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Kultur: Zurück zum Meister Lenné?

In den „Lindstedter Begegnungen“ gedachte die URANIA dem „Königlichen Hofgärtner“ Georg Potente

In den „Lindstedter Begegnungen“ gedachte die URANIA dem „Königlichen Hofgärtner“ Georg Potente Von Gerold Paul Jeder Garten ändert sein Gesicht, auch die königlichen Potsdams. Keiner ist nach 100 Jahren, wie er beim Entstehen war. Aus den Pflanzbäumen sind stattliche Burschen geworden, aus Hecken Wildwuchs, und Staudenbeete müssen sowieso in jedem Jahr erneuert werden. Was soll die Nachwelt tun mit der Lebendigkeit in Potsdams „historischen“ Gärten, zumal jeder Hohenzollern-König (nebst Königin) die thronbestallten Gärtner anhielt, das Seinige hinzuzutun, indes der nächste vieles wieder fortnahm, änderte. Zeiten und Moden: Wer weiß schon, dass eine Hecke einst den Blick auf Sanssouci vom Grünen Gitter aus verstellte? Selbst als die Anlagen 1918 dem Staat verfielen und man 1926 eine „Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten“ einrichtete, sahen die Potsdamer vor dem Neuen Palais, vorübergehend, expressionistische Formungen. Sind Rekonstruktionen des Urstandes wirklich sinnvoll, wie das Publikum sie heute einfach erwartet? Im Rahmen der „Lindstedter Begegnungen“ gedachte die URANIA am Sonntag eines Mannes, dessen 36-jährigem Dienst an und für Sanssouci die Nachwelt das jetzige Bild von Park Sanssouci verdankt, gleichwohl sie ihm Kränze nicht flocht. Georg Potente (1876-1945) hatte als „Königlicher Hofgärtner“ noch die letzten Wünsche Wilhelm II. und seiner ersten Gemahlin Auguste Victoria im raucherfreien Park zu erfüllen, in republikanischer Zeit wurde er Staatlicher Gartenoberinspektor, zuständig für die Gesamtanlage Sanssouci, bis ihn die Nazis ob seiner freimaurerischen Verbindungen 1938 vorzeitig in den Ruhestand beförderten. Er ist auch heute weitgehend unbekannt. Auf dem Bornstedter Friedhof erinnert nur eine Tafel an der Rückseite des Hofgärtnerhauses an ihn. Der Gartenhistoriker Jörg Wacker berichtete in einem materialbeladenen Dia-Vortrag vom Wirken des erklärten Lenné-Erben, mit viel zu leiser Stimme, dass Zuhören über 90 Minuten nicht ohne Anstrengung, zu viele Fakten nicht ohne Nachtun im Gedächtnis haften wollten. Bis 1911 war Potente als Obergärtner, dann als Hofgartendirektor für die Areale Neues Palais, Charlottenhof und Römische Bäder zuständig. Nach den Wünschen der „englisch“ denkenden Auguste Victoria gestaltete er das von Lenné entworfene „Parterre“ vor dem Palais mit opulenten Blumenrabatten in Blau und Grün und die Heckenquartiere um, legte ihr auch einen Rosengarten an. Am bekanntesten aber ist die Ausführung des nach ihm benannten „Potentestückes“ (1904-1908), jene Verbindungsallee zwischen Orangerie und Belvedere, die sich schon Friedrich Wilhelm IV. als Ende einer großen Triumphstraße träumte. Auch die Terrassenanlage (1913) unterhalb desselben Schlosses stammt von ihm, wie er, nach Kaisers Abgang, an der Rekonstruktion des Hippodrom interessiert war, dessen Nordseite er öffnete, indem er Sichtschneisen schlug. Wer vor dem blumigen Hügel im Marlygarten steht, hat gleichfalls eine „Umgestaltung“ (1931) durch Georg Potente vor Augen. In einer Potsdamer „Auszeit“ war er mit der „Modernisierung“ der Orangerie Charlottenburg beauftragt, samt der kaiserlichen Paradestrecke, was sich in neobarocken Formen, Rosenpflanzungen der Farbe nach, „Pfannkuchenbeeten“ und geometrischen „Rasenspiegeln“ ausdrückte. „Seine Zeit“ kam wohl erst nach der „Revolution“. Seit 1920 arbeitete er intensiv an der „Durcharbeitung des Parkgefüges Charlottenhof“, gestaltete das Areal zu den Römischen Bädern hin nach alten Plänen Lenné“s retour, indem er das Gehölz drastisch verminderte. Er gab den Beamten der Oberrechnungskammer Potsdam einen Obstgarten zum Erfrischen, besorgte die Anlagen von Stadtschloss und angrenzendem Lustgarten, schuf auch dem St. Joseph-Krankenhaus ein Grün. Vieles andere mehr. Merkwürdig, dass man diesem Mann nie eine Straße widmete. Auch das Internet gibt kaum Auskunft. Heute gilt er als Gartendenkmalpfleger par excellance und als Fachmann für die Wiederherstellung barocker Gärten „auf wissenschaftlicher Grundlage“, weil er die alten Pläne erforschte und sie, auch per Luftbild, mit dem gewachsenen Ist-Stand verglich. Er wollte den ganzen Lenné zurück, das „Original“, nie Ausgeführtes inklusive – was ihm die „republikanischen“ Potsdamer nicht selten verübelten. Als am 27. April 1945 die Russen in „Preußens Hauptstadt“ einmarschierten, nahm sich – was seiner Gattin misslang – Georg Potente das Leben. Er konnte ob der zerstörten Langen Brücke nicht auf dem Neuen Friedhof beerdigt werden. Man legte ihn in ein Massengrab. Ende 1973 erst soll er auf den Neuen Friedhof umgebettet worden sein.

Gerold Paul

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