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Potsdam-Mittelmark: „Zäumung des Pferdes“ in Theorie und Praxis

Die Stadt Strausberg beherbergt die mit 700 000 Büchern und 450 000 Zeitschriften größte deutsche Militärbibliothek

Die Stadt Strausberg beherbergt die mit 700 000 Büchern und 450 000 Zeitschriften größte deutsche Militärbibliothek Von Jörg Schreiber Das „Handbuch der Befestigungskunst“ ist schon leicht vergilbt. Doch bis heute kann der interessierte Leser in dem wertvollen Stück blättern und die Zeichnungen des 1853 herausgegebenen Bandes begutachten. Das Buch lagert in den schier endlosen Magazinen der größten Militärbibliothek der Bundeswehr im östlich von Berlin gelegenen Strausberg. Der moderne Bibliotheksbau war 1998 auf dem Campus der Bundeswehr-Akademie für Information und Kommunikation gegenüber dem alten DDR-Verteidigungsministerium eröffnet worden. Heute lagern in den Archiven und zwei Etagen höher in der Freihandausleihe rund 700 000 Bücher und etwa 450 000 Zeitschriften, sagt die amtierende Leiterin Christina Lehmann. Hier seien die Bestände der DDR-Militärbibliothek in Dresden mit der Düsseldorfer Zentralbibliothek der Bundeswehr vereint worden. So können die Besucher frühere Dienstanweisungen der „Nationalen Volksarmee“ (NVA) ebenso einsehen wie Broschüren über „Gesellschafts- und Sozialpolitische Aspekte weiblicher Soldaten in der Bundesrepublik“ von 1980. Diplomarbeiten von NVA-Offizieren stehen neben Dissertationen aus der Bundeswehr. Doch die Bibliothek beherbergt weit mehr als nur militärische und militärhistorische Schriften, sagt Lehmann. Der Bogen spannt sich von Politik und Geschichte über Wirtschafts- und Sozialwissenschaften bis hin zu Pädagogik und Psychologie. Juristen könnten hier Rechtsentscheidungen nachlesen. Es gebe eine große Sammlung zur Entwicklung der Jugend nach der Wende und natürlich viele Nachschlagewerke. „Wir haben teilweise Bestände, die es nur bei uns gibt“, macht Christina Lehmann neugierig. Die ältesten Werke etwa zum Festungsbau stammen aus dem 16. Jahrhundert. Und wen es interessiert, der kann sich auch über die „Zäumung des Pferdes“ in Theorie und Praxis informieren, ein Band, der 1883 in Berlin verlegt worden war und über die Wehrbereichsbibliothek Münster nach Strausberg fand. Wegen des einzigartigen Bestandes sei die Bibliothek heute bis nach Übersee bekannt, sagt Lehmann. Aus den Vereinigten Staaten kämen Anfragen zur Ahnenforschung oder zur Bataillonsgeschichte, auch Einzelheiten aus den NVA-Dienstanweisungen weckten dort großes Interesse. Durch die Fernausleihe sei der Weg über den „Großen Teich“ kein Problem. Die 13 Mitarbeiter – alles Zivilangestellte der Bundeswehr – würden die meist per Fax eintreffenden Anfragen beantworten und dabei schon mal selbst in Bänden zur Truppengeschichte nachschlagen. In erster Linie wird die Bibliothek natürlich durch Mitarbeiter der benachbarten Bundeswehr-Akademie, des ebenfalls auf dem Campus gelegenen Sozialwissenschaftlichen Instituts der Streitkräfte und andere Bundeswehrangehörige genutzt. Auch Abiturienten und Studenten lesen und leihen hier Bücher aus. Im vergangenen Jahr seien rund 22 000 Direktausleihen registriert worden, rund 1000 mehr als 2002. Allerdings würden noch viel zu wenige nichtuniformierte Strausberger in die Bibliothek kommen, mancher habe wohl eine gewisse Schwellenangst, sagt Lehmann. Die Bibliothekschefin bedauert auch, dass für die Restaurierung der Bestände wie überall das Geld fehlt. Wenigstens biete das vollklimatisierte Magazin ideale Bedingungen für die Aufbewahrung der teils sehr wertvollen Bände. Und die Bücher aus der Zeit vor 1945 würden generell nicht ausgeliehen, sie dürfen nur im großen Lesesaal eingesehen werden. Bislang können die Bestände von anderen Orten aus nur über das Bundeswehr-Intranet eingesehen werden. Es sei jedoch geplant, ab 2005 Teilbestände unter anderem für militärhistorische Forschungen ins Internet zu stellen, sagt die Bibliothekarin. Das werde die Fernausleihe erleichtern.

Jörg Schreiber

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