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Potsdam-Mittelmark: Die Gefahr der hohen Erwartungen

Der Kleinmachnower Landtagskandidat Klaus-Jürgen-Warnick über Chancen der PDS, Großprojekte und sein Verhältnis zur SPD

Der Kleinmachnower Landtagskandidat Klaus-Jürgen-Warnick über Chancen der PDS, Großprojekte und sein Verhältnis zur SPD Ist das Ergebnis der Brandenburger PDS nach der Europawahl bereits die halbe Miete? Nein, höchstens ein Viertel. Was gilt es in den kommenden Wochen zu tun, um – wie Sie es einmal gesagt haben – erfolgreichste Kraft im Land zu werden? Die PDS hat in vielen Punkten gut ausgearbeitete Lösungsansätze, die aber in vielen Teilen der Bevölkerung nicht genügend bekannt sind. Die PDS muss ihr Profil noch weiter schärfen. Es ist nach wie vor nicht gelungen, hundertprozentig den Leuten klar zu machen, was eigentlich unsere Ziele sind und wie wir uns eine andere Politik vorstellen. Was sind die hauptsächlichen Ziele der PDS für Brandenburg? Unser Hauptziel ist, wieder eine vernünftige Bildungspolitik zu gewährleisten. Ich finde, dass das Bildungssystem, das Brandenburg nach 1990 bekommen hat, die schlechteste Hypothek ist, die wir aus den alten Bundesländern übernommen haben. Wir hätten bei unserem alten System bleiben sollen, ohne ideologische Belastungen. Es wäre billiger gewesen und wir wären mit der Bildung unserer Kinder wesentlich weiter. Das heißt Einheitsschule bis zur 10. Klasse. Ja. Ich plädiere dafür. Auch in der PDS wagt man sich nicht überall zu sagen, „Ich will meine DDR-Schule wieder haben!“ Das sind ideologische Scheuklappen. Alle haben Angst davor. Das sieht man auch bei anderen Parteien. Jetzt wird überlegt, wie man hintenrum mit anderen Bezeichnungen dasselbe wieder einführt. Warum kann ich nicht sagen, dass sich dieses System bewährt hat: zehn Jahre gehen alle gemeinsam zur Schule und die Leistungsstärksten gehen ab der 9. Klasse in ein Gymnasium. Völlig egal, wie man das Ganze nennt, aber dieses System erscheint mir vorteilhafter. Bildung kristallisiert sich als zentrales Wahlkampfthema heraus. Gilt es auch in der Brandenburger Wirtschaftspolitik andere Wege einzuschlagen, nachdem der Versuch, auf Großprojekte zu setzen, fehlgeschlagen ist? Richtig. Ich bin Mitglied im LEG-Untersuchungsausschuss. Nach den Erfahrungen dieser zweieinhalb Jahre bin ich der Meinung, dass man eine viel stärkere Kontrolle der Ministerien durch das Parlament braucht. Es gibt eine viel zu große Selbstständigkeit der Verwaltungen bei wirtschaftspolitischen Entscheidungen. Nur durch Kontrolle entwickelt und stärkt man keine Wirtschaft. Das ist richtig. Für meine Begriffe muss der Mittelstand viel mehr gefördert werden, weil der im Endeffekt mehr Arbeitsplätze bringt als irgend welche Großprojekte. Ich kenne Unternehmer, die nur deshalb niemanden einstellen und nicht vorankommen, weil sie keine Kapitalausstattung haben. Wenn ich denen die 150 Millionen, die der Lausitzring gekostet hat, als zinslosen Kredit gegeben hätte, wäre das ein riesiger Gewinn. Wir hätten 5000 Arbeitsplätze mehr und nicht 40, wie jetzt am Lausitzring. Aber Großprojekte lassen sich nun einmal besser politisch verkaufen. Mit einem PDS-Wirtschaftsminister wird es keine Großprojekte mehr geben? Dafür könnte man natürlich nicht garantieren. Wenn sich hier ein Investor niederlassen würde, würde niemand sagen: Den nehmen wir nicht! Aber man muss sich die Bedingungen ganz genau anschauen und darf sich die Konditionen nicht diktieren lassen. Man darf aber auch nicht unterschätzen, dass der Handlungsspielraum der Wirtschaftspolitik auf Landesebene relativ klein ist. Nur wenn man auch die Bundespolitik beeinflussen kann, würde man zu einem durchschlagendem Ergebnis kommen. So kann man nur versuchen, die schlimmsten Auswüchse dieses Systems zu reparieren. Es ist nicht ausgeschlossen, dass für das Gestalten auf Landesebene die PDS nach dem 19. September in die Verantwortung genommen wird. Sehen Sie sich persönlich dazu in der Lage? Ich als Person? – ich denke schon. Ich habe genug Erfahrung gesammelt in den letzten 14 Jahren. Aber ich sehe eine große Gefahr, dass die PDS ab Herbst mitregieren muss, weil ich einen Widerspruch sehe zwischen der Erwartungshaltung in großen Teilen der Bevölkerung und dem, was möglich ist. Das sehen wir ja in Berlin: Da fragt keiner, wer sich die 60 Milliarden Euro in die Tasche gesteckt hat und alles verbockt hat. Sondern man beschimpft die, die jetzt versuchen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Das kann uns hier auch passieren. Ich habe 14 Jahre lang gewarnt vor dem Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“, vor Flughafen, Chipfabrik und Lausitzring. Es hat sich bewiesen, dass meine Befürchtungen richtig waren. Und nun kommen wir in eine Situation, wo es heißt: Nun zeigt doch mal, dass ihr es besser könnt! Ja, vor 14 Jahren hätte ich es auch besser gekonnt. Hemmt die Gefahr, Erwartungshaltungen nicht erfüllen zu können, die PDS? In gewisser Weise schon. Wir müssen den Leuten reinen Wein einschenken, was mit uns möglich ist. Wir würden das knappe Geld, anders verteilen und versuchen, soziale Grausamkeiten zu reduzieren. Dazu gehört eine ganz intelligente Politik. Und man muss schauen, dass man die Gelder auch dahin lenkt, wo sich ein Stück weit allein etwas entwickelt. Ich sehe da in unserer Region den Europark. Da sind 1000 Arbeitsplätze entstanden ohne große Fördermittel. Hätte ich hier die Stammbahn gebaut, mit einem Aufwand von zirka 100 Millionen Euro, hätte ich 2000 Arbeitsplätze. Am Lausitzring verprassen wir 150 Millionen und haben 40 Arbeitsplätze. Das ist keine Effektivität. Regionen mit Potenzial, wie die Teltower, zu fördern bedeutet den Abschied vom Prinzip der dezentralen Konzentration. Das Prinzip ist eindeutig gescheitert. Das muss man offen und ehrlich zugeben. Natürlich darf man die Ränder nicht vernachlässigen. Da sind ganz pragmatische Lösungen gefragt. Da geht es nur noch darum zu retten, was zu retten ist. Und so viel ist das nicht mehr, es ist ja vieles den Bach runter gegangen. Sie haben nach Ihrer Nominierung als Direktkandidat gesagt, zur Not sind Sie auch für Rot-rot Ich würde mich darüber nicht freuen, mich aber nicht hundertprozentig dagegen stellen. Ich kann auch mit Rot-rot-grün gut leben. In Kleinmachnow zeigt sich, dass Sie sich mit der SPD schwer tun und es hier nicht leicht ist, einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Warum sollte das im Land besser gelingen? Es gibt nicht die SPD, in Kleinmachnow schon gar nicht. Da gibt es zwei sozialdemokratische Parteien. Mit der einen kann ich gut, mit der anderen weniger. Das hängt einfach mit der Sozialisierung zusammen. Eine ähnliche Situation haben wir auch im Land. Mit dem Teil der SPD, die den Sozialabbau geradezu befördern, habe ich sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Doch muss man als Mitglied einer demokratischen Partei auch Koalitionen in Betracht ziehen. Für mich ist entscheidend, was in einem solchen Koalitionsvertrag steht und wie dieser dann auch umgesetzt wird. Wenn wir viel für die Menschen erreichen können und einen Großteil unserer Bedingungen erfüllt bekommen, kann man das tun. Wir haben in der PDS ein Schnittstellenpapier gemacht, wo wir alle Politikbereiche verglichen haben. Da gibt es eine Ampel: sofortige Einigung heißt grün, Einigung nach Verhandlungen möglich heißt gelb. Einigung sehr schwierig oder gar nicht möglich heißt rot. Bei der SPD haben wir fast nur gelb, wenig rot und wenig grün. Und bei den Grünen haben wir zu 90 Prozent nur grün. Das klingt bei Ihnen persönlich, als würden sie weiterhin die Oppositionsbank bevorzugen? Ich muss das nehmen, was wir kriegen. Wenn uns der Wähler in die Lage versetzt, dass wir Schönbohm erden können – soll ich da nein sagen? Eine rot-rote Politik ist immer noch besser als das, was Schwarz-rot gemacht hat: Eine gegenseitige Blockade würde es mit Rot-rot nicht geben. Das Gespräch führte Peter Könnicke

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