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Sport: Fußball-WM 2006: Deutschland baut für die Welt

2004 ist das wichtigste Jahr für die Vorbereitung auf das Turnier: Von den zwölf Stadien werden die meisten schon fertig

Franz Beckenbauer will der Welt bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 zeigen, wie schön Deutschland ist. Damit muss er nicht noch 900 Te warten, bis in Berlin die Eröffnungsparty stattfindet. Denn schon in diesem Jahr werden viele WM-Stadien fertig oder gehen in die wichtigste Bauphase. Um aus Deutschland eine blühende Stadionlandschaft zu machen, werden mehr als 1,5 Milliarden Euro investiert, in Verkehrsprojekte sogar noch mehr. Die Fußballarchitektur wird von Bund, Ländern, Vereinen und Unternehmen finanziert. Die Fußball-WM wird zur großen Gemeinschaftsaufgabe, weil sie nicht nur ein sportliches Turnier ist. Sie ist Werbung für Deutschland. Die Stadien stehen dabei im Mittelpunkt, und 2004 ist das entscheidende Vorbereitungsjahr. AG

MÜNCHEN

Das Extravagante

Die gelben Zettel mit der Telefonnummer der Münchner Stadtwerke kleben an den Straßenlaternen des Olympiaparks. „Bei Anruf – Licht“, steht da. So will München dafür sorgen, dass kaputte Laternen schnell repariert werden und das Gelände schön beleuchtet ist. Wenigstens das; denn allzu viel wird 2005 im Olympiastadion nicht mehr los sein. Dann ziehen der FC Bayern und der TSV 1860 an den Stadtrand in die Allianz Arena. Ein Nachmittag in Fröttmaning, an der A 9. Kalter Wind saust über die Baustelle, Lkws donnern vorbei, an den Kränen hängen Betonfertigteile. Seit etwas mehr als einem Jahr wird dort gebaut. Die Tribünen mit ihren drei Stockwerken stehen, die ersten Dachträger sind schon zu erkennen. Schön schnell also wird das Münchner Stadion gebaut, in dem das Eröffnungsspiel der WM stattfinden wird. Aber es ist auch schön teuer: 300 Millionen Euro investieren die beiden Vereine. Weitere 100 Millionen Euro steckt die Stadt in die Infrastruktur. München hat sich für das Extravagante entschieden. Schon die Außenfassade: mal blaues, mal rotes, mal blinkendes, mal starres Licht. Je nachdem, wie die transparenten Luftkissen erleuchtet werden. Während der Weltmeisterschaft ist das Stadion neutral, sowohl vom Namen („Stadion München“) als auch von der Farbe her (Weiß). 66 000 Zuschauer finden hier Platz. Für ihre Autos hat München auch ein Parkhaus der Superlative gebaut. Es besteht aus vier Stockwerken, bietet 10 000 Stellplätze und ist damit das größte Europas. Zur Eröffnung des Stadions im Sommer 2005 spielen die Roten (Bayern) gegen die Blauen (TSV 1860). Was aus dem Olympiastadion wird, ist dagegen noch ungewiss. Es gibt viele kleine Ideen, aber noch kein langfristiges Konzept. Der Letzte macht das Licht aus.

LEIPZIG

Das Gelungene

Leipzig hat in den vergangenen Monaten mit seiner Olympiabewerbung wenige gute und weit mehr unangenehme Nachrichten produziert. Das neue Zentralstadion kommt den Leipzigern als Beruhigungsmittel gerade recht. Allein die Architektur ist überaus gelungen. Das Stadion ist eingebettet in den alten Kessel des riesigen alten Zentralstadions. Um jetzt auf die Tribünen zu gelangen, laufen die 43 000 Zuschauer über insgesamt 18 Brücken. Die Fans von Sachsen Leipzig werden die Ersten sein, die die fertigen Tribünen bevölkern. Der Klub aus der Regionalliga trägt von März an dort seine Heimspiele aus – das erste gegen die Amateure von Borussia Dortmund. Sachsen Leipzig steckt zwar im Abstiegskampf, langfristig will der Klub aber mindestens in die Zweite Liga aufsteigen. Planung und Realität klaffen jedoch auch bei den Kosten für das Stadion auseinander: Das Stadion kostet den Steuerzahler nämlich immer mehr Geld, berichtet die „Leipziger Volkszeitung“. Die Kosten sollen noch einmal um 10 auf 100 Millionen Euro angestiegen sein, sagen Insider. Wie nun die Mehrkosten aufgeteilt werden, ist fraglich. Auch wo die Autos parken sollen, ist noch nicht geklärt: Das Areal ist zwar gefunden, dafür müsste aber eine Brücke gebaut werden. Die würde jedoch über die Regattastrecke für Olympia 2012 führen. Immerhin stehen schon zwei Termine im Veranstaltungskalender der Betreiber: Phil Collins wird im Juni ein Konzert geben, und im Herbst spielt die Fußball-Nationalmannschaft gegen Kamerun. Auch der Rasen ist inzwischen ausgelegt.

DORTMUND

Das Billige

In der Bundesliga hat Borussia Dortmund das größte Stadion mit 83 000 Plätzen, aber nur, weil die Fans auf der Südtribüne stehen dürfen. Bei der WM ist Stehen verboten, die Kapazität sinkt dann auf 66 000 Sitzplätze. Das größte Stadion steht somit in Berlin. In Dortmund sind die Arbeiten beendet, seitdem im vergangenen Jahr die Ecken des Stadions geschlossen wurden. Die Investitionen reduzieren sich daher bis zur WM auf wenige Millionen Euro, um die ohnehin gute Infrastruktur des Westfalenstadions noch einmal zu verbessern.

BERLIN

Das Große

Noch neun Heimspiele, dann ist auch das Berliner Olympiastadion bereit für die WM: Am 30. Juni sind die Arbeiten nach vier Jahren abgeschlossen. Die Haupttribüne nimmt immer mehr Konturen an, in der kommenden Saison kann sie besetzt werden, und auch das Dach ist dann fertig. Ein Problem gibt es dennoch: 1000 der 76 000 Plätze werden erst von November an überdacht sein. Betroffen sind die Zuschauer in den beiden Blöcken neben dem Marathontor. Das liegt daran, dass zunächst die Überlegung bestand, das Dach dort komplett zu schließen. Das traf jedoch beim Denkmalschutz auf Widerstand, weil dann die Sichtachse zum Glockenturm gebrochen würde. Die Kosten halten sich in Berlin offiziell in Grenzen: Der Kostenvoranschlag lag zunächst bei 300 Millionen Euro, dann bei 242 Millionen. Teurer als geplant wird das Stadion auf jeden Fall. Allein 6,5 Millionen Euro hat es gekostet, den Krebs erregenden Stoff PCB zu beseitigen, der bei den Bauarbeiten gefunden wurde. Außerdem musste der Rasen vor einem Jahr ausgetauscht werden. Wer die Kosten dafür trägt, ist unklar. Um eine andere Summe in Millionenhöhe geht es Anfang des Jahres: Dann beraten Senat und die Walter Bau AG über die Investitionen in das neue Ticket-System, das die Fifa vorschreibt.

FRANKFURT (MAIN)

Das Innovative

Im August sah das Frankfurter Waldstadion so aus: Hinter dem einen Tor standen die Eintracht-Fans, hinter dem anderen die des Gästeklubs. Dazwischen war nicht viel mehr zu sehen als Kräne, Sandberge und die Skyline des Bankenviertels. Die wuchtigen Tribünen wurden gesprengt. Ein halbes Jahr später sieht das Stadion nun so aus: An allen Kanten des Spielfeldes ragen die neuen, steilen Tribünen in die Höhe. Zwischen die dunklen Sitzschalen wurden einige weiße geschraubt, so dass jetzt als Muster der Adler der Stadt Frankfurt zu erkennen ist. Im Sommer werden die letzten Stahlseile wie ein Spinnennetz über das Stadion gelegt, in der Mitte hängt dann ein Videowürfel, der so groß ist wie ein Einfamilienhaus. In seinem Inneren befindet sich eine Folie, die innerhalb von 20 Minuten ausgezogen werden kann und das Spielfeld vor Regen schützt. Doch bei aller technischer Perfektion ist da noch die Sache mit der Finanzierung. Im September fehlten 86 Millionen des 126-Millionen-Projekts. Diese Summe sollten die neuen Betreiber und Vermarkter übernehmen, doch es wurden keine gefunden. Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth kam schließlich auf die Idee, dass die Gemeinden des Rhein-Main-Gebiets zehn Prozent übernehmen sollten. Der Vorschlag wurde abgelehnt. Im Dezember war endlich die Lösung gefunden. Ein Konsortium aus dem Vermarkter Sportfive und dem Gebäudemanagement HSG sagte zu, der Vertrag soll bis April ausgearbeitet werden. Das neue Waldstadion für 52 000 Fans, darunter 8000 Stehplätze, wird im Sommer 2005 fertig sein. Der Ärger ist aber noch nicht ausgestanden: Die neuen Betreiber zahlen weniger als geplant. Die Stadt soll deshalb ihre Investitionen von 64 Millionen Euro um 28 Millionen aufgestockt haben, das Land Hessen zahlt weitere 20 Millionen.

HAMBURG

Das Beste

Die AOL-Arena war das erste Stadion, das für die WM 2006 umgebaut wurde. Wobei „Neubau“ wohl eher passt: Das Spielfeld des alten Volksparkstadions wurde um 90 Grad gedreht, die Tribünen wurden komplett neu errichtet. Seit drei Jahren ist das Stadion samt Außenanlagen fertig. Eigentlich hätte das schon früher geschehen sollen, doch interne Veränderungen verzögerten die Bauarbeiten, die Kosten stiegen dadurch an. Anfangs waren 80 Millionen Euro veranschlagt, am Ende wurden daraus 97 Millionen. Doch das Geld hat sich gelohnt: In der Branche gilt das Stadion als das beste Deutschlands. Nur ein Problem gibt es: Weil der Rasen zu wenig Sonne sieht, muss er in einer Saison bis zu viermal ausgetauscht werden, das nächste Mal im Januar. Bei einem der vergangenen Spiele des Hamburger SV waren zudem große Pfützen im Stadion zu sehen. Ist das Dach also schon durchlässig? Nein, beruhigten die Veranstalter, das war der Wind. Hamburger Wetter eben.

GELSENKIRCHEN

Das Aufwändige

Verstehen wollen sie in Gelsenkirchen immer noch nicht, dass das WM-Spiel um Platz drei nicht in der Arena Auf Schalke, sondern in Stuttgart ausgetragen wird. 3000 Plätze sollen den Ausschlag gegeben haben – und nicht etwa der Einfluss des schwäbischen DFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder. Jedenfalls ist die Arena fertig. Mit Kapelle und „Schublade“. So nennt die „Bild“-Zeitung die Betonschale, in der der Rasen ins Freie geschoben wird. Der Vorgang dauert vier Stunden und kostet jedes Mal 13 000 Euro an Stromkosten. Immerhin ist der Rasen – im Gegensatz zu Hamburg – gesund. Die kurzfristigen Investitionen vor der WM sind Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur.

KÖLN

Das Klassische

Noch vier Wochen, dann wird in Müngersdorf ein Klassiker angepfiffen. Der 1. FC Köln empfängt Borussia Mönchengladbach. Kann es ein schöneres Spiel geben für das Stadion, das an diesem Tag so gut wie fertig sein wird? Derzeit werden die letzten roten und weißen Sitze auf der Osttribüne angeschraubt, gegen Gladbach bietet das Stadion dann erstmals 51 000 Besuchern Platz. Die Tribünen sind steil, die Akustik hervorragend. Deshalb ist auch der Vorsatz des Kölner Oberbürgermeisters Fritz Schramma zu verzeihen, der hoffte, dass die Kosten die „200-Millionen-Mark-Grenze“ nicht überschreiten. Nun sind es 118 Millionen Euro geworden. Aber dafür ist das Stadion wohl früher fertig als geplant. Die ersten Termine stehen fest: Im März spielt die Fußball-Nationalmannschaft gegen Belgien; kurz danach gibt das Footballteam der „Cologne Centurions“ seinen Einstand. Und wenn der FC absteigen sollte? Eine gute Nachricht gibt es für die Spieler: Bis Dezember mussten sie sich in den Kabinen am Marathontor umziehen, da konnten die Fans zehn Meter daneben stehen und den Profis laut die Meinung sagen. Jetzt befinden sich die Kabinen im Bauch der Haupttribüne. Zutritt – unmöglich.

KAISERSLAUTERN

Das Langsame

Vom Bahnhof ist das Fritz-Walter-Stadion nicht zu übersehen, von der Innenstadt aus auch nicht. Das liegt daran, dass Kaiserslautern erstens recht übersichtlich ist und zweitens das Stadion auf einen Berg gebaut wurde. Das war es aber auch mit der Überschaubarkeit. Die Finanzierung des 48-Millionen-Euro-Projekts durchschauen nur Insider. Mal wurde gar nicht gebaut, weil das Unternehmen Philipp Holzmann pleite ging, mal waren die Arbeiten drei, dann vier und mittlerweile sechs Monate im Verzug. Zu der Pleite von Holzmann kam die Fast-Pleite des 1. FC Kaiserslautern hinzu. Weil der Klub hoch verschuldet ist, musste das Stadion für 57 Millionen Euro an eine Betreiber-Gesellschaft verkauft werden. Nun belastet die Modernisierung die öffentlichen Kassen, weil die Betreiberfirma eine 100-prozentige Tochter der Stadt ist. Dabei zahlt die zusammen mit dem Land ohnehin schon 29 Millionen Euro. Und es werden wohl noch mehr werden: Ende des Monats erwartet die Stadt eine Kostenprognose. Wenigstens geht es jetzt wieder auf der Baustelle voran: Im Februar wird die Osttribüne eröffnet, und wenn die Arbeiten auf der Westtribüne beendet sind, werden im Stadion 48 500 Zuschauer Platz finden. Was bleibt: Das Stadion hat an Charme verloren. Nicht einmal die so viele Kilometer weit sichtbaren Flutlichter gibt es mehr.

HANNOVER

Das Schnelle

Ein Abend im Dezember. Im Niedersachsenstadion, das seit eineinhalb Jahren den Namen AWD-Arena trägt, spielt Hannover 96 gegen Bochum. In der Fankurve hängt ein langes Plakat: „Vorwärts Hannover!“ Die Bitte ist so zu verstehen: An diesem Abend war mit einer Kapazität von 21 000 Zuschauern der absolute Tiefpunkt erreicht. Jetzt kann es nur noch aufwärts gehen. Im Februar werden neue Tribünen geöffnet, die Kapazität steigt und steigt. Im Sommer wird der Rasen dann vier Meter an die alte, flache Westtribüne rücken, damit die Zuschauer besser sehen und die Arbeiten an der Osttribüne abgeschlossen werden können. Bis November werden dann die Stahlseile verknüpft, damit das Dach frei schweben kann. Hannover könnte vielleicht sogar eine Punktlandung erreichen, und Zeitplan und Budget einhalten – mit nur 21 Monaten Bauzeit. Etwas anderes bleibt den Niedersachsen aber auch nicht übrig. Die Bitte der Fans kann man nämlich auch so verstehen: Ihr Klub muss für das neue Stadion jährlich 5,5 Millionen Euro zurückzahlen – und das 27 Jahre lang. Was es bedeuten würde, wenn es für Hannover nicht vorwärts, sondern abwärts geht, kann sich jeder denken. Immerhin: Die 30 Logen sind verkauft. Das bringt dem Klub 1,5 Millionen Euro ein.

STUTTGART

Das Heiße

Als im Gottlieb-Daimler-Stadion im Sommer der VfB Stuttgart gegen Hertha BSC antrat, wurde genau nachgemessen: 40 Grad im Schatten. Die Stadt liegt in einem Kessel, umgeben von Hügeln. Da steht die Luft, da weht kein Wind. Wie von der Hitze lethargisch geworden, verhielt sich auch die Stadt in Sachen Stadionausbau. Erst vor wenigen Wochen wurde die entscheidende Genehmigung erteilt. Die Arbeiten beginnen dafür um so schneller: Ende Januar. Für 55 Millionen Euro wird die Gegentribüne durch eine neue ersetzt. Dort entsteht im zweiten Rang eine Ebene mit 2200 teuren Plätzen. 15 Millionen Euro zahlt das Land Baden-Württemberg, den Großteil trägt die Stadt. In Stuttgart wird schließlich das WM-Spiel um Platz drei angepfiffen.

NÜRNBERG

Das Kleine

Da es in Nürnberg nicht nur Begeisterung gab wegen der Investitionen in das Frankenstadion, muss Oberbürgermeister Ulrich Maly die Ausbaupläne immer wieder verteidigen. Keine Hochglanzkampagne könne den weltweiten Werbewert für die Stadt ersetzen. Und da die WM wichtiger ist als ein großes Musikfestival, muss „Rock im Park“ schon in diesem Jahr umziehen. Weil der Stadionrasen in der Sommerpause um 1,30 Meter abgesenkt wird, spielen Bands wie Red Hot Chili Peppers nebenan auf dem Zeppelinfeld. Im November gab Ministerpräsident Edmund Stoiber den Startschuss für den Ausbau. Seitdem wird hinter der Haupttribüne ein Gebäude aus Glas hochgezogen, das bei der WM der Fifa als Büro dienen wird. Im Stadion wird an den Rängen neben der Haupttribüne gearbeitet: Das Dach fehlt, weil die Blöcke aufgestockt werden. Bei der WM passen 45 000 Zuschauer hinein: Die Kosten betragen 60 Millionen Euro, die Hälfte zahlt das Land Bayern. André Görke

AG

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