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KulTOUR: „Die drei Sternchen bin ich“ „Raub der Sabinerinnen“ im Kunsthof Glindow

KulTOUR Werder - Wer sich zum darstellenden Spiel auf die Bühne traut, merkt sehr schnell, wie man sich selbst erfährt. Einer hat Talent, der andere Fleiß, dem dritten fehlt beides, und wie es da oben gleitet oder holpert, so nimmt es der günstige Zuschauer entgegen.

KulTOUR Werder - Wer sich zum darstellenden Spiel auf die Bühne traut, merkt sehr schnell, wie man sich selbst erfährt. Einer hat Talent, der andere Fleiß, dem dritten fehlt beides, und wie es da oben gleitet oder holpert, so nimmt es der günstige Zuschauer entgegen. Man freute sich also am Samstag, wie es den „Satyrn und Mänaden“ der Freien Schule am Zernsee gelang, den abendfüllenden Fünfakter „Raub der Sabinerinnen“ im Glindower „Kunsthof“ aufzuführen und über 150 Minuten fast durchzuhalten. Das amouröse Stück beruht zwar auf einem Schwank der Brüder Schönthan (Uraufführung 1884 in Stettin), aber das Programmheft verrät auch die segensreichen Einflüsse von Curt Goetz und J. M. Simmel (der Autor mit dem Kochlöffel). Petra Baum vom Felde hat es mit der schulinternen Theatergruppe für die Szene eingerichtet, das Bühnenbild (Marko vom Felde, Henri Polster) kündigte den vielen Besuchern ein gutbürgerliches Ausstattungsstück mit richtigen Kulissen und Gassen an. Offenbar lebt die professorale Familie Gollwitz auf etwas zu großem Fuße. Hausvater Martin (Florian Zeidler mit lustigem Spitzbärtlein) ist in Geldnot, denn seine Frau Friederike (Annika Bußmann) tummelt sich mit Töchterchen Paula (Christin Polster) an der Ostsee. Da läuft ihm der heute vergessene Theaterdirektor Striese (sehr begabt Toni Deutsch) über den Weg. Durch das umgängliche und larmoyante Dienstmädchen Rosa (Saskia J. vom Felde) erfährt er von einem Stück, welches der Professor in seiner Jugend geschrieben, den „Raub der Sabinerinnen“ betreffend. Der sächselnde Striese ist begeistert, Gollwitz nicht, aber er lässt sich letztlich überzeugen, den Text im Ort anonym uraufzuführen. Bedingung: Friederike darf nichts erfahren, drei Sternchen tarnen den Autor. Nun nimmt der besetzungsintensive Schwank seinen Lauf, wo Lüge an Lüge sich reiht. Weib und Tochter kehren verfrüht zurück, ein klotziger Weinhändler aus Berlin (Vincent M. vom Felde) verräuchert die Bude, bis einige Darsteller Hustenanfälle bekommen, Regisseur Striese kämpft mit sabinischen Besetzungsproblemen. Die Aufführung wird dann zwar ein Flop, aber die Autoren bestehen darauf, dass Gollwitzens Stück eine Welt gewinnt. Weit war der Weg zum verwuselten Happy-End. Jede Figur wollte psychologisch ergründet, jede Handlung gut motiviert sein, Fäden mussten gesponnen, Heimlichkeiten aufgelöst werden, zumal man im vierten Akt sogar jener „Raub“-Szene ansichtig wurde, wo Striese die Segel strich. Gollwitz bekennt: „Die drei Sternchen bin ich!“. Abgesehen, dass man für Glindows Guckkastenbühne zu leise sprach und das Parkett eher unruhig wirkte (während der Vorstellung Bier holen – Gläser zurückbringen), sah man es dieser Inszenierung an, wie sorgfältig sie am Anfang gearbeitet war, wie unfertig am Schluss. Sie kam wohl etwas zu früh auf die Bühne, viel Arbeit für die Soufflur. Bis zum dritten Akt war komödische Klarheit, der vierte tat leider das, was seitdem als „strieseln“ in die Theatergeschichte einging, der letzte wirkte nur unübersichtlich – Regieschwächen bei durchweg sympathischem Spiel. Die Darsteller nutzten ihr Talent unter sichtbarem Lampenfieber, einer mit Strahlung, der andere eher mit Bibbern (die falsche Tür beim Abgang erwischt? ist doch nicht schlimm). So lebte das Stück letztlich von mutigen Unbekümmertheit, wie sie Schülertheatern oft eigen ist. Den Schlussbeifall genossen alle verdient. Schön auch, dass man die beiden Aufführungen Freitag und Samstag teils als Benefiz für Asien deklarierte.g.p.

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