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Wenn der Dreizack zuckt. Didi Senft ist nicht nur beim Sechstagerennen leicht zu erkennen. Foto: dpa

© DAVIDS

Sport: Der Teufel trägt Badeschlappen

Didi Senft ist der bekannteste Radsportfan der Welt. Und natürlich Stammgast beim Berliner Sechstagerennen

Berlin - Eins, zwei, drei, vier Mal zuckt der Dreizack nach oben. Während die anderen Besucher im Takt in mitgebrachte Trillerpfeifen und überdimensionale Finger pusten, feiert der Teufel in einer der vorderen Reihen in Block 3 auf seine Art. Der schwarze Umhang wallt im grellen Licht der Hallenbeleuchtung, die Hörner der Teufelskappe wippen auf und ab. „Ein bisschen verrückt spielen“, nennt Didi Senft das. Nichts Wildes. „Draußen würde ich mehr abgehen. Hier muss ich ein bisschen aufpassen mit dem Rumgepike, sonst haue ich wieder jemandem die Brille vom Kopf“. Wie damals, erklärt er, bei der Tour-de-France-Etappe in Monaco.

Didi Senft, 59 Jahre alt, ist der wohl bekannteste Radsportfan der Welt. Der Brandenburger ist natürlich auch Stammgast beim Berliner Sechstagerennen. „Ich bin hier ja schon selbst gefahren“, sagt er stolz. So um 1968, 1969 müsse das gewesen sein, „Juniorenrennen in der Seelenbinderhalle“. Mit der Profikarriere hat es nicht geklappt. „Nun sind wir eben so Radprofi geworden“, sagt er.

Am Ortsausgang von Storkow, im Schatten eines mächtigen Hochspannungsmastes, hat Senft in seinem Fahrradmuseum „mehr als 200 Rad-Kuriositäten“ versammelt. Wobei er selbst ja die größte Kuriosität ist – der Teufel mit Rauschebart und Badeschlappen. „Am Anfang hatte ich Turnschuhe an. Irgendwie ist das dann zur Tradition geworden“, sagt Senft, der sich selbst als „sportverrückt“ bezeichnet.

Nach einer kurzen Führung durch die geräumige Ausstellungshalle nimmt der Teufel, nun in Gartenklamotten, in seiner Küche Platz – und fängt an sich zu erinnern. „Volker Winkler/Dieter Stein, die schwarze Sieben“ seine Bahnradhelden in DDR-Tagen. „Olaf Ludwig/Gerald Mortag – Riesenkombinationen waren das.“ Familienbesuche fielen am zweiten Weihnachtsfeiertag stets aus. Stattdessen fuhr Senft nach Berlin zum Radrennen. In der Werner-Seelenbinder-Halle stiegen dann die Bahnklassiker wie „1001 Runde“. Die Bahn sei damals kürzer gewesen, die Kurven dadurch enger und steiler als heute im Velodrom, erzählt Senft. „Das war ein enges Loch, ganz gedrungen. Man war viel näher dran am Geschehen, die Stimmung war noch intensiver.“ Mit seinen Kumpels kroch er beim Steherrennen unter die Holzbahnkonstruktion. „Das ganze Gestell kam immer dreißig Zentimeter auf uns zu, wenn die schweren Maschinen durch die Kurve gerast sind.“

Fünf Jahrzehnte später, am Eröffnungsabend, hat Senft seinen Platz in Nähe der Ziellinie im Laufe des ganzen Abends nicht verlassen – im Gegensatz zu den meisten anderen Besuchern, die es immer wieder zu den Bierständen zog. „Ich wollte auch mal was vom Rennen sehen“, sagt er. „Wenn ich draußen in der Menge bin, werde ich ja nur fotografiert.“

Senft ist Kult. Jeder kennt ihn. In seiner Gürteltasche hat er vorbereitete Autogrammkarten, auf das Bild, das ihn tanzend bei einem Rennen zeigt, hat er mit Rotstift „Didi“ geschrieben, durch das D hat er einen Dreizack gemalt. Seine Beliebtheit kann er leicht erklären. „Mich kann man eben anfassen“, sagt Senft. „Marvulli oder Hondo nicht.“ Der Teufel ist das Bindeglied zwischen Fahrern und Zuschauern. Immer dabei, immer nah dran. Nach so vielen Jahren kennt er natürlich den einen oder anderen Profi. Mit Danilo Hondo und dem Italiener Alessandro Petacchi hat er im August eine Autogrammstunde gegeben, in einer Sparkasse in Rhede. „Zum Schluss hat sich Petacchi mit mir fotografieren lassen, nicht mit Hondo“, erzählt er vergnügt.

Senft kennt sich aus – auch beim Sechstagerennen. Die Qualität der Rennen findet er „sensationell“, vier, fünf Teams sieht er an der Spitze auf Augenhöhe. Eine Lieblingsmannschaft hat er aber nicht. Er liebt eben den Radsport. Egal, dass der gerade seine schlimmste Krise durchmacht. Die zahllosen Dopingfälle und Verdächtigungen der letzten Jahre haben Senfts Begeisterung nicht getrübt. Doch den Niedergang der Glaubwürdigkeit hat auch Senft zu spüren bekommen. Vier von fünf Sponsoren sind ihm in den letzten Jahren abgesprungen.

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