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Potsdam-Mittelmark: Anonym und abgeschottet

Der Werderaner Buchautor Klaus Froh gab beim Heimatverein einen Einblick in die NVA-Führung

Der Werderaner Buchautor Klaus Froh gab beim Heimatverein einen Einblick in die NVA-Führung Von Thomas Lähns Werder. Sie waren Elite in einer antielitären Gesellschaft: Die Generale und Admirale der Nationalen Volksarmee bildeten die am schärfsten abgeschottete Gruppe der DDR-Gesellschaft, lenkten in vielerlei Hinsicht die Geschicke im Arbeiter- und Bauernstaat. Der Werderaner Klaus Froh möchte sie dennoch werteneutral betrachtet wissen. „Natürlich war die Generalität Vollstrecker der SED, das ist unstrittig. Aber Streitkräfte gibt es in jedem Land.“ Einige von ihnen wurden nach der Wende verurteilt, alle wurden aus dem Dienst entlassen. In seinem Buch „Die Generale und Admirale der NVA“ zeichnet Froh mit seinem Co-Autor Rüdiger Wenzke die Biographien der 377 obersten DDR-Militärs nach und gibt damit erstmalig einen kompletten Überblick über diese Elite. Froh war selbst Offizier bei der NVA, brachte es vom einfachen Soldaten bis zum Oberstleutnant. Der Autor referierte auf dem jüngsten Treffen des Heimatvereins. Die vergangenen 85 Jahre seien voll gravierender Umbrüche für deutsche Militäreliten gewesen, erläuterte Froh: Niedergang des Kaiserreiches, Bildung einer Reichswehr in der Weimarer Republik, Nazizeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die meisten Generale und Admirale in Nürnberg verurteilt, folgten sie Hitler doch bedingungslos – einige fanden knapp zehn Jahre später wieder Verwendung: Beim Aufbau der Bundeswehr wurde auch auf Wehrmachtsoffiziere zurückgegriffen. Froh nannte Reinhard Gehlen, Erich von Manstein und Hermann Förtsch als Beispiele. Letzterer wurde sogar Generalinspekteur der neuen westdeutschen Armee. Insgesamt seien mehr als 10000 ehemalige Wehrmachtsoffiziere in die Bundeswehr eingestellt worden. In der DDR war es anders, hier sei die Auswahl der Führungskräfte nach Herkunft aus der Arbeiterklasse und nach Staatstreue getroffen worden. „Militärische Erfahrung war nachgeordnet.“ 1952 wurde die Kasernierte Volkspolizei ins Leben gerufen, als Vorform der vier Jahre später gegründeten NVA. Unter den 30 ersten Generalen waren viele Kommunisten, einige hatten an den spanischen Befreiungskriegen teilgenommen. Vier von ihnen gehörten einst zur Wehrmacht, ließen sich jedoch auf den Sozialismus einschwören. Später gab es Generale auch im Zentralkomitee der SED oder in der Wirtschaft. Sogar der Chef von Interflug habe diesen Rang gehabt. „Für einen großen Teil der Bevölkerung blieben diese Leute anonym“, erzählte der Experte. Kaum jemand bekam etwas von einem Kommandowechsel mit. „Oder wissen Sie, wer in Geltow Chef beim Kommando Landstreitkräfte war?“ Die strikte Geheimhaltungspolitik der DDR gewährte kaum Einblicke, Ausnahme bildeten von Staatschef Honecker abgesegnete Pressemitteilungen über Beförderungen und Ernennungen zum Tag der NVA. Entsprechend schwer seien die Recherchen nach der Wende gewesen, gab Froh zu bedenken. Der Werderaner arbeitete bis 1989 am Militärgeschichtlichen Institut in Potsdam. 1990 war er unter anderem im Ministerium für Nationale Verteidigung in Straußberg tätig, erhielt hier Einblick in die Lebensläufe der Generale und Admirale, sammelte die Informationen für seine wissenschaftliche Arbeit. 1995 begannen Froh und Wenzke mit dem Buch, das nunmehr in dritter Auflage erschienen ist. Klaus Froh wurde mit der Wiedervereinigung aus der Armee entlassen, aber er beobachtete die Eingliederung der NVA in die Bundeswehr. „Es passierte unvorbereitet, unorganisiert.“ Noch heute sei der Prozess nicht vollständig abgeschlossen, denn laut Eingliederungsvertrag werden ehemalige NVA-Mitglieder immer noch als „Soldat, der in fremden Streitkräften gedient hat“, gekennzeichnet. Das Buch „Die Generale und Admirale der NVA“ ist im Bechtermünz-Verlag erschienen, ISBN 3-8289-0542-0.

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