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Potsdam-Mittelmark: Hinter Mahlsteinen vor Russen versteckt

Die Mühlen in der Region hatten gestern zum Mühlentag unterschiedliche Geschichten zu erzählen

Die Mühlen in der Region hatten gestern zum Mühlentag unterschiedliche Geschichten zu erzählen Michendorf/Werder - Die älteren Einwohner von Langerwisch können sich vielleicht erinnern, wie sich die langen Flügel der Windmühle an der Bergholzer Straße jeden Tag drehten. Das schon von weitem sichtbare Gebäude am Fuße des Galgenberges arbeitete damals, bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, fast rund um die Uhr, um die Bäcker in den umliegenden Dörfern mit Mehl zu beliefern. „Diese kleinen Betriebe waren zu jener Zeit das Rückgrat der Lebensmittelversorgung“, weiß Jörg-Peter Melior. Der Nachfahre dreier Generationen von Langerwischer Müllern lässt die Maschinen manchmal noch laufen, an den Wochenenden und nach Feierabend. Immerhin erzeugt er so bis zu zwei Tonnen Mehl im Monat. Gestern veranstaltete Melior den ganzen Tag lang Führungen durch die traditionsreiche Paltrock-Mühle. Der elfte Deutsche Mühlentag war die Gelegenheit, einen Blick in das Innere zu werfen und sich die Arbeitsweise erklären zu lassen. Einigen fielen sogar selbst noch Geschichten ein. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts war die Langerwischer noch eine Bockwindmühle, stand also auf einem drehbaren Holzgestell weit über dem Boden. 1930 wurde umgebaut: Das Haus wurde aufgeständert und ein Rollenkranz darunter gelegt. Durch dieses stabilere Prinzip konnte auch die Mühle selbst großzügig ausgebaut werden. 1,6 bis 1,8 Tonnen Mehl konnten in 24 Stunden hergestellt werden. 1945 sei die Langerwischer Mühle sogar zum Versteck für einige Bürger geworden, als die Sowjets hier einmarschierten – diese Erzählungen einer Besucherin waren selbst für Melior neu. Er kann sich noch gut an die Zeit danach erinnern, als die „Mehlphase“ schon fast vorbei war, und nur noch private Bauern hier vorbei kamen. Für die LPG-Betriebe wurde indes Futterschrot produziert. Bis Anfang der 80er Jahre wurde in Langerwisch noch gewerblich gemahlen. In den 90ern haben die Meliors ihre Mühle unter denkmalschutzrechtlichen Aspekten wieder auf den Stand von 1930 zurückgebaut. In Werder hingegen wartet man noch darauf, dass sich die dortige Mühle wieder dreht. Auf einem hohen Berg, zwischen den engen Gassen der Inselstadt, thront der Holzbau auf vier dicken Balken. Vor langer Zeit habe es auf der Insel sogar drei Mühlen gegeben, weiß Dorothea Arnim. Sie ist Gästeführerin der Stadt Werder und beantwortet an diesem Tag die Fragen der Besucher. Um 1500 habe Werder das Mahlrecht erhalten, seitdem wurde hier Korn verarbeitet. In der wechselvollen Geschichte der Stadt – zwischen Fischerei, Wein und Obstbau – habe die Mühle in der Kirchstraße immer ihren Platz gehabt. Doch die heutige sei nicht mehr die originale. Die brannte nämlich im Jahr 1973 nieder, nachdem Jugendliche hier mit Räucherkerzen gespielt hatten. Nur noch die großen Mahlsteine am Hang des Berges erinnern daran. Anfang der 80er Jahre kaufte die Stadt eine ähnliche Mühle aus dem Ort Klossa in der Nähe von Cottbus und baute sie hier wieder auf. Seitdem wurde der Bau regelmäßig überholt und ist heute Anziehungspunkt für Stadtbesucher. Mittlerweile hat die Stadt sogar einen Pächter gefunden, der die Mühle wieder in Betrieb nehmen möchte. Dass dafür eine Menge Arbeit notwendig ist – immerhin fehlt der Bock, auf dem die Mühle in den Wind gedreht wird – weiß Dorothea Arnim. „Aber wir würden uns freuen, wenn hier wieder gemahlen würde.“ Thomas Lähns

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