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Sport: Sprung nach vorn

Maria Riesch gewinnt nach einem Jahr wieder ein Weltcuprennen und hat Chancen auf den Gesamtsieg

Maria Riesch wollte ihre Hand nicht aufs Herz legen, nein, sie wollte einfach nicht. Jetzt mach halt schon, bitte, signalisierte ihre Mutter, und dann, als die Nationalhymne begann, verzog Maria Riesch kurz den Mund, also gut, und dann legte sie ihre Hand an die Brust. Sie blickte zur deutschen Flagge, ein paar Mal schloss sie die Augen kurz. Maria Riesch aus Garmisch-Partenkirchen, hatte beim Super-G in Cortina d’Ampezzo soeben ihr erstes Weltcuprennen in dieser Saison gewonnen. Und jetzt stand die 23-Jährige auf dem Siegerpodest, und Monika Riesch, die Mutter, stand ein paar Meter davor in der Menge, legte ihren Kopf für einen Moment auf die Schulter ihres Mannes Sigi und weinte vor Freude. So ist das bei den Rieschs: Wenn Maria gewinnt, gewinnen sie alle.

„Wir freuen uns wahnsinnig“, sagt Monika Riesch, „ja, wir freuen uns wirklich.“ Die Rieschs mussten lange zittern, bis sie sich wahnsinnig freuen durften: Maria Riesch war als Zehnte ins Rennen gestartet, und als sie im Ziel war, „da dachte ich, für die Top Ten wird’s schon reichen“, erzählte sie später. Maria Riesch stieg auf das Podest für den Führenden, blickte besorgt zur Leinwand – und sah dort, wie eine nach der anderen später ins Ziel kam als sie. Als es geschafft war, durfte sie sich auch noch das rote Trikot der Disziplinführenden im Weltcup überstreifen. Und dann lachte sie, erleichtert, entspannt.

Es ist schon eine Weile her, als sie das letzte Mal ganz oben auf dem Podest stehen durfte: Vor mehr als einem Jahr, am 1. Dezember 2006, hatte Maria Riesch ihr bislang letztes Weltcuprennen gewonnen. Dabei ist sie doch nicht irgendeine Fahrerin: Sie ist die derzeit mit Abstand beste deutsche Skirennläuferin, und sie ist in dieser Saison sogar eine Anwärterin auf den Sieg im Gesamtweltcup. Auf Letzteres wurde sie oft angesprochen in den vergangenen Wochen, Maria Riesch hat das aber nicht gefreut, sondern eher genervt.

Sie wollte nichts hören von den vielen Erwartungen an sie. „Der Gesamtweltcup ist doch noch so weit weg“, hat sie immer gesagt. Als sie am Sonntag beim ersten Super-G in Cortina nur 18. geworden war, da wirkte sie fast erleichtert, „dass mich jetzt niemand mehr auf dieses Gesamtweltcup-Thema anspricht“. Mit ihrem Sieg am Montag hat sich das wieder schlagartig geändert: Weil Nicole Hosp, die Führende, ausschied und Lindsay Vonn, die Gesamtzweite, bei dem Rennen nur Platz vier belegte, hat Maria Riesch nun nur noch 46 Punkte Rückstand auf den ersten Platz. Inzwischen freundet sie sich mit dem größeren Ziel an, etwa wenn sie sagt: „Nur wenn man den richtigen Siegeswillen hat, kann man es auch wirklich durchziehen.“ Andere sind da zurückhaltender. Dass das Gerede jetzt wieder losgeht, das, sagt Cheftrainer Mathias Berthold, „is’ mir wurscht“.

Ob das wirklich so ist, ist allerdings schwer zu sagen: Ein bisschen zumindest dürfte sich Berthold schon sorgen, dass der Erfolg die Form seiner besten Athletin beeinträchtigt. Wenngleich es Maria Riesch nicht unbedingt an Selbstvertrauen mangelt. „Ich bin in einer guten Form“, stellt sie fest. Dass sie die gute Form nun beim letzten von drei Renntagen in Cortina d’Ampezzo bewies, passt ganz gut: In Cortina hatte sie sich im Januar 2005 das erste Mal das Kreuzband gerissen. Weil sie ein paar Monate später auch den zweiten Kreuzbandriss erlitt, war schon zu befürchten, dass das aktuell größte deutsche Talent im alpinen Skisport ihre Zukunft zerstört, bevor sie richtig begonnen hat. Dann kam das Comeback, viele mäßige Rennen – und Cortina d’Ampezzo 2007: Da wurde sie 14. im Super-G, „das war nicht megamäßig“, sagt sie, „aber es war der Wendepunkt.“

In Cortina 2008, so scheint es, hat sie die Wende nun endgültig vollzogen.

Korbinian Still[Cortina d\'Ampezzo]

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