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Potsdam-Mittelmark: Bischofssitz mit Blick ins Paradies

Bei der Restaurierung der Burg Ziesar wurden slawische Spuren entdeckt / 70 000 Dollar vom World Monuments Fund

Bei der Restaurierung der Burg Ziesar wurden slawische Spuren entdeckt / 70 000 Dollar vom World Monuments Fund Von Yvonne Jennerjahn Das Paradies hat einen Ort in Brandenburg: Die mittelalterliche Burgkapelle der früheren Bischofsresidenz in Ziesar. Tiefgrüne Blätterranken und dunkelrote Blütenornamente bedecken als Wandmalereien fast das gesamte Mauerwerk im Inneren der Kirche. Die Kunstwerke, die derzeit restauriert werden, sind um das Jahr 1500 entstanden und haben nun sogar Denkmalschützer aus den USA auf den Plan gerufen: Der World Monuments Fund (WMF) aus New York stellt 70 000 Dollar für den Erhalt zur Verfügung. „Diese Paradiesdarstellung war für die Zeit sehr modern, anspruchsvoll und teuer“, sagt Burgkurator Clemens Bergstedt. „Und sie wirft viele Fragen auf.“ Die Botschaft der Wandmalereien ist ebenso wie die genaue Geschichte der im Jahr 948 erstmals erwähnten Burganlage nicht eindeutig geklärt. „Die Idee war vielleicht, dem kleinen, exklusiven Zirkel um den Bischof in der Kapelle einen Blick vom Diesseits ins Jenseits zu gewähren“, vermutet Bergstedt. Sicher ist sich der promovierte Mittelalterhistoriker aber nicht. Die 600 000 Euro teure Restaurierung der Burgkapelle ist Teil eines Großprojektes. Zu Pfingsten 2005 soll in der Burg Ziesar auf 1.000 Quadratmetern Fläche in 21 Räumen ein Museum über die Zeit der Christianisierung eröffnet werden. Arbeitstitel: „Bischöfe und religiöses Leben in der mittelalterlichen Mark Brandenburg“. Die Sanierung der gesamten Burganlage soll 2006 abgeschlossen sein. Die Kosten in Höhe von noch einmal 5,24 Millionen Euro werden je zur Hälfte von der Europäischen Union sowie aus Bundes- und Landesmitteln finanziert. Verträge zur Erforschung der Anlage wurden mit der Universität Potsdam und der Fachhochschule der Landeshauptstadt geschlossen. Mehrere sensationelle Funde haben Archäologen bei Ausgrabungen bereits zu Tage gefördert: Überreste der slawischen Vorgängeranlage und einen mittelalterlichen Kerker mit Häftlingsinschriften. Damit gibt es erstmals Belege für die Existenz einer überbauten Slawenburg. Auch über die slawische Geschichte der Mark will das Bischofsmuseum informieren, über Kultur und Religion der Slawen und die Zeit der christlichen Kolonisatoren. Die Ideen des Christentums und religiöse Sinnfragen sollen im Mittelpunkt des Museumskonzepts stehen - die Burg Ziesar soll zum Denken anregen. „Die Leute sollen ihren Kopf anstrengen“, sagt Bergstedt. „Wir werden ein Mittelalterbild präsentieren, das nicht den Klischees entspricht.“ „Die Mark ist arm, aber nicht kulturlos, hier gab es nicht nur Brutalität, hier wurden hochintellektuelle Debatten geführt“, ergänzt der Historiker. Zwischen Ziesar und Rom habe es im Mittelalter eine „direkte Achse“ gegeben. Der Jerusalem-Raum der Burg mit ausgedehnten Wandmalereien von der heiligen Stadt gilt hierfür ebenso als Beleg wie die Paradies-Gestaltung der Kapelle oder die Fußbodenheizungen in der Residenz nach antikem Vorbild. „Das ist eine Fünf-Sterne-Anlage des Mittelalters“, so der Kurator. „Das war großer, großer Luxus.“ Mit der Reformation und später der preußischen Geschichtsschreibung über Hohenzollern und Askanier sei das Wissen über die Geschichte der Bischofsburg jedoch verloren gegangen, ergänzt Bergstedt. So sind die Wandmalereien der Kapelle von reformierten Gemeinden übertüncht worden und erst um 1860 durch „Selbstfreilegung“ wieder zum Vorschein gekommen: Die weiße Farbe blätterte ab. Die Malereien im Jerusalem-Raum wurden 1995 hinter einer Wandverkleidung wiederentdeckt. Die Anlage diente als Witwenresidenz der Kurfürsten, als Lagerraum und zu DDR-Zeiten als Internat. Die Quellenlage zur Geschichte sei „ungünstig“, so der Kurator. Sicher ist, dass die einzige so gut erhaltene Bischofsresidenz im nordostdeutschen Kulturraum von 1327 bis 1560 von Brandenburgs Bischöfen als Wohnort genutzt wurde. Doch Dokumente darüber gibt es kaum. „Die Burg ist unser wichtigstes Exponat“, sagt Bergstedt deshalb. „Und die Kapelle ist eins der Highlights.“ In Amerika sieht man das offenbar ebenso.

Yvonne Jennerjahn

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