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Vornesitzer.

© dapd

Sport: Glatte Rekorde

Rodel-Olympiasieger Felix Loch erzählt, warum er immer schneller wird – vor allem liegt das am Eis

Schatten beim Abfahrtslauf, Wind beim Skispringen, Kaltluft beim Eisschnelllaufen – der Wintersport findet in der Natur statt und ist damit auch ihren Elementen ausgeliefert. In unserer Serie spüren wir diesen Elementen des Winters nach und beschreiben, wie sie sich auf den Sport auswirken. Heute, Teil vier: der Rodel-Olympiasieger Felix Loch über Eis.

Meine Wohlfühltemperatur liegt bei minus fünf bis minus zehn Grad. In diesem Bereich haben wir Rodler am meisten Spaß – da ist die Bahn am schönsten, da ist das Eis am besten. Es glänzt dann sogar richtig, das gefällt mir. Überhaupt spielt die Beschaffenheit des Untergrunds in unserem Sport ja eine besondere Rolle.

Eine Rodelbahn muss man sich vorstellen wie eine große, lange, zugefrorene Pfütze, die komplett eben ist. Vielleicht kann man es am ehesten mit Glatt- oder Blitzeis auf der Straße vergleichen. Jedenfalls kann man in einer kalten Bahn gar nicht stehen, wenn man nicht gerade Spikes an den Schuhen hat. Auch mit dem Schlitten können wir schnell ausrutschen, da er nur dünne Kanten hat. Trotzdem gestaltet sich das Rodeln für uns am besten, wenn es sehr, sehr glatt und hart ist; wenn die Bahn keine einzige Unebenheit hat – das ist auch der Normalfall.

Viel hängt zudem von den Außentemperaturen ab. Wenn es zu warm ist, wird eine Bahn zwar gekühlt, allerdings hat das Eis manchmal trotzdem nur um die minus ein Grad. Dann kann sich ganz schnell eine leichte Reifschicht bilden, wodurch sich zwar Fahrfehler leichter korrigieren lassen, weil die Kanten im weichen Eis besser stehen. Andererseits haben die hinteren Starter bei einem Rennen dann meistens schlechtere Bedingungen als die vorderen. Wenn hingegen gutes – in unserem Fall kälteres – Wetter ist, bleibt die Bahn für alle 32 Starter, die wir meist im Weltcup sind, gleich. Bei gutem Wetter lässt sich Neuschnee, der auf die Bahn fällt, komplett wegschieben, weil er ganz locker draufliegt und keinen Halt hat.

Das kälteste Eis ist mir bisher in Calgary untergekommen. Dort herrschten Temperaturen von minus 25 Grad. Spaß macht das Rodeln dann nicht mehr wirklich, schließlich wird’s einem in dem dünnen Anzug richtig kalt. Da will man dann nur flugs runterfahren – und geht unten sofort wieder ins warme Haus. Eigentlich ist das kaum auszuhalten. Fasziniert bin ich trotzdem immer wieder von dem Sport. Es ist doch unglaublich, wie viel ein bisschen Wasser ausmachen kann. Vor jedem Wettkampf und jedem Training wird Wasser auf die Bahnen gesprüht, so dass ein kleiner Film entsteht, was noch einmal schnellere Fahrten ermöglicht. Manchmal wird man dadurch um eine halbe Sekunde schneller.

Bevor es jedoch überhaupt dazu kommen kann, müssen die Rodelbahnen erst einmal hergerichtet werden. Im Sommer sind die meisten Bahnen ja nur Betonröhren; meist im Oktober wird dann Wasser daraufgespritzt. Die Maschinen, mit denen das Eis präpariert wird, kann man sich wie eine Art Hobel vorstellen, wie einen Käsehobel. Der wird dann übers Eis gezogen, er hat verschiedene Breiten und verschiedene Tiefen. Manchmal passiert es, dass sich die Unebenheiten des Betons aufs Eis übertragen, das gleicht sich dann aber nach einigen Wochen, in denen die Bahn jeden Tag bearbeitet wird, aus. Man sieht schon: Das Ganze geht nicht von heute auf morgen, es ist vielmehr ein Prozess, der sich über drei, vier, fünf Wochen hinzieht. Am Ende sollte eine Bahn dann von oben bis unten richtig glatt sein. Und ein paar Wochen nachdem sie neu eingeeist worden ist, fährt sie sich am besten.

Etwas anderes sind im Vergleich zu diesen Kunsteisbahnen die Natureisbahnen, zum Beispiel die in St. Moritz. Natureisbahnen sind stärker von der Witterung abhängig. Ansonsten sind die Unterschiede nicht so groß. Für beide gilt, dass sie immer glatter werden; die Bahnarbeiter arbeiten immer professioneller, und auch die Maschinen, mit denen sie das Eis bearbeiten, werden immer besser. So geht es von Jahr zu Jahr immer ein Stück voran. Deswegen kann man beinahe jede Saison einen neuen Bahnrekord erwarten. Wir selbst lernen über die Jahre, mit den verschiedensten Bedingungen umzugehen – und unsere Schlitten dementsprechend einzustellen. Es ist klingt komisch, aber es ist tatsächlich so: Je länger man rodelt, desto besser wird man.

Aufgezeichnet von Katrin Schulze. Bisher erschienen: Jenny Wolf über Kaltluft im Eisschnelllauf (10.1), Simon Stickl über Untergrund beim Skicross (12.1.), Gina Stechert über Licht beim Skirennfahren (19.1.).

Felix Loch

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