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Günter Hirsch

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Günter Hirsch: Ein Schlichter richtet über die Fifa

Aus Protest gegen mangelnde Ethik ist Günter Hirsch am Wochenende aus der Ethikkommission der Fifa zurückgetreten. Der ehemalige Präsident des Bundesgerichtshofs protestiert damit auch gegen die Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 an Russland und Katar.

Berlin - Ein Amt hat Günter Hirsch noch inne. Der ehemalige Präsident des Bundesgerichtshofes verbrachte den Montag in seinem Berliner Büro und ging seiner Aufgabe als Versicherungsombudsmann nach. In dieser Funktion soll der 67-Jährige eigentlich Streitfälle zwischen Verbrauchern und Versicherungen schlichten. Gestern allerdings bestürmte ihn die Öffentlichkeit, zur Klärung einer anderen Auseinandersetzung beizutragen, die er selbst ausgelöst hatte. Begleitet von einem geharnischten Brief war Hirsch am Wochenende aus der Ethikkommission des Fußball-Weltverbandes Fifa ausgetreten. Darin hatte er die sowieso schon umstrittene Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 an Russland und Katar kritisiert und der Fifa „kein wirkliches Interesse“ zugebilligt, sich an ethische Regeln zu halten.

Die ramponierte Glaubwürdigkeit des Verbandes ist damit eines weiteren letzten Restes beraubt worden. Schon vor der Vergabe hatten Korruptionsfälle die von Präsident Joseph Blatter in Gutsherrenmanier geführte Zentrale in Zürich erschüttert. Zwei Mitglieder der Fifa-Exekutive hatten sich gegenüber verdeckt ermittelnden Reportern dazu hinreißen lassen, ihre Stimme gegen Schmiergelder anzubieten. Ihre Strafe bestand dann lediglich darin, dass sie an der Abstimmung nicht teilnehmen durften. Das würde „der Schwere der Verstöße nicht gerecht“, ließ Jurist Hirsch in einem Brief an die Fifa wissen, aus dem die Deutsche Presse-Agentur zitierte. Auf Nachfragen wollte er sich am Montag nicht weitergehend äußern. Die Fifa bestätigte immerhin den Eingang des Schreibens. Ansonsten hält auch sie ihr Schweigen aufrecht, das sie seit Wochen über die von Korruptionsvorwürfen begleitete WM-Vergabe zu legen versucht.

Trotzdem fällt auf, dass nicht mehr nur die Exekutive das Problem der Fifa ist, sondern sogar die Ethikkommission. Deren Mitglieder, die die Exekutive doch kontrollieren sollen, werden von genau jener berufen und dürfen nur Untersuchungen im Auftrag der Fifa anstellen. Blatter hatte während der WM 2006 noch als Erfolg verkaufen wollen, dass die Mitglieder der Ethikkommission fortan nicht mehr deckungsgleich mit jenen der Exekutive sein durften. „Immerhin richtet die Regierung nicht mehr über eigene Leute“, hatte Blatter im Tagesspiegel-Interview verkündet. Dass das aber für Transparenz längst nicht ausreichend ist, bemängelt nicht nur Hirsch in seinem Brief. Er sieht die Grundkonstruktion des Kontrollgremiums schlicht als „verfehlt“ an. Unabhängig ist sie jedenfalls nicht.

Die Nervosität in der Fifa-Zentrale angesichts der massiven internationalen Kritik nach der Vergabe an Katar ist kaum noch zu übersehen. Dass ein renommierter Vertreter wie Franz Beckenbauer keine Lust mehr auf Aufgaben in der Fifa-Exekutive hat, wird in Zürich ebenso als Alarmsignal gewertet wie die vor allem aus Europa vorgetragene Kritik am Bewerbungsverfahren, bei dem etwa die von Fachleuten exzellent bewertete englische Kandidatur in der ersten Runde scheiterte. Auch Blatters letzte Idee, die Spiele wegen der Hitze in Katar nun doch im Winter 2022 auszutragen (eigentlich eine Idee Beckenbauers, die Blatter erst abgelehnt und sich dann ohne Rücksprache mit den Fifa-Gremien zu eigen gemacht hatte), stößt auf Widerstand. In Europa müsste dafür der gesamte Spielplan umgeworfen werden. Hinzu kommt ein Streit, der bislang kaum beachtet worden ist, die internationale Sportpolitik aber erschüttern könnte. Schließlich veranstaltet das Internationale Olympische Komitee (IOC) im Februar 2022 die Winterspiele und muss bei einer möglichen Fußball-WM in den Vormonaten um Aufmerksamkeit und Geld von Sponsoren bangen. Beim IOC spricht man bereits hinter vorgehaltener Hand von einem „Frontalangriff“, will sich allerdings offiziell nicht äußern.

Blatter hat wie so oft zur Vorwärtsverteidigung angesetzt. Er ging am Wochenende das IOC öffentlich an – wegen dessen angeblich mangelnder Transparenz.

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