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© dpa

Handball: Abpfiff für zwei Schiedsrichter

Die Handballklubs boykottieren Referees, die einen Bestechungsversuch nicht meldeten – und stellen sich gegen den eigenen Verband.

„Wir wollen auf jeden Fall weiter pfeifen.“ Das hatte Bernd Ullrich noch im August erklärt. Rücktrittsgedanken hatte der Magdeburger Handball-Schiedsrichter, der mit seinem Partner Frank Lemme jahrelang zu den besten Duos der Welt zählte, offenbar nie – trotz der öffentlichen Empörung, die im März über sie hinweggefegt war. Beide beteuerten ihre Unschuld. Sie glaubten offenbar, dass diese abenteuerliche Geschichte, bei der nach einem Europapokalfinale 2006 auf einem Moskauer Flughafen 50 000 US-Dollar in Ullrichs Sporttasche gefunden worden waren, mal in Vergessenheit geraten würde. Doch die führenden Klubs der deutschen Handball-Bundesliga (HBL) vergaßen nicht.

Sie haben sich nun dagegen ausgesprochen, dass das Duo wieder in der Liga aufläuft. Bereits im September hatten sich die vier führenden Klubs Lemgo, HSV Hamburg, THW Kiel und die Rhein Neckar-Löwen auf eine Linie verständigt – unabhängig von den Sportgerichtsurteilen, die in der Causa noch folgen. „Es wäre für die Liga nicht gut, wenn beide wieder aufliefen“, sagte Löwen-Geschäftsführer Thorsten Storm. „Zur Schiedsrichterei gehört Vertrauen, und das Vertrauen ist zerstört“, ergänzte Holger Kaiser, Geschäftsführer der SG Flensburg-Handewitt.

HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann glaubt, dass der Deutsche Handballbund dem Wunsch der Klubs folgen wird. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich eine Ansetzung der Schiedsrichter gegen Klubs und Liga durchsetzen lässt.“

Anders als die Europäische Handball-Föderation, die Lemme/Ullrich mit einer fünfjährigen Sperre sanktionierte, zeigte sich der deutsche Verband milde: Er ahndete das Vergehen, diesen Bestechungsversuch vor dem Spiel Medwedi Tschechow gegen BM Valladolid nicht gemeldet zu haben, nur mit neun Monaten Sperre, die Mitte Dezember endet. „Die beiden haben in den letzten zehn Jahren genauso viel für das Renommee des deutschen Handballs getan wie die Nationalmannschaft“, erklärte der Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB) Ulrich Strombach im Mai. Der DHB streckte dem Refereepaar sogar 5000 Euro für die Berufungsinstanz bei der EHF vor.

Es ist ein Präzedenzfall, dass die Klubs nun den Einsatz eines Schiedsrichterpaares verweigern. Sollte der DHB, der für das Schiedsrichterwesen verantwortlich zeichnet, auf einer Ansetzung beharren, könnte sich dies zur Machtprobe entwickeln. Möglich ist dann sogar das Szenario, wonach die Liga am Ende die Schiedsrichterei selbst organisiert, wie es in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA gehandhabt wird. DHB-Schiedsrichterwart Peter Rauchfuß will an eine Eskalation nicht glauben: „ Ich möchte abwarten, wie die EHF in dem Berufungsverfahren entscheidet.“ Ob Lemme/Ullrich in dieser Berufungsinstanz ihr Schweigen brechen, ist freilich unwahrscheinlich. DHB-Funktionär Rauchfuß fordert sie auf, endlich konkret zu werden: „Ich will endlich wissen, wer der Verursacher ist.“

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