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Ein ukrainischer Soldat trägt Vorräte in einem Graben an der Frontlinie bei Bachmut.

© dpa/Libkos

Ukraine-Invasion Tag 454: Viele Bewohner von Bachmut haben die Hoffnung verloren

Die EU will der Ukraine 220.000 Artilleriegeschosse bereitgestellt haben, Ukrainische Kinder sollen auch nach Belarus verschleppt worden sein. Der Überblick am Abend.

Am Samstag hatte Russland die Stadt Bachmut für komplett erobert erklärt. Kiew widerspricht dem, erst am Dienstag erklärte die Vize-Verteidigungsministerin, dass die Ukrainer weiterhin Teile im Südwesten der Stadt hielten. Fest steht: Der Kampf um Bachmut ist einer der blutigsten des Krieges und dauert schon seit Monaten an. Der britische „Telegraph“ hat nun mit Menschen vor Ort gesprochen – Zivilisten wie Soldaten – und sie gefragt, wie sie diese Zeit erlebt haben. (Quelle hier).

Da ist die 35-jährige Yana Olha, die sagt, sie werde den Tag, als der Krieg nach Bachmut kam, nie vergessen. Es sei kurz vor ihrem Geburtstag gewesen. „Wir haben schon 2014 Kämpfe erlebt, aber dieses Mal war die Angst schlimmer.“

Ein Soldat, der anonym bleiben wollte, sagte wiederum, es sei eine absurde Situation gewesen, als er in der Stadt angekommen sei. „Der Feind war bereits am Rand der Stadt präsent. Viele Einwohner aber blieben und wollten ihre Häuser nicht verlassen.“ Genau wie Yana Olha, die wie viele andere sagt, dass sie nicht wisse, wo sie sonst hingehen könne. „Alle unsere Freunde waren längst weg. Wir blieben in der Hoffnung, dass unsere Stadt nicht verloren gehen würde. Wir waren dumm“, sagte sie dem „Telegraph“.

Die Sanitäterin Anastasia Schumenko war während der gesamten Schlacht um Bachmut im Einsatz. Der Kampf, so sagt sie, habe Menschen dazu gezwungen, das Leben von einem auf den anderen Moment neu zu bewerten. Das tägliche Sterben, das sieht auch Feldwebel Andrij. „Ich kann die Russen nicht verstehen, sie sehen, dass hier viele Menschen sterben“, sagte er der Zeitung. Aber sie gingen mehr und mehr in die Schlacht. „Aber auch auf unserer Seite sterben immer mehr Menschen“, Menschen ohne Kampferfahrung, die nicht töten wollten, aber es für die Freiheit tun müssten.

Während sich die Soldaten noch immer an ein bisschen Hoffnung klammern, haben viele Einwohner diese schon verloren. Denn selbst wenn die Ukrainer Bachmut halten könnten, von der Stadt selbst ist kaum noch etwas übrig (mehr dazu in unseren Leseempfehlungen). „Ich träume davon, mit meiner Schwester und ihren Kindern im Haus meiner Eltern zu Abend zu essen“, sagt auch Yana Olha. Aber das Haus sei nicht mehr da, ihre Eltern hätten alles verloren.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • BND-Präsident Bruno Kahl sieht auch 15 Monate nach Beginn des Kriegs keine Anhaltspunkte für eine Schwächung von Präsident Wladimir Putin. Man sehe keine erkennbaren Risse im System Putin, sagte er am Montag vor der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) in Berlin. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Die EU-Staaten haben der Ukraine nach Darstellung des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell 220.000 Artilleriegeschosse und 1300 Raketen bereitgestellt. Dies sei im Rahmen des ersten Teiles eines Munitionsplans erfolgt, sagt er. Mehr in unserem Newsblog.
  • Ungarns Regierungschef Viktor Orban beharrt darauf, dass die Ukraine den Krieg nicht gewinnen könne. Er sprach sich in Katar für ein Eingreifen der USA zur Beendigung des Kriegs aus und plädiert für ein neues Sicherheitsabkommen mit Russland.
  • Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs hat die EU weitere Hilfsgelder in Milliardenhöhe an die Ukraine gezahlt. Die 1,5 Milliarden Euro sind bereits die vierte Tranche der Ukraine-Hilfen, wie die EU-Kommission mitteilte.
  • Die Opposition in Belarus wirft der Regierung in Minsk vor, sich an der Verschleppung von Kindern aus der Ukraine beteiligt zu haben. Demnach sind 2150 Kinder, darunter bis zu 15 Jahre alte Waisen, in sogenannte Erholungs-Lager und Sanatorien in Belarus gebracht worden. 
  • Bundeskanzler Olaf Scholz gibt sich zuversichtlich, dass Russland den Krieg gegen die Ukraine nicht gewinnt. „Das bittere Kapitel der Geschichte unseres Kontinents ... wird damit enden, dass sich die freie Ukraine als vollwertiges Mitglied der Europäischen Union anschließt“, sagte Scholz bei der 160-Jahr-Feier der SPD. 
  • Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat die ungarische Regierung deutlich für eine Blockade weiterer Hilfen für die Ukraine kritisiert. Er sei „einigermaßen enttäuscht oder irritiert über das Verhalten der ungarischen Freunde“, sagte er in Brüssel vor einem Treffen mit seinen EU-Amtskolleginnen und -kollegen. 
  • Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew warnt den Westen erneut mit drastischen Worten vor Waffenlieferungen an die Ukraine. Je zerstörerischer die Waffen der ukrainischen Verbündeten seien, desto größer sei das Risiko einer „atomaren Apokalypse“, sagt Medwedew laut der staatlichen Nachrichtenagentur Ria.
  • Verteidigungsminister Boris Pistorius hat sich zurückhaltend zum Vorschlag einer Lieferung deutscher Marschflugkörper vom Typ Taurus an die Ukraine geäußert. Er wolle nicht auf jedes Waffensystem eingehen und auf eine hypothetische Frage eine hypothetische Antwort geben, sagte er in Brüssel. 
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist zu einem Truppenbesuch in die Ostukraine gereist. Auf seiner „Rückkehr von einer Auslandsreise“ habe Selenskyj „Frontstellungen“ der ukrainischen Streitkräfte „an der Verteidigungslinie Wuhledar-Marjinka in der Region Donezk“ besucht, erklärte das Büro des Präsidenten. 
  • Selenskyj war am Montagabend nach den Gipfeltreffen in Saudi-Arabien und Japan in sein Heimatland zurückgekehrt. Er äußerte sich zuversichtlich, dass weitere Waffen an sein Land geliefert werden. 

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