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Sport: Alles jut?

Berlins bester Traber Michael Hönemann greift aus der zweiten Reihe an

Berlin - Michael Hönemann sitzt auf der Terrasse im „Teehaus“ an der Mariendorfer Trabrennbahn und kann es nicht fassen. „Kiek mal, wat macht denn Delightful da?“, sagt er und kneift die Augen zusammen. Seine Finger klopfen hektisch auf den kleinen Fernseher am Tisch. Er müsste den Kopf nur nach rechts drehen, dann hätte er einen fabelhaften Blick auf das Rennen und die Stute Delightful, aber Hönemann klebt jetzt fast mit dem Augen an dem Bildschirm. „Delightful fällt zurück, Delightful schafft es nicht, Lasoma Pit gewinnt“, schreit der Sprecher. Die Lautsprecher fiepen, dann ist Stille. Hönemann lehnt sich zurück, und sagt mit ruhiger Stimme: „Delightful war der große Favorit.“ Punkt. Alles andere muss man sich selbst denken.

Michael Hönemann trägt eine riesige Sonnenbrille über seinen ergrauten Schläfen. Auf dem weißen Rennoverall klebt ein bisschen Erde, auch das Jacket hat schon bessere Zeiten erlebt. Doch das große Geld machen beim Trabrennen höchstens die Champions, das ist auch beim Deutschen Traber-Derby in Mariendorf nicht anders. Hönemann ist kein Typ, der sich über die Niederlagen seiner Konkurrenten freut, aber Delightful war das beste Pferd im Rennen und im Sulky saß der beste Fahrer: Heinz Wewering. Hönemann nennt ihn respektvoll nur „den Weltmeister“, und er sagt, wenn er im gleichen Rennen starte, mache ihn das noch ehrgeiziger. „Natürlich ist er auch zu schlagen, der Weltmeister“, sagt Hönemann, aber es hört sich nicht überzeugt an. „Wewering ist halt der Beste in der Welt und Hönemann der Beste in Berlin“, fasst ein Freund zusammen.

Eigentlich wollt Hönemann im „Teehaus“ etwas essen vor dem nächsten Rennen, aber wenn man Michael Hönemann heißt, ist es fast unmöglich auf einer Berliner Trabrennbahn in Ruhe zu essen. Alle wollen „nur ganz kurz“ etwas besprechen: Ein russischer Pferdebesitzer fragt, wie es gelaufen sei und ein Bekannter möchte einen Tipp fürs nächste Rennen haben. „Na, alles jut?“, sagt Hönemann dann und gibt seinem Gegenüber einen Klaps auf die Schulter.

Vor 30 Jahren hat er sich zum ersten Mal ein Trabrennen angeschaut, seitdem hat er 3850 Mal selbst gewonnen. Der 45-Jährige ist hauptberuflich Trabrennfahrer und Trainer. An diesem Freitag läuft nicht sehr gut. Im ersten Rennen ist er auf „Happy go lucky“ nur Fünfter geworden, der Platz ist mit gerade einmal 75 Euro dotiert. Hönemann sagt, das Pferd habe „nicht unbedingt Talent“ gehabt, aber vielleicht sei er auch die falsche Taktik gefahren, zuviel auf der Innenbahn. Manche Pferde laufen lieber an der Spitze, andere mitten im Feld, das hänge vom Charakter ab. „Aber sich vor dem Rennen eine Taktik zu überlegen, bringt nicht viel“, sagt Hönemann. Er nimmt noch einen Schluck Apfelschorle und stopft sein Handy in die Jackettasche. In zehn Minuten muss er wieder auf der Rennbahn sein, diesmal mit „Hope and Glory“. Das Pferd steht schon eingespannt in der Box, Hönemann wirft seine Jacke beiseite und tauscht die Sonnenbrille gegen eine Rennbrille ein. Die Chance auf einen Sieg stehen nicht gut. „Hope and Glory“ ist noch unerfahren. „Der versteht gar nicht, was da um ihn herum passiert“, sagt der Besitzer und streicht dem Tier über die Nüstern. Er habe Hönemann als Fahrer engangiert, weil der so gut wie kein anderer noch aus der dritten Position zum Sieg fahren könne. Hönemann selbst sagt, dass der Fahrer höchstens zu 30 Prozent am Erfolg beteiligt ist, der Rest verteile sich auf Pferd und Trainer. Dann trabt „Happy go lucky“ zur Rennbahn. Zwei Mal wird der Start wiederholt, die ersten 500 Meter liegt Hönemann noch vorne, am Ende wird er Letzter. „Das Pferd hatte viel zu wenig Ausdauer“, sagt Hönemann, als er vom Sulky steigt und „Happy go lucky“ seinem Besitzer zurückgibt.

Eine Stunde bleibt ihm, bis er das nächste mal auf die Bahn muss. Hönemann blättert in den Rennunterlagen. Für das große Derby heute müssen sich beide qualifizieren, Hönemann und Wewering. Eigentlich ist ist alles offen, doch die Veranstalter haben schon mal Wewerings Namen in die Starterliste fürs Finale eingetragen. „Das machen die immer so“, sagt Hönemann und zuckt mit den Schultern. Der Weltmeister ist Favorit, mal wieder, und Hönemann kann nur versuchen, ihn zu schlagen – mit Ehrgeiz und „April Perfect“.

Stéphanie Souron

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