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Sport: Zwei wie zu besten Zeiten

Nicolas Kiefer und Thomas Haas stehen im Achtelfinale der Australian Open – und haben noch viel vor

Patrik Kühnen strahlte. „Das hat richtig Spaß gemacht“, sagte der Daviscup-Kapitän. Seine gute Laune war berechtigt, schließlich hatten seine beiden Spitzenspieler fast gleichzeitig das Achtelfinale der Australian Open erreicht. Zwei deutsche Herren unter den letzten 16, das gab es in Melbourne noch nie, nicht einmal zu Becker-Stich-Zeiten. Thomas Haas trat beim 4:6, 6:3, 6:4, 6:4 über den Australier Peter Luczak genauso souverän auf wie Nicolas Kiefer, der den ehemaligen Weltranglisten-Ersten Juan Carlos Ferrero aus Spanien 6:3, 6:2, 5:7, 6:2 schlug. Am Montag fordert Haas den Weltranglistenersten Roger Federer heraus, Kiefer trifft auf Juan Ignacio Chela aus Argentinien, der das Tennisland Australien mit seinem Sieg über Lleyton Hewitt in Trauerstimmung versetzte.

„Das war absolute Weltspitze“, lobte Kühnen, und damit hatte er nicht einmal übertrieben. Der ehemalige Profi lobte vor allem Haas’ Fähigkeit, sich nicht aus dem Konzept bringen zu lassen, was in der Vergangenheit oft eine Schwäche des technisch so versierten gebürtigen Hamburgers war. Kiefer war es lange Zeit nicht anders gegangen, aber jetzt, da das Ende ihrer Karrieren in Sicht ist, haben sich beide vorgenommen, vielleicht doch noch ihre Hoffnungen auf einen großen Titel zu verwirklichen. Vor allem Kiefer spielte wie zu Zeiten, als er einmal die Nummer vier der Weltrangliste war. Beständig schlugen gute Aufschläge, oft mit mehr als 200 Stundenkilometern, ins Feld seines Golfkumpels Ferrero ein, außerdem spielte Kiefer druckvoll von der Grundlinie und fand auch den Weg ans Netz, wenn sich die Gelegenheit bot. Auch der angeschlagene Knöchel des 28-Jährigen war kaum noch ein Thema. Er habe sich lieber auf sein Spiel als auf den Schmerz konzentriert, berichtete Kiefer.

Der Niedersachse durfte zudem ein für den weiteren Turnierverlauf nicht ganz unwichtiges Privileg in Anspruch nehmen: Genau wie der in Sarasota (USA) lebende Haas spielte er unter geschlossenem Hallendach. Am Nachmittag erreichten die Temperaturen im australischen Hochsommer 38 Grad, so dass nach den geltenden Hitzeregeln des Turniers die Matches auf den Außenplätzen abgesagt wurden und die auf den beiden Hauptplätzen unter den Schiebedächern und bei eingeschalteter Klimaanlage stattfanden. Nicht weit von Melbourne lodern schon wieder gefährliche Buschbrände, am Sonntag sollen die Temperaturen sogar auf 43 Grad steigen. Die Spieler und Spielerinnen, die ihre Matches noch unter freiem Himmel in der glühenden Sonne bestreiten mussten, waren zu bedauern. Die Holländerin Michaella Krajicek musste wegen totaler Erschöpfung, Schwindelanfällen und Magenkrämpfen sogar aufgeben. „Brutal langsam“ sei der Platz gewesen, erläuterte Kiefer den einzigen Nachteil des Spiels unter geschlossenem Hallendach.

Er wisse nicht einmal, wie lange es her sei, dass er so weit in Australien gekommen sei, sagte Kiefer. Zur seiner Erinnerung: Im Jahr 2000 erreichte er das Viertelfinale. Thomas Haas’ große Taten in Melbourne liegen nicht ganz so weit zurück. Der inzwischen 27-Jährige spielte sich 2002 wie schon drei Jahre zuvor ins Halbfinale. Um noch einmal so weit zu kommen, bedürfte es allerdings einer Sensation, schließlich hat Roger Federer im vergangenen Jahr nur vier Matches verloren.

Dennoch sieht Daviscup-Teamchef Kühnen eine Chance für Haas, wenn dieser wieder so Tennis spiele wie gegen Luczak, der weit über sich hinaus gewachsen und lange Zeit ein gefährlicher Gegner war und zudem noch frenetisch von seinen Landsleuten angefeuert wurde. „Roger ist klarer Favorit, darüber braucht man nicht zu reden“, sagte Kühnen. „Aber Tommy geht als Herausforderer in den Ring, und das ist eine gute Position.“

Tatsächlich scheint Haas’ Zusammenarbeit mit seinem Trainer Thomas Hogstedt, der vorher Kiefer betreut hatte, schon Früchte zu tragen. Am Sonntag wolle er „mal überlegen, was ich machen kann“, sagte Haas. „Ich werde versuchen, alles dagegenzuhalten, damit ich Roger rausnehme.“ Geübt hat Haas in diesem Jahr gegen den besten Spieler der Welt schon genug. In Doha unterlag er Federer im Halbfinale („Da habe ich Chancen gehabt“), beim Einladungsturnier im Melbourner Stadtteil Kooyong konnte er den Schweizer sogar schlagen. „Das hat mich zwar gefreut, aber ich würde lieber bei einem richtigen Turnier gegen ihn gewinnen“, sagte Haas. Am Montag hat er nun die Möglichkeit dazu.

Alexander Hofmann[Melbourne]

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