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Kultur: Wieder vereinter Mythos

Pankow im Lindenpark – die DDR-Rockrebellen auf Tournee durch Ostdeutschland

Pankow im Lindenpark – die DDR-Rockrebellen auf Tournee durch Ostdeutschland Von Henner Mallwitz Als kurz vor zehn die ersten Rufe nach „Pankow“ laut wurden, schien es höchste Zeit für die einstigen DDR-Rockrebellen. Die Newcomer-Vorband „Funke“ aus Berlin hatte gerade „Sehnsucht“ angestimmt und sprach damit wohl eher ungewollt so jedem im vollen Lindenpark aus dem Herzen. Doch bis die „Rolling Stones der DDR“ die Bühne für sich in Anspruch nahmen, dauerte es noch eine knappe Stunde – eine lange Zeit. „Wird es so wie früher?“ „Hauptsache, die spielen die alten Songs.“ „Kannst du dich noch erinnern, als ...?“ Unweigerlich schwelgte so mancher der meist über 30-jährigen Fans in Erinnerungen. An die Zeiten, als Pankow Anfang der 80er auf dem Höhepunkt ihrer 17-jährigen Bandgeschichte war. Die Rocker, die mit ihren Texten die Sprache jener fanden, die sie ansprechen wollten. Denen konformer Rock a lá Puhdys und Karat ebenso suspekt war wie von „oben“ verordnete Tabuthemen. Metaphern, das Zwischen-den-Zeilen-Lesen, um vielleicht für sich ein Stück Kritik am System erkannt zu haben, gabs bei Pankow nie: Herzberg-Bruder „Frauke Klauke“ sorgte in all den (DDR-) Jahren für unmissverständliche Klarheit. Nun also plötzlich ein Zusammenschluss nach der Trennung vor fünf Jahren. Auf einer einmaligen Tour durch mehrere Städte Ostdeutschlands lassen die Rocker derzeit die Geschichte noch einmal aufleben, und auch im Lindenpark trafen André Herzberg, Jürgen Ehle und Jäcki Reznicek, Kulle Dziuk und Stefan Dohanetz auf Fans, die nichts vergessen hatten, die an Herzbergs Mund ebenso klebten wie an Ehlers Fingern und die noch nichts verlernt hatten. Leichtes Spiel für den Frontmann: Inge Pawelczik und Doris, Gabi und Isolde wurden gemeinsam besungen – der Rock´n´Roll im Stadtpark fand im heißen Saal statt. Lied von der See“nsucht Viele Worte fand Heimkehrer Herzberg nicht, eigentlich gar keine. Aber irgendwie war das auch nicht nötig. Das Ganze lebte von Momenten. Von solchen Augenblicken, wenn nach kurzer Stille die ersten Riffs vom „Lied von der See´nsucht“ die abwartende Menge erreichten und sich ein Raunen breit machte. Eines jener Art, das wohl nur ein Ossi kennt, der in einem DDR-Film einst Geliebtes sieht: „Guck mal, ´n Sternrekorder!“ Das schwappte über. Dann war Herzberg, der Barfüßige in seinem nassen roten, über die Jeans getragenen Hemd nicht mehr nur Frontmann, sondern ein gerührter Sänger, der ganz kurz mit sich selbst zu kämpfen hatte und vielleicht nach all dem einfach nur mitfeiern wollte. Der bei „Inge Pawelczik“ liebend gern den Potsdamer Fans das Singen überließ und sich derzeit mit dem Handtuch den Schweiß aus dem Gesicht wischte. Nur den Schweiß? Die Tournee durch Deutschlands Osten – ein Mitschwimmen im boomenden Ostalgie-Zirkus? Wohl kaum. „Vielleicht zeigt gerade Pankow, dass die DDR mehr war als Ampelmännchen und ein Kessel Buntes“, meint André Herzberg. „In die Ostalgie-Shows hätten wir nicht hineingepasst, das Interesse der Fans spürten wir aber.“ Womöglich brauchte aber auch Pankow die Fans nach all den aufwühlenden Jahren, die von so manchen Höhen und Tiefen geprägt waren. Ein herber Einschnitt war damals Jürgen Ehles Enttarnung als IM. Eine Wunde, die zwar nie ganz verheilt, wie Herzberg sagt, über die die Zeit jedoch schon Schorf gelegt hat. 1997 erfuhr der Sänger aus seiner Stasiakte von der Bespitzelung. Von einer „Hassliebe“ der beiden wird oft gesprochen – ähnlich jener zwischen Mick Jagger und Keith Richards. Und in der Tat: „Darin steckt wohl auch ein gewisses Potenzial. Unsere Bühnenauftritte würden sonst wohl recht langweilig sein.“ Pünktlich zur Tournee ist in dieser Woche eine CD-Box in den Handel gekommen, die die fünf bei Amiga erschienenen LP´s enthält. Denn es waren die alten Songs, mit denen sich Pankow nach fünfjähriger Bühnenabstinenz seinen treu gebliebenen Fans präsentierte. Die Tournee – vielleicht sogar ein Neuanfang für die Band? Darüber wollen sich Herzberg & Co derzeit noch keinen Kopf zerbrechen. „Jeder von uns hat seine eigenen Projekte und ist übers Jahr voll beschäftigt“, sagt Herzberg. „Und Pankow muss man ganz oder gar nicht machen. Das ist keine Sache für nebenbei.“

Henner Mallwitz

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