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Wirtschaft: An der Börse zurückgeblieben - Analysten urteilen über die Aussichten der Aktien zurückhaltend

Freud und Leid liegen manchmal nah beieinander, bei Aktien manchmal sogar im selben Index. So hat der Branchenindex "Dax 100 Versorger/Telekommunikation" 1999 um 51,3 Prozent zugelegt.

Freud und Leid liegen manchmal nah beieinander, bei Aktien manchmal sogar im selben Index. So hat der Branchenindex "Dax 100 Versorger/Telekommunikation" 1999 um 51,3 Prozent zugelegt. Doch für dieses Plus waren allein die Telekommunikationstitel zuständig: Während sie um 116 Prozent stiegen, gaben die Stromversorger um 5,1 Prozent nach. Das nennt man wohl einen kompletten Stromausfall.

Dabei weisen beide Branchen durchaus Parallelen auf. Sowohl der Telekommunikationsmarkt als auch der Strommarkt waren einst von Monopolisten beherrscht, die nach der Liberalisierung ihrer Märkte einem harten Preiskampf ausgesetzt waren. Doch es gibt einen großen Unterschied: Die Telekommunikation gilt als Wachstumsmarkt schlechthin, der Strommarkt dagegen ist gesättigt. Während der erbitterte Preiskrieg der Telekomanbieter die Börse kalt ließ, wurden die Stromkonzerne für den Preisverfall am Strommarkt abgestraft. Selbst Megafusionen in der Elektrizitätsbranche - RWE mit VEW und Veba mit Viag - konnten die Börsianer nicht beeindrucken. Schließlich trugen wohl auch die Debatten um den Atomausstieg und die Einführung der Ökosteuer nicht gerade dazu bei, die Stimmung zu heben.

Eine Besserung ist nicht in Sicht. Analysten stufen die Branche neutral ein, raten zum Untergewichten oder zum Abwarten. Allenfalls für langfristig orientierte Anleger sind die Unternehmen mit ihrem hohen Substanzwert und ihrer günstigen Bewertung von Interesse. Darin sind sich die Analysten einig. Einig sind sie sich auch darin, dass der Preisverfall weitergeht, umstritten ist nur wie stark. Allerdings unterstreichen die Analysten, dass der Strompreisverfall mit dem Preiskrieg in der Telekombranche nicht verglichen werden kann. Der Preissenkungsspielraum bei Strom sei durch fixe administrative Kosten, so Jörg Natrop von der WGZ-Bank, begrenzt. Matthias Heck von Sal. Oppenheim rechnet vor, dass die Preisuntergrenze bei 23 Pfennig je Kilowattstunde liegt. Davon entfielen 19 Pfennig auf Konzessionsabgaben, Durchleitungsgebühren und Steuern. Eine Bodenbildung zur Mitte des Jahres sei daher wahrscheinlich.

Natrop ist dagegen überzeugt, dass sich der Preisrückgang erst 2001 abschwächt. Nach den erheblichen Preissenkungen für Industriekunden könnten nun auch mittelgroße gewerbliche Unternehmen und Privatkunden mit günstigeren Tarifen rechnen. Die Kostensenkungsmaßnahmen der Unternehmen könnten die Mindereinnahmen durch den Preisverfall kaum ausgleichen, so Natrop weiter. Der Gewinn im Kerngeschäft werde wohl um durchschnittlich 15 Prozent zurückgehen und damit noch stärker als im Vorjahr mit zehn Prozent. Angesichts der fortgeschrittenen Liberalisierung auf dem deutschen Strommarkt verweist Klaus Repges von der WestLB auf südeuropäische Versorgerwerte. In Spanien, Portugal oder Italien stecke die Liberalisierung noch in den Kinderschuhen. Zudem seien etwa die spanische Endesa oder die portugiesische EDP mit ihrer Internationalisierungsstrategie viel weiter als die heimischen Versorger. Doch nicht nur sinkende Preise und Gewinne, auch der Streit um den Atomausstieg dürfte die heimischen Werte weiter belasten. Je nach Szenario - Ausstieg nach 30 oder 35 Kalenderjahren - könnte der Energiekonsens die Kernenergiebetreiber zwischen 28,8 oder 16,9 Milliarden Mark kosten, erklärt Matthias Heck von Sal. Oppenheim. Er rechnet nicht mit einer Einigung zwischen Regierung und Industrie - wahrscheinlich würden sich die Kernkraftwerksbetreiber in Karlsruhe wehren.

Doch es gibt auch Lichtblicke für die Branche. Dazu zählen sicherlich die Steuerpläne der Regierung, nach denen Kapitalgesellschaften von 2001 an Unternehmensbeteiligungen steuerfrei verkaufen können. Nutznießer davon werden auch die Stromriesen sein. Bis Mitte der neunziger Jahre investierten sie ihre Monopolgewinne aus dem Stromgeschäft noch in diverse Randaktivitäten. Diese Beteiligungen können sie nun abstoßen und die Gewinne dazu nutzen, das Kerngeschäft mit der Energie zu stärken.

Vor diesem Hintergrund blühen auch weitere Übernahmephantasien. Eine europäische Fusion könnte nach Ansicht der Analysten die Kurse der Versorger beflügeln. Matthias Heck von Sal. Oppenheim sieht etwa in dem französischen Konzern Suez Lyonnaise des Eaux einen interessanten Partner für RWE.

Fantasie könnten den Versorgeraktien aber technische Innovationen geben. So erforsche RWE etwa die Möglichkeit, Telekomdienstleistungen über Stromkabel abzuwickeln. Sollte dies gelingen, könnten aus den langweiligen, stocksoliden Versorgern plötzlich Telekomwerte werden - mit der entsprechenden Bewertung an der Börse.

Stefan von Borstel

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