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Kultur: Zum Sehen und Hören bestimmt

Eine wirkungsvolle Vernissage: Landschaften von Bettina Hünicke in der Sternkirche

Eine wirkungsvolle Vernissage: Landschaften von Bettina Hünicke in der Sternkirche Jeder Künstler ist anders, jede Ausstellung ist anders, auch jede Vernissage. Die von Bettina Hünicke am Montag in der Sternkirche war es ganz besonders, denn sie fand, zwar ungewöhnlich, aber wirkungsvoll, an einem langen und sehr schön mit Wein gedeckten Tisch im Sitzen statt. Pfarrer Hans Schalinski bat das zahlreich erschienene Publikum mit meditativen Texten zur Stille, damit man in die Bilder hineintreten könne. Durch sie käme Segen ins Haus – sie wollen Segen auch sein. Schön gesagt. Der Galerist aus Leidenschaft muss die Kunst sehr lieben. Seit fünf Jahren organisiert er in diesem 1997 abgebrannten und wieder aufgebauten Gotteshaus zweimonatlich Ausstellungen. Bettina Hünicke, Jahrgang 1961, ist bereits zum dritten Mal vertreten. Diesmal zeigt sie 15 Arbeiten zum Thema „Landschaften“, Aquarelle auf Papier, Öl auf Leinwand, auch in Sepia ist etwas dabei. Gelernt hat sie von 1984 bis 1987 an der Potsdamer Fachschule für Werbung und Gestaltung, ein Fachmann wird vielleicht ihre Lehrer erkennen. Sie ist Gründungsmitglied der deutsch-polnischen Künstlergruppe „Beiderseits des Flusses“, wovon einige Bilder, z.B. „April in Myslibórz“ erzählen, malte im italienischen Gubbio, und plant dieses Jahr eine Norwegentour, in das herbe Land ihrer Liebe. Hineingehen und lauschen, was diese Bilder zu sagen haben: die Pianistin Gabriele Kwaschik hörte Grieg aus ihnen heraus, Chopin und Debussy, was die Malerin hoch erfreute, beide hatten sich wohl im Geiste getroffen. So gab diese Vernissage, trotz Schneegestöbers draußen, eine ruhigen Eingang. Wohltuend repräsentierte das Publikum Öffentlichkeit. Herb sind auch die Bilder der bekennenden Open-air-Malerin. Vieles ist im Winter entstanden, doch man spürt das nicht immer, wie bei „Kalter, klarer Tag“. Offenbar liebt sie die Morphologie und deren Eindruck auf den Betrachter. Von Nahem scheint vieles mit starkem Pinsel gemacht, der Abriss einer „Roßkastanienallee“ fast in zentraler Perspektive, staksendes Baumgeäst, das gen Himmel ragt, oder der dunkle Tann in „Dazwischen – Landschaft in Trzciel". Diese Arbeiten brauchen Distanz zum Betrachten, erst aus der Ferne wirken sie plötzlich lebendig und plastisch. Details findet man bei der Potsdamerin dafür selten. Wirken die Bilder aus der ersten Hälfte der 90-er in stark empfundenem Hell-Dunkel-Kontrast noch farblich unausgewogen, so strebt Bettina Hünicke seitdem wohl mehr dem Lichten zu: Den einzigen „Kopf“ dieser Exposition zeigt „Phantasie I“ in einer interessanten Komposition, auch deren zweite ist sehenswert. Das dreigeschossige Panorama „Dom in Halle“ gibt nicht den Stolz dieses Bauwerks, sondern drei wie aufeinander gesetzte Dach-Etagen in hellem Aquarell. Die Werk- und Personalschau über zehn Jahre, darunter etliche Potsdam-Motive, macht Hünickes Weg als Malerin deutlich. Was jüngeren Datums ist, wirkt kompositorisch gefestigt, farblich gesichert, einfach lebendiger, und das bei Verwendung des von Künstlern ob seiner „Schwere" eher gemiedenen Öls. Die beiden Winterbilder (2004) gehören vielleicht zum Schönsten dieser Ausstellung, „Der Hügel“ hingegen hängt wohl nicht zufällig ganz an der Seite. Gegenüber fällt „Nuthe“ wegen seiner graphischen Anlage etwas aus dem Rahmen, sperrige Pappeln im Winter am Fluß, in Sepia, und mit Spiegel-Effekt. So ging man, sehend und lauschend, durch die Welt dieser Bilder. Chopin erklang noch im Hintergrund, die Atmosphäre war fast familiär - oder „gemeindlich“, wie sich das Pfarrer Schalinski gewünscht hat. Brot und Wein sind immer eine Einladung, aber wem sagte man das. Die nächste Exposition in zwei Monaten wird eine Inderin gestalten. Zum Abschluss seines Berufs- und Galeristen-Lebens, das ist balde, möchte er alle „seine" Künstler noch einmal versammeln, auch Bettina Hünicke. Jeder soll zur letzten Ausstellung mit einem Bild vertreten sein. Dann wird man wieder zu Tische sitzen, Stille lauschen und Musik, und die Bilder betrachten – eine fabelhafte Idee. Gerold Paul „Landschaften" sind zu sehen in der Sternkirche bis zum 29. April.

Gerold Paul

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