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Kultur: Zurück zur elektronischen Urform Die Band Schiller im ausverkauften Nikolaisaal

Es fehlt der übliche technische Schnickschnack. Kein Strobo-Geflacker, kaum ein rotierender Scheinwerfer zu viel, keine aufmerksamkeitsheischende Videoleinwand, keine von Laserlicht durchzogenen Nebelschwaden.

Es fehlt der übliche technische Schnickschnack. Kein Strobo-Geflacker, kaum ein rotierender Scheinwerfer zu viel, keine aufmerksamkeitsheischende Videoleinwand, keine von Laserlicht durchzogenen Nebelschwaden. Keiner der vielen Gastmusiker und Sänger, mit denen die Band Schiller ihre Auftritte sonst ergänzen, tritt auf die überwiegend dunkel gehaltene Bühne, auf der ein ansehnliches und von zwei Schlagzeugen flankiertes Arsenal an Keyboards und Synthesizern thront. Als sich die vier schwarzgekleideten Musiker am Dienstagabend im ausverkauften Nikolaisaal hinter ihre Instrumente begeben, steht allein nur die Musik im Mittelpunkt.

Bisweilen lächelt Christopher von Deylen, Komponist und Mastermind von Schiller, als erfülle er sich mit der Darbietung seiner elektronischen Musik aus elf Jahren Schaffenszeit selbst einen Wunsch. Nicht nur, dass sämtliches Material, wie etwa das bekannte „Glockenspiel“ oder der Hit „Atemlos“ aber auch erstmals live präsentierte Stücke wie „Salton Sea“ oder „Playing With Madness“ auf eine elektronische Urform zurückgeführt und zugleich oft abenteuerlich variiert worden ist. Nein, für die insgesamt 24 Konzerte seiner neuen Tour, die „Klangwelten – Elektronik pur“ betitelt ist und die in Potsdam Premiere feiert, hat sich von Deylen auch ganz bewusst kleinere, ausnahmslos bestuhlte Säle ausgesucht. Allein das unverfälschte, möglichst nahe Klangerlebnis steht im Vordergrund des erfolgreichen Soundtüftlers, der an diesem Abend nur von seiner dreiköpfigen Stammformation, dem Keyboarder Christian Kretschmar sowie den beiden Schlagzeugern Ralf Rustke und Cliff Hewitt musikalische Unterstützung erhält.

Fast möchte man meinen, dass die häufigen Vergleiche Schillers mit Elektronik-Pionieren wie Jean-Michel Jarre oder Tangerine Dream nie angebrachter gewesen sind denn durch dieses musikalische, intelligent reduzierte und dennoch überaus kraftvolle Gewand. Beeindruckend klar und flächig sind die Sounds, oft getragen das Tempo, markant und wuchtig die Beats und melodieverliebt die Harmonien. Was sich da anfangs fast immer um ein simples Grundmotiv nach und nach an dichten Synthesizer-Sounds gruppiert, dann wabernd anwächst und in einem klanglichen Inferno gipfelt, hält der zarten Bezeichnung „Ambient-Pop“ kaum stand. Doch trotz dieser klanglich satten Fülle bleiben die Kompositionen stets erstaunlich transparent, wirken nicht überfrachtet, billig aufgebläht oder hilflos in die Länge gezogen. Im Gegenteil, die Neuversion der Erfolgssingle „Ein schöner Tag“ ist so treibend, komplex und endet dann so abrupt, dass es das Publikum schon zur Pause behufs einer spontanen Standing Ovation von den Sitzen reißt.

Freilich – bei all dieser grandios präsentierten puren Elektronik wünscht man sich schon mal zur Abwechslung den einen oder anderen Gesangspart. Auch sind Längen nicht ausgeschlossen, wenn von Deylen zu ausgiebig auf gerade einmal vier Tönen herumreitet oder die Stille zwischen den einzelnen Stücken sich schon ausbreiten will. Langweilig aber wird es knapp zwei Stunden, bis hin zur Zugabe nie. Viele der Gäste blicken versonnen und oft leicht im Takt wippend auf das lebendige Zusammenspiel der Musiker, die nicht zuletzt dank der bemerkenswert guten Akustik ein Schiller-Konzert der besonderen Art geben. Daniel Flügel

Daniel Flügel

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