zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Boom statt Bomben

Trotz Bombodrom fließen Millionen in die nordöstliche Seenplatte der Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern

Trotz Bombodrom fließen Millionen in die nordöstliche Seenplatte der Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern Von Winfried Wagner Ein Haus am See – wer wünscht sich das nicht. Ein Haus am See mit Militärübungsplatz in der Nähe – da wird es schon komplizierter. Dieser Gegensatz spitzt sich zur Zeit nördlich von Berlin in der Mecklenburgischen Seenplatte zwischen Rheinsberg und Waren immer mehr zu. Eng an der Kyritz-Ruppiner Heide, wo die Bundeswehr den größten deutschen Luft-Boden-Schießplatz plant, entstehen in den nächsten Jahren hunderte Ferienwohnungen. Investoren aus allen Teilen Deutschlands geben rund 300 Millionen Euro über Banken für touristische Großprojekte, wie in Rheinsberg (Ostprignitz-Ruppin), Rechlin, Waren und Silz (Müritzkreis). Friedrich II. war begeistert Am weitesten gediehen ist das Hafendorf Rheinsberg. In dem 5000-Einwohner-Ort, dessen idyllische Seenlandschaft schon Kurt Tucholsky und den späteren Preußenkönig Friedrich II. begeisterte, entsteht Brandenburgs größte touristische Investition. Für rund 90 Millionen Euro wird eine 13 Hektar und 1000 Betten große Anlage mit Hotel und erstklassigen Freizeitmöglichkeiten gebaut, direkt an der Bundeswasserstraße. Dafür wird sogar der Rheinsberger See erweitert. „Die Hafenwände sind alle gerammt, das Wasser ist schon da“, freut sich Bauleiter Manfred Heigener. Einer der ersten, die dies schon nutzen, ist Kurt Bernhard Schacht aus dem nordrhein-westfälischen Detmold. „Ich hoffe, dass der Krach erträglich bleibt, sonst hätte ich das Haus nicht gekauft“, sagt der 63-Jährige, während er sein Reihenendhaus einrichtet. Schacht ist Abteilungsleiter einer Bezirksregierung, macht seit Jahren Urlaub an der Seenplatte und freut sich vor allem über den eigenen Bootssteg, den alle Ferienhäuser bekommen. Die Nähe zum Wasser ist auch für alle weiteren Investoren ausschlaggebend. So baut eine Immobiliengesellschaft aus Nordhorn (Niedersachsen) einen 60-Häuser-Ferienpark in Rechlin am Südufer der Müritz, weitere rund 150 Millionen Euro teure Ferienanlagen sind dort geplant. „Unsere Ferienhäuser kosten um die 170 000 Euro, elf potenzielle Käufer habe ich schon verloren“, erklärt Christian Otto Limburg, der in Nordhorn selbst die Tiefflieger erlebte. „Dort flog die Bundeswehr sehr diszipliniert, aber die Amerikaner machten, was sie wollten“, sagt er. Hier in der Heide dürfe das nicht passieren. Wenige Kilometer weiter in der Kreisstadt Waren und in Silz am Fleesensee, wo schon Deutschlands erster Robinson-Club entstand, stehen die nächsten Großprojekte am Start. So plant Klaus Wiesner, Hotelbetreiber in Bayern, das Hafendorf Fleesensee für rund 68 Millionen Euro mit Ferienhäusern und 150 Bootsliegeplätzen. Im Luftkurort Waren plant Hans-Holger Hagens, der schon das ehemalige Jagdhaus Erich Honeckers in Drewitz zum Hotel machte, eine weitere Millioneninvestition. Beides soll 2004 losgehen. Hagens gehört zu den Klägern, die auch rechtlich gegen das „Bombodrom“ vorgehen. So könnte vor allem die Tourismusbranche – so meinen Beobachter – es den Politikern immer schwerer machen, einen 12 000 Hektar großen Übungsplatz mit extremen Tiefflügen ausgerechnet in die Region mit den größten touristischen Chancen in Deutschland zu verlegen. „Unsere Zukunft hängt ganz stark von dieser Entscheidung ab“, macht der Vorsitzende des Landestourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern und Warener Landrat, Jürgen Seidel (CDU), klar. Die Gegner, die am 1. Januar wieder gegen die Militärpläne demonstrieren wollen, hoffen auch auf die Unterstützung durch Prominente, wie Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD), der 2003 erstmals Urlaub an der Seenplatte machte. Auch Schauspieler, Sänger und Bundestagsabgeordnete schätzen die unberührte Natur und haben Wohnsitze nördlich des Bombodroms.

Winfried Wagner

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false