwischen wirken sie eher wie ein Relikt aus einer vergangenen Epoche. Nun schließt Galeria Karstadt Kaufhof, der letzte große deutsche Warenhauskonzern, 16 seiner verbliebenen 92 Filialen.

Der Verfall der einst stolzen Warenhausketten Karstadt und Kaufhof hat schon vor Jahren begonnen. Erbitterte Konkurrenz durch den Online-Handel, hausgemachte Probleme und häufige Strategie-Wechsel beschleunigten den Niedergang. Auch nach der Fusion litt Galeria Karstadt Kaufhof unter Umsatzverlusten und roten Zahlen. Hier eine Chronik:

2005

Thomas Middelhoff übernimmt das Ruder bei der kriselnden Kette Karstadt, die 1881 von Rudolph Karstadt in Wismar gegründet worden war. Der ehemalige Bertelsmann-Chef und Ex-Aufsichtsratsvorsitzende sagt, Karstadt sei in einer Notlage – und er werde nun die Umsätze in die Höhe schrauben. In der Folge prüft Middelhoff unter anderem eine Ausdehnung der Kette auf ganz Europa. Aus den Plänen wird nichts.

2006

Middelhoff verkauft im März die Warenhausimmobilien für 3,7 Milliarden Euro mehrheitlich an den Fonds „Highstreet“ von Goldman Sachs. Auch Immobilien-Anteile der Karstadt-Muttergesellschaft Arcandor werden für rund 800 Millionen Euro veräußert.

Der vom Unternehmen als Befreiungsschlag gefeierte Verkauf erweist sich in der Folge als große Belastung: Karstadt ist nun Mieter der Warenhäuser und zahlt immer höhere Mieten.

Da schien die Welt noch in Ordnung: Der damalige Vorstandsvorsitzende von KarstadtQuelle, Thomas Middelhoff, freut sich über die Übernahme des britischen Reiseveranstalters MyTravel.

© dpa/dpaweb/Bernd Thissen

2009

Die Karstadt-Mutter Arcandor rutscht in die Pleite. Große Teile des insolventen Handels- und Reisekonzerns sind in der Vergangenheit verkauft oder an Kreditgeber verpfändet worden. „In diesem Haus gibt es wirklich nichts, was nicht anderen gehört“, sagte der vorläufige Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg in der verlassenen Zentrale des Versandhändlers Quelle.

2010

Im Juni erhält der Investor Nicolas Berggruen von Görg den Zuschlag zum Kauf von Karstadt. Berggruen will in der Folge Miet-Minderungen für die Kaufhäuser durchsetzen. Der von Berggruen eingesetzte Karstadt-Chef Andrew Jennings setzt auf die Kampagne „Feel London“. Die Botschaft: Bei Karstadt gibt es all die neuen und hippen Mode-Marken, für die man sonst nach London reisen müsste. Die Strategie greift nicht, Jennings muss gehen. Karstadt kämpft weiter mit Umsatzrückgängen und Verlusten.

Investor Nicolas Berggruen steigt 2010 bei Karstadt ein.

© ddp/Clemens Bilan

2014

Der Tiroler Immobilien-Investor Rene Benko übernimmt mit seiner Signa Holding Karstadt. Signa hatte sich zuvor schon Warenhaus-Immobilien der Kette gesichert. Berggruen beklagt, Karstadt sei für ihn „kein gutes Geschäft“ gewesen. Benko kündigt an, er wolle Karstadt nun gründlich sanieren.

Ab 2014 versucht der Österreicher Rene Benko sein Glück und übernimmt Karstadt.

© dpa/Marcel Kusch

2015

Karstadt-Konkurrent Kaufhof, 1879 vom Kaufmann Leonhard Tietz in Stralsund gegründet, wird von dem bisherigen Eigner Metro an den nordamerikanischen Handelskonzern Hudson's Bay (HBC) verkauft – der bereits damals interessierte Benko hat das Nachsehen.

HBC sieht die Kette als Sprungbrett nach Europa. Die Nordamerikaner sprechen von einer „Wiedergeburt“ des Warenhauses und versprechen, die Filialen mit Online-Shops zu verschränken. Die Sortimente Beauty, Schuhe und Handtaschen sowie der Service sollen ausgebaut werden. Doch der Erfolg bleibt aus.

2018

HBC und Signa machen gemeinsame Sache – sie legen Karstadt und Kaufhof zu einem Unternehmen mit damals noch 32.000 Beschäftigten zusammen. Karstadt-Chef Stephan Fanderl führt das neue Unternehmen, das er als „ideale Lösung“ sieht, um sich im stark umkämpften Markt erfolgreich zu positionieren.

2019

Benko hat nun bei Galeria Karstadt Kaufhof allein das Sagen. HBC steigt aus dem operativen Geschäft aus, auch HBC-Anteile an den Warenhaus-Immobilien gehen an Signa.

2020

Galeria Karstadt Kaufhof kämpft in der Corona-Krise ums Überleben. Der Konzern will sich unter dem Schutzschirm des Insolvenzrechts sanieren, die Gläubiger billigen das Vorhaben. Miguel Müllenbach wird Chef des angeschlagenen Warenhausriesen, nachdem Fanderl zwischenzeitlich das Handtuch geworfen hatte.

2021

Nach einem weiteren Corona-Lockdown mit behördlich verordneten Filialschließungen erhält das Unternehmen einen Staatskredit von 460 Millionen Euro. Online-Händler wie Amazon und Zalando profitieren von der Krise.

Während der Corona-Pandemie müssen die Kaufhäuser lange Zeit schließen.

© Fabian Strauch/dpa / Fabian Strauch

2022

Der Konzern dringt auf weitere Unterstützung und erhält von der Bundesregierung weitere 220 Millionen Euro. Doch die Konsumstimmung hellt sich im Jahresverlauf wegen der hohen Inflation nicht auf.

Das Unternehmen nimmt einen zweiten Anlauf zu einem Schutzschirmverfahren und will mindestens ein Drittel seiner 131 Filialen aufgeben. Der staatliche Rettungsfonds WSF muss einen großen Teil der 680 Millionen Euro abschreiben, die er bisher an die Firma ausgereicht hatte.

32.000
Mitarbeiter hatte die Kette 2018 noch, Anfang 2024 waren es 12.800.

2023

Kurz vor der Gläubigerversammlung löst der ehemalige Kaufhof-Chef Olivier Van den Bossche Galeria-Lenker Müllenbach ab. Die Gläubiger billigen den Sanierungsplan mit großer Mehrheit: Von 129 Warenhäusern sollen 47 schließen, Tausende von Stellen fallen weg.

Zugleich gerät Eigentümer Signa mit seinen milliardenschweren Immobilienpaketen wegen steigender Zinsen, anziehenden Refinanzierungskosten und der hohen Inflation unter Druck. Die österreichische Holding stellt einen Antrag auf ein Sanierungsverfahren.

2024

Im Sog der Signa-Pleite stellt Galeria einen weiteren Insolvenzantrag – auch um sich von dem Eigentümer zu befreien. Weil Signa die versprochenen Finanzmittel von 200 Millionen Euro nicht aufbringen kann, gilt Galeria als überschuldet. Signa gehören auch 18 Immobilien der Galeria-Warenhäuser.

9. April 2024

Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus unterzeichnet einen Vertrag zum Verkauf an die Investoren Richard Baker und Bernd Beetz. Baker war über HBC bereits einige Jahre lang an Galeria Kaufhof beteiligt.

27. April 2024

Die Warenhauskette verkündet die Pläne für ihr Filialnetz. Das Unternehmen schließt 16 seiner noch verbliebenen 92 Kaufhäuser und baut rund 1400 von derzeit 12.800 Arbeitsplätzen ab. Ausschlaggebend für die Entscheidungen sei die Aussicht auf zeitnahe Rentabilität gewesen, bei der die Miethöhe eine wichtige Rolle gespielt habe, erklärt Insolvenzverwalter Denkhaus. (Reuters)

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