Potsdam-Mittelmark: „ weil“s Land blüht“

Wie ein Mühlheimer in Caputh ein Grundstück kaufte und jetzt vergeblich versucht, seine Grunderwerbssteuer loszuwerden Von Henry Klix Schwielowsee-Caputh. Warum nicht Vivaldi? Bei den „Vier Jahreszeiten“ lässt es sich wunderbar entspannen. Man sitzt am Telefon und lässt sich von italienischer Klassik hypnotisieren. Eine zarte Frauenstimme vernebelt gelegentlich mit einem „Bitte Warten“ die Sinne. Es wäre sicher eine wissenschaftliche Untersuchung wert, was im Gehirn, in den Drüsen, mit den Nerven, ja dem ganzen Körper passiert, wenn man nach fünf Minuten jäh mit einem Besetztzeichen aus der durch die Telekom verrechneten Warteschleife gerissen wird. Hans-Jörg Peters hat es die ganze letzte Woche erfahren müssen. Täglich mehrmals rief er beim Finanzamt Potsdam-Land an – und musste leiden. Peters kommt aus Nordrhein-Westfalen und will nach Schwielowsee. Ans Wasser hat sich der ehemalige Beigeordnete der Stadt Mühlheim (Ruhr) gewöhnt, unter anderem aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen hat der passionierte Segler auch die Havel lieb gewonnen. Nun hat sich der Pensionär zum Umzug entschlossen. „Als künftiger Bürger Ihres schönen Landes Brandenburg suchte und fand ich ohne großes Bemühen ein geeignetes Grundstück im idyllischen Caputh“, schildert er in einem Schreiben an Finanzministerin Dagmar Ziegler (SPD). Die Verhandlungen mit Makler, Grundstückseigentümern und dem Notar am 5. November 2003 verliefen zügig. Der Notar verteilte die Urkunden am 11. November, die Bürgermeisterin der Gemeinde Schwielowsee testierte nach dem Baugesetzbuch ebenfalls prompt am 27. November. „Und nun warte ich geduldig seit zwei Monaten auf den Bescheid des zuständigen Finanzamtes Potsdam-Land, mich endlich um die Ihnen zustehenden Grunderwerbssteuern über 3400 Euro zu erleichtern“, heißt es in dem Brief. Ohne Bescheid kann kein Eintrag ins Grundbuch erfolgen – und solange gehört Peters das Grundstück nicht. Er kann keinen Bauantrag stellen, nicht bauen und investieren, seine lang gehegten Umzugspläne verzögern sich und ein neuer Bürger, Verbraucher und Steuerzahler bleibt der Gemeinde vorenthalten – alles, weil er sein Geld nicht beim Finanzamt los wird. Das lässt nur einen Schluss zu: Die jüngsten Strukturänderungen scheinen Brandenburgs Finanzverwaltung ramponiert zu haben. Im Zuge der Gemeindereform verlor das Finanzamt Potsdam-Land im November die Bereiche des früheren Amtes Fahrland und Golm an das Finanzamt Potsdam Stadt. Die Stadt Werder und Groß-Kreutz Emster wurden an“s Finanzamt Brandenburg abgegeben. In einer Pressemitteilung stellte die Ministerin auch noch in Aussicht, dass die bislang drei Standorte in Brandenburg, Potsdam/ Bürohochhaus und Potsdam/ Steinstraße auf zwei Standorte reduziert werden sollen. Die Signale für das Finanzamt Potsdam-Land waren mehr als deutlich. Gab es also vorauseilenden Gehorsam? Vorige Woche rief Hans-Jörg Peters jedenfalls täglich mehrmals unter (0331) 64690 in der Steinstraße an, ließ sich von Vivaldi berieseln und lauschte der wiederkehrenden Textansage: „ leider alle Leitungen besetzt bitten ihren Anruf zu wiederholen“. Nach fünf Minuten Trance wurde er gemein abgehängt. Der Ärger darüber brach sich Bahn in einem ganzen Katalog ernster Fragen an Ministerin Ziegler: „Brauchen Sie mein Geld, das ich Ihnen schulde, etwa in Brandenburg nicht? Haben Sie keinen Rechnungshof, der Sie alljährlich dezent ermuntert, in Anbetracht Ihrer Finanzkrise gefälligst jede nur mögliche Einnahmequelle rasch und durchgreifend zu nutzen? Oder haben Sie gar die Grunderwerbsteuer inzwischen heimlich abgeschafft, weil''s Land blüht?“ Die Antwort ist indirekt schon gegeben worden: Gestern wurde man unter der von Peters gewählten Nummer sofort verbunden. Der will jetzt allerdings nichts mehr riskieren: Er wird seine Steuern im Koffer in die Steinstraße bringen. Auf der Fahrt wird er im Autoradio vielleicht Vivaldis Jahreszeiten lauschen – und selbst entscheiden, wann er abschaltet.