zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Zurück „in die Fichten“

Seit fast 100 Jahren ist Fichtenwalde bei den Städtern beliebt

Seit fast 100 Jahren ist Fichtenwalde bei den Städtern beliebt Beelitz · Fichtenwalde - 15 kleine Lauben auf beschaulichen Grundstücken, ohne Strom und Wasser: Fichtenwalde vor knapp 100 Jahren. Und dennoch schien die Attraktivität besonders für die Berliner besonders groß gewesen zu sein. Über die Jahre kamen immer mehr Wochenendurlauber in den Beelitzer Sander, und so einige hielt es hier. Als offizielles Geburtsjahr der Waldgemeinde gilt 1908, als der Grundstücksmakler Wilhelm Sherhag die ersten Parzellen an Städter verkaufte. So steht den Fichtenwaldern in drei Jahren ein rundes Jubiläum bevor, und während der Ort weiter wächst, laufen im Hintergrund bereits Vorbereitungen auf die Feier. Eva Griebel arbeitet seit sieben Jahren an einer Ortschronik und kann schon jetzt einen Überblick über die Geschichte der Waldgemeinde geben. Ihre Kenntnisse über den Ort sind so umfassend, wie es ein handliches Büchlein wohl kaum sein kann. 140 Seiten sind für die Chronik veranschlagt: 25 Ordner haben sich über die Jahre mit Material gefüllt. Aus Zeitungen, Karten, niedergeschriebenen Erinnerungen, Fotos und Gesprächen, die sie mit den Einwohnern führte, schöpft Griebel die Informationen über hundert Jahre Heimatgeschichte. Eines habe sich über die Jahre nicht verändert: „Über 50 Prozent der Neu-Fichtenwalder kommen immer noch aus Berlin oder Potsdam.“ Damals allerdings habe der Grund in den schlechten Wohnverhältnissen in der Hauptstadt gelegen. „Ein Quadratmeter kostete hier im ausgehenden 19. Jahrhundert zwischen 50 und 68 Pfennig.“ Der Berliner Sherhag war es, der fünf Kilometer von Klaistow entfernt, mitten im Wald, Land kaufte und parzellierte. Gartenlauben und Wochenendhäuser wurden gebaut. So konnten die vom Großstadttrubel geplagten Berliner sich „in den Fichten“ erholen – denn für solche hielten manche die hiesigen Kiefern. 1911 wurde der Grundbesitzerverein gegründet. Bis er 1935 von den Nazis verboten wurde, vertrat er die Interessen der Fichtenwalder. Es ging rasant voran in den Gründerjahren: Mit der Eisenbahn von Berlin nach Wetzlar, die auch in Beelitz Heilstätten Halt machte, war bereits seit 1879 der Ort gut zu erreichen. 1912 wurde hier eine Landungsstelle für den zivilen Flugverkehr errichtet und 1914 wurde Fichtenwalde auf Drängen des Grundbesitzervereins an die Chaussee nach Klaistow angebunden. 1929 wurde der Name Fichtenwalde vom preußischen Innenministerium bestätigt, die Eigenständigkeit sollte jedoch erst knapp 20 Jahre später erteilt werden, bis dahin blieb der Ort eine Klaistower Kolonie. Anfang der 30er Jahre wurde das Telefonnetz ausgebaut und das Wasserwerk eingeweiht. Auch elektrischer Strom hielt Einzug. Während des zweiten Weltkrieges habe der Ort „eher weniger auszustehen gehabt", so Griebel. Die Einwohner hätten die Bomber vorüber fliegen sehen, die ihre zerstörerische Fracht dann über Berlin abwarfen. Im Frühjahr 1945 kam es aber auch in den hiesigen Wäldern zu Kämpfen. Zu dieser Zeit betrug die Einwohnerzahl schon 1400, doch die große Welle der Heimatlosen aus den östlichen Gebieten spülte viele Menschen auch nach Fichtenwalde, so dass die Zahl bald 2500 betrug. Viele Sommerhäuschen wurden zu Dauerwohnstätten. „Bis in die 50er Jahre war es schwierig, all die Menschen mit Wohnraum und die Kinder mit Schulplätzen zu versorgen“, weiß die Chronistin. Mit dem Mauerbau 1961 flüchteten viele Leute, die hier gerade erst Fuß gefasst hatten, weiter nach Westdeutschland. Die leer stehenden Grundstücke wurden an Urlauber aus dem Raum Halle/Leipzig verpachtet – so begrüßten 900 Dauerbürger je nach Jahreszeit bis zu 4000 Wochenendgäste. Nach der Wende kehrte Fichtenwalde wieder zu seinem rasanten Entwicklungstempo zurück: Die Fichtenwalder Aufbaugesellschaft wurde gegründet und hat mittlerweile ein neues Wohngebiet gebaut. Schule und Kita wurden erweitert, Straßen saniert und verbreitert. Und die Berliner und Potsdamer haben die Waldgemeinde einmal mehr für sich entdeckt – als Ferienresort, aber auch als Wohnort. Demnächst, so kündigt Ortsbürgermeister Tilo Köhn an, werden 2800 Einwohner gezählt. Thomas Lähns

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false