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Bundesliga-Rückrunde: Mut zur Ruhe

Trainer Frontzeck hat sich in Bielefeld behauptet.

Berlin - Nach einem Jahr im Ostwestfälischen hat sich der Rheinländer Michael Frontzeck mit den örtlichen Begebenheiten weitgehend arrangiert. Er sagt, dass er sich in Bielefeld sehr wohl fühle, trotzdem fehlt ihm manchmal noch das richtige Gespür für die Ostwestfalen. Es war im November, nach einer 0:2-Niederlage gegen Mönchengladbach, als Frontzeck offensichtlich Gespenster hörte. Die Stimmung der Arminia-Fans war schon während des Spiels feindselig gewesen, und bei der Pressekonferenz redete sich der Bielefelder Trainer regelrecht in Rage. „Wenn wir jetzt das Fenster öffnen, hören wir, wie die Fans meinen Kopf fordern“, sagte Frontzeck. „Na los, machen Sie schon auf!“ Ein Fotograf öffnete das Fenster. Man hörte – nichts.

Dass Michael Frontzeck die Gegebenheiten falsch einschätzt, passiert ihm selten. Der 44-Jährige ist ein realistischer Mensch. Deswegen haben ihn die anfänglichen Vorbehalte in Bielefeld nicht überrascht. Der neue Trainer hatte noch nicht seine Arbeit aufgenommen, da hatte sich die öffentliche Meinung schon gegen ihn verfestigt. „Frontzeck? Referenz: Abstieg!!!“, war auf einem Banner im Stadion zu lesen. Eine Anspielung auf seine erste Station bei Alemannia Aachen, die mit dem Abstieg endete. „Es war nicht immer einfach für ihn“, sagt Mittelfeldspieler Thorben Marx. Das ist leicht untertrieben. Frontzecks Tätigkeit bei Arminia begann vor exakt einem Jahr mit dem Pokal-Aus gegen den Zweitligaletzten Jena, es folgten vier Niederlagen in der Bundesliga. „Da hätte es jeder Trainer schwer gehabt“, sagt Christian Venghaus, Fanbeauftragter des Vereins. „Aber das hat sich relativ schnell zum Positiven entwickelt.“ Frontzeck hat Fanklubs besucht, mit den Anhängern diskutiert und dabei offensichtlich einen vernünftigen Eindruck hinterlassen. „Ich habe ihn als ehrlichen und authentischen Menschen kennen gelernt“, sagt Venghaus.

Derzeit verhandelt die Arminia über eine Vertragsverlängerung mit ihrem Trainer. Bis zum Rückrundenstart soll die Angelegenheit erledigt sein. Frontzeck hat sich in einem schwierigen Umfeld behauptet, er hat auch in kritischen Situationen die Ruhe bewahrt. „Er ist immer total cool geblieben“, sagt Thorben Marx. „Und er tut nicht so, als ob er der Größte wäre.“

Mit seiner nüchternen Art, seiner ironischen Distanz zu den Überdrehtheiten des Profifußballs passt Frontzeck eigentlich perfekt nach Bielefeld. „Ich träume nicht von großen Klubs“, sagt er. Dass Frontzeck, der Nationalspieler war und Deutscher Meister mit Stuttgart, für einen Verein arbeitet, der vor jeder Saison aufs Neue als natürlicher Absteiger gilt, kratzt nicht an seinem Ego. „Daraus kann man eine gewisse Strategie entwickeln“, sagt Frontzeck. „Ich nutze das, auch im Umgang mit der Mannschaft.“ Und die Widerstände gegen seine Person als zusätzlicher Ansporn? „Zumindest knick ich nicht ein.“

Von seiner Gelassenheit und Ruhe hat die Mannschaft profitiert. In der vorigen Saison sicherte sie sich am letzten Spieltag den Verbleib in der Bundesliga. Referenz: Klassenerhalt. „Ich bin weit davon entfernt, mich als der Retter hinzustellen“, sagt Michael Frontzeck. „Das wäre absoluter Humbug.“ Stefan Hermanns

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