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Lance Armstrong im TV-Interview mit Talk-Queen Oprah Winfrey.

© Reuters

Interview mit Oprah Winfrey: Armstrong gesteht Doping bei allen sieben Tour-Siegen

Lance Armstrong hat jahrelanges Doping tatsächlich zugegeben. Er gesteht nicht alles, aber er gesteht viel. Und er erklärt sich bereit, noch umfassender vor echten Aufarbeitungsinstanzen auszusagen. Dies ist - trotz aller Einschränkungen - ein historischer Moment.

Sinn für Spannung hat Lance Armstrong nicht. Er hatte ihn nicht bei seinen sieben Toursiegen. Und er hat ihn nicht in diesem Interview. Gleich bei den ersten Fragen von Oprah Winfrey gibt er zu, gedopt zu haben. Knappe Fragen sind dies, Ja-Nein-Fragen, wie die Moderatorin betont. "Hast Du gedopt? Ja. War Epo dabei? Ja. Blutdoping? Ja. Andere verbotene Substanzen? Ja. Bei jedem der sieben Toursiege?" Hier zögert Armstrong etwas, um dann doch zu sagen: "Ja." Waren seiner Meinung nach diese sieben Toursiege ohne Doping möglich, will Winfrey schließlich wissen. Und Armstrong blickt fest in die Kamera und sagt: "Nein, meiner Meinung nach nicht."

Damit war das Feld abgesteckt, sehr frühzeitig schon. Armstrong bestätigte die ersten Meldungen, dass er Doping zugegeben habe. Interessant wurde nun, welche Grenzen der ehemalige siebenfache Tour-de-France-Sieger in seinen Bekenntnissen ziehen würde.

Die Limitierung ließ nicht lange auf sich warten. Als "das ausgefeilteste, professionellste und erfolgreichste Dopingsystem, das der Sport jemals gesehen hatte" - so hatte USADA-Ankläger Travis Tygart das Dopingsystem von Armstrong bezeichnet - mochte der Texaner seine Tätigkeit nicht eingeordnet wissen. "Es war professionell, es war smart, es war risikobewusst. Das ja. Aber es war auch konservativ. Ich glaube nicht, dass es größer war als das ostdeutsche Dopingsystem in den 80er Jahren", meinte Armstrong. Was die Anzahl der Beteiligten betrifft, die Anzahl der Medaillen und die Befehlsstrukturen, dürfte er sogar recht haben. Dass er nicht an das US-Dopingsystem erinnerte, auf das in den 80er Jahren auch Ostblocktrainer zuweilen neidisch blickten, mag man als Lücke im Geschichtsbewusstsein des Texaners werten.

Sie fragte auch nicht nach, als Armstrong bei der Frage, ob er die anderen, die Nichtdoper, für Weichlinge und Versager halte, auswich. Erstmals wird der Mann im blau schimmernden Hemd und dunklen Sakko unruhig. Das Gesicht verzieht sich gequält. Er sucht nach Worten. Doch eine Botschaft für die, die nicht betrogen haben, hat der oberste Betrüger seiner Disziplin nicht. Oprah Winfrey erlöst ihn mit einem Einspieler, der Tygart und dessen Kronzeugen Tyler Hamilton von einem "mafia-ähnlichen System" in den Armstrongrennställen sprechen lässt.

Armstrong nimmt Komplizen aus der Schusslinie

Lance Armstrong während seiner Beichte im TV-Interview mit Oprah Winfrey.

© Reuters

Und hier wird Armstrong wieder aufmerksam. "Ich habe niemanden zum Doping gezwungen. Ich habe niemandem diesen Befehl erteilt", sagt er. Und gibt dann zu: "Ich habe als Anführer des Teams ein schlechtes Beispiel abgegeben." "Betreiben wir jetzt Haarspalterei?", fragt Winfrey da und wirkt zum ersten Mal engagiert. Mit dem Versuch, sich aus der Verantwortung als Boss zu stehlen, kommt er ihr in diesem Falle nicht davon. Und Armstrong, sichtlich hin und hergerissen zwischen dem Bestreben, auch weiter als ein Macher, ein Anführer, ein Tatmensch zu erscheinen und der Befürchtung, als Dopingdealer mit härteren strafrechtlichen Konsequenzen rechnen zu müssen, gibt schließlich zu, die böse Leitfigur gewesen zu sein. "Ich war sehr rücksichtslos", sagt er. Um gleich einzuschränken: So rücksichtslos sei er erst im Radsport geworden.

Emotionaler Höhepunkt des ersten Teils des Interviews war die Konfrontation mit seiner Abschlussrede beim siebten Tourgewinn. "Die Leute, die nicht an den Radsport glauben, die Zyniker und Skeptiker, die tun mir leid", sagte er damals auf den Champs Elysees. "Ihr tut mir leid, dass ihr nicht groß denken und nicht an Wunder glauben könnt", setzte er noch einen drauf. Beim Anblick seiner selbst arbeitet es im Gesicht des 41-Jährigen. "Ich habe Fehler gemacht in meinem Leben. Und dies war einer davon", sagt er.

Diese Einsicht wirkt glaubwürdig, genauso wie der Moment zum Schluss, als er über eine Alternative zum Kampf gegen die USADA nachdenkt. "Ich würde heute um drei Tage Zeit bitten und  meine Frau, meinen Sponsoren, meine Mutter und die Stiftung anrufen. Aber ich kann die Uhr nicht zurückdrehen", sagt er da und kann seine Augen gerade noch einmal trocken halten.

Fachlich leistet das Interview wenig, abgesehen vom Geständnis zu Beginn. Der Komplize Michele Ferrari wird aus der Schusslinie genommen. "Ich rede hier nicht über andere", sagt Armstrong. Dass er die UCI bestochen habe, weist er zurück. "Ich bin kein Freund der UCI", erklärt er mehrmals. Warum er ihr dennoch mehr als 100.000 Dollar zahlte, kann er nicht erklären. Und warum der frühere Angestellte von Armstrongs Sponsor Thomas Weisel, Jim Ochowicz (jetzt Manager des Rennstalls BMC) in der Vergangenheit Privatkonten von UCI-Ehrenpräsident Hein Verbruggen gemanagt hat, wie Ochowicz selbst zugab, fragt Oprah Winfrey nicht einmal. Aber es bleibt ja noch der zweite Teil des Interviews, das in der Nacht zu morgen ausgestrahlt wird.

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