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KulTOUR: Tango, Jazz und eine Weltpremiere

Das Fercher Opus des Hamburger Komponisten Andreas Willscher wurde in der Petzower Kirche uraufgeführt

KulTOURDas Fercher Opus des Hamburger Komponisten Andreas Willscher wurde in der Petzower Kirche uraufgeführt Werder · Petzow - Die Luft war mild, die Kirche Petzows auf dem Berge eher kühl, dafür noch weihnachtlich geschmückt mit Tannenbaum, mit grünen Wandgirlanden und einer weißbebänderten Mistel unter der Orgelempore, Europas ganze Fest-Kultur in einem Raum. Wer am Donnerstag zum konzertanten Jahresabschluss gelangen wollte, musste unter diesem keltischen Gewächs hindurch, passabel viele. Das Kulturforum Schwielowsee präsentierte zu Ultimo mit dem Berliner Johann Plietzsch (Trompete, Flügelhorn) und der in Ferch lebenden Pianistin Liana Narubina Kompositionen des 20. Jahrhunderts für Trompete und Klavier, dazu ein gediegenes Extra am Schluss. Beide Musiker haben sich bereits mit mehreren Konzerten um den Verein verdient gemacht. Freilich sei diese Besetzung weniger gebräuchlich als ihr barockes Vorbild, sagte Organist Lothar Knappe zur Begrüßung. Möglich, doch schien sie etwa Jean Francaix und Astor Piazzolla würdig, den ruhelosen Geist der neuen Zeit zu spiegeln, insofern hatte man es geradezu mit „Klassikern“ zu tun. Arthur Honeggers „Intrada“ für Trompete und Klavier stand am Anfang dieses interessanten Abends, unruhig, ein wenig pressiert, kaum eingängig dem Ohr. Auch bei den fünf „Bagatellen“ des „lange verbotenen“ Russen Edison Denisov für Solo-Klavier hörte man, trotz vieler Stellen in lyrischem Moll, den lärmenden Atem des „Industriezeitalters“ heraus. Er liebt die kurzen, effektvollen Codae; mal mit zwei hohen scharfen Schluss-Takten, mal in perlenden Akkorden, im fünften eher ricicar. Hübsche Sachen, den Zuhörern gefällig, Liana Narubina am Flügel achtete sehr auf den lakonischen Ton dieses Genres. Francaix war mit zwei Sätzen seiner „Sonatine für Trompete und Klavier“ vertreten. Das Prélude strahlte in seinen jazzigen Formen und zügigem Tempo Heiterkeit, die Sarabande hielt den Flügel sehr zurück – Raum für gedämpfte Trompetensoli des Güttler-Schülers, zarte Melodien im vornehmen Andante. Weitgreifend dann die ersten Tango-Takte aus Piazzollas „Verano Porteno“, Teil seines Zyklus „Estaciones Portnas“, ein Wechselbad mancher Tempi und Kolorite für die Klaviatur, laut und dumpf, melodisch und atonal, ein Opus aus Variationen, vergleichbar seinen Stücken „aus der Sammlung Ángel für Klavier“, welche später folgten. Überhaupt war die Literatur so elegant gewählt, dass es den Zuschauer über Ginasteras „Danzas Argentinas“ und einer traumhaften „Vesperale“ für Flügelhorn und Klavier (Claude Bolling, geb. 1930), die sich alle Zeit der Welt nahm, zum Höhepunkt des Abends führte: Hatte Gisbert Näther vor zwei Jahren Ferch mit einer kleinen Suite elogiert, so tat es ihm nun der Hamburger Komponist Andreas Willscher (geb. 1955) mit einem viersätzigen Opus breve nach, wo er, gut gemeint, das Ortskürzel f-e-c-h hineinarbeitete. Schade, dass er zur Weltpremiere unentschuldigt fehlte. Seine „Fercher Miniaturen“ haben eine eigene Ouvertüre, die mit furiosem Klavier-Schwung beginnt, um dann ein schlichtes Thema mit rhythmischem Gefühl zu variieren. Bevor man reinkam, war sie mit einem Trompetenstoß schon wieder aus. Lyrisch gedämpft, mit Pausen und Reprisen, folgte „Tempo di Valse“, die reine Eleganz im Dreivierteltakt. Dann „Rag“, jazzig, nett, auch hier mit Generalpause, die Coda wie oben: kurz. Zuletzt eine Serenade mit alertissimo-Auftakt, noch einmal das Hauptmotiv, gedämpfte Töne beider Stimmen, fast übermütig das Final, forte. Sonnenschein und Frohsinn über Ferch – das Werk fand wohlverdienten Beifall.

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