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Potsdam-Mittelmark: Eine Nacht voller Wunder

Eine Meisterleistung des Fördervereins Südwestfriedhof und seines Spiritus rector, Peter Hahn

Eine Meisterleistung des Fördervereins Südwestfriedhof und seines Spiritus rector, Peter Hahn Knabenstimmiger A Capella - Gesang tönte im Dunkeln durch diesen Wald, schon von ferne vernehmbar. Unsichtbar, tausendmal schön. Sie kam vom Mausoleum Falkenberg her, einer der prominenten Grab- und Erbgrabstätten, derer man auf dem Stahnsdorfer Südwestfriedhof viele findet. Mit Werken von Schütz, französischen und englischen Meistern selbiger Zeit gedachte am Samstag der Staats- und Domchor Berlin seiner früheren Leiter, Hugo Rüdel und Hugo Distler, Vorgänger des jetzigen Chorchefs Kai-Uwe Jirka. Nicht weit entfernt, an der ‚Speer-Straße'', war die Uraufführung von Ulrich Schlie''s Dialogstück „Hitlers große Liebe" zu hören, darin der Diktator ob eines groß-deutschen Germania-Metropolis hunderte Umbettungen von Berlin nach Stahnsdorf befahl. Die Luft war lau, der Himmel leicht bezogen zur ersten Langen Nacht an dieser Friedensstätte. Lichtpunkte überall dort, wo der Veranstalter dieses exorbitanten Abends seine vieltausend Gästen auf Vergänglichkeit und Tod, auf Tod und Auferstehung verweisen wollte. Über einhundert Mitwirkende aller Künste und mancher Wissenschaft hatten sich Orte gesucht, an denen sie einen der hier Begrabenen ehren wollten. So erfuhr man von Werner Schochow Interessantes über das Schicksal kriegsverschollener Bücher aus dem Bestand der Preußischen Nationalbibliothek am Grabe eines seiner Direktoren, Wolff-Zitelmann. Lilli Walzer (Gesang) und Andreas Espelkott am Piano sagten auf dem Feld 4 Arena Reformation ‚zum Abschied leise Servus'', und wo „Effi Briest" begraben liegt, spielte das Berliner Maxim-Gorki-Theater Szenen aus dem gleichnamigen Stück. Im Betongeviert der Erbbegräbnisstätte der von Siemens hörte man fabelhaft gute „Klangstücke" von Bach und Ysaye, meisterhaft vorgetragen von Yoshiaki Shibata, einem begnadeten Geiger aus Japan, im Verborgenen oder am Wege gaben Eleven der Kreismusikschule Kleinmachnow per Klarinette, Gitarre, Violine oder Flöte ihre munteren Ständchen. Toll. Die Prominenz freilich, Egon Bahr und Wolfgang Thierse, hatte abgesagt. Bei einem so fundierten wie stets dezentem Angebot war man einmal zuerst Jäger und Sammler. Als die Nacht heraufzog, kannte man dann die Orte des Eingedenkens, und manches tauchte das Dunkel in ein ganz anderes Licht. Die Stabholzkirche (Orgel- und andere Konzerte bis Mitternacht) haben nur wenige je so festlich erlebt, Murnaus „Nosferatu"-Film ‚vor Ort'' gewiss noch keiner. Stahnsdorfs hochberühmter Gottesacker blieb von Furcht und Schrecken frei, überall Stil, Substanz und Pietät. Je später, um so schöner. Eine Meisterleistung des Fördervereins Südwestfriedhof und seines Spiritus rector, Peter Hahn. Alle Mitwirkenden verzichteten auf ein Honorar. Hut ab auch vor demTHW, welches alles im Wortsinne günstig beleuchtet hat. Am Mausoleum Duisberg, einem durch Perlmutt-Knöpfe zu unerhörtem Reichtum gekommenen Fabrikanten Deutschlands, gaben Katharina Richter und Petra Golbs Szenen aus Humperdincks Oper „Hänsel und Gretel" (Klavierbegleitung Rudolf Gäbler), hier wurde durch Stefanie Oswalt und Klaus Büstrin auch des Weltbühnengründers Jacobsohn gedacht. Der Kirche gegenüber, im lichtgeschmückten Mausoleum Caspary, präsentierte Katharina Lechner Radierungen zum Thema „Tod und Auferstehung", wunderbar. Alles kann man nicht benennen, es war zwar viel, aber die Größe des Friedhofes verteilte die vielen Besucher. Andrang aber, wo etwas stattfand, besonders am Urnenhain I, als Mitglieder der Company Vivienne Newport zu Hugo Distlers Motette Op. 12 nr. 2 einen mittel-alterlichen „Totentanz" präsentierten, daraus man erkannte, dass der vielgefürchtete Gevatter ein sehr gerechter Diener Gottes ist. Er gibt weder Bischof noch Kaiser den Vorzug, er macht alle gleich. Deshalb: Memento mori! So gebaren am Samstag die Toten ihre Werke für die Lebenden neu. An der dezent beleuchteten Kirche wurde dieser Abend voller Mirakel durch Bischof Wolfgang Huber (und mit Klassik auf vier Saxophonen!) eröffnet, hier klang er punkt Mitternacht mit Glockengeläut für die Toten auch wieder aus. Gerold Paul

Gerold Paul

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